40
George Condo
The Life We Love, 2004.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 280.000 Ergebnis:
€ 419.100 (inklusive Aufgeld)
The Life We Love. 2004.
Öl auf Leinwand.
Verso auf der Leinwand signiert, datiert und betitelt. 152 x 121,5 cm (59,8 x 47,8 in).
[AR].
• Ein Bravourstück unter George Condos "hybrid paintings".
• Hier trifft Künstlichkeit auf Wirklichkeit, christliche Ikonografie der Alten Meister auf zeitgenössische Ästhetik.
• Die herabhängende Karotte ist eine Metapher für falsche Hoffnungen und Hauptmotiv der Entstehungszeit.
• Neben Jean-Michel Basquiat, Robert Longo und Cindy Sherman gehört George Condo zu den gefeierten und weltweit rezipierten Stimmen der zeitgenössischen US-amerikanischen Kunst.
• 2019 waren seine Werke in der Hauptausstellung der Venedig-Biennale zu sehen.
• Seit 2020 wird der Künstler von der Galerie Hauser & Wirth vertreten, die 2023 ihre neue Dependance in West Hollywood mit einer George-Condo-Ausstellung eröffnete.
PROVENIENZ: Sandra Gering Gallery, New York.
Sammlung Hessen.
AUSSTELLUNG: still. michael BEVILACQUA, george CONDO, jane SIMPSON, Sandra Gering Gallery, New York, 17.2.-19.3.2005 (verso mit dem Galerieetikett).
"Rather than a narrative there is often a philosophical subtext which acts as a compositional structure. I painted a number of paintings representing the carrot. It's a metaphor of false hope, the carrot is dangling in front of you, like the dagger in Hamlet."
George Condo, zit. nach: George Condo, Existential Portraits, 2006, S. 12.
"Das Verschwimmen von Künstlichkeit und Wirklichkeit im Auge der Betrachter provoziert Condo ohne Unterlass und in erstaunlicher Wandlungsfähigkeit. In und mit seinen Bildern können wir getrost die 'bekannte Welt' hinter uns lassen. Jegliche Form von Effizienz, Kontrolle und Eindeutigkeit löst sich auf. Kontrollverlust ist die einzige Diagnose, auf die wirklich noch Verlass ist."
Der Künstler Axel Heil über den Artists' artist George Condo, 2023.
Öl auf Leinwand.
Verso auf der Leinwand signiert, datiert und betitelt. 152 x 121,5 cm (59,8 x 47,8 in).
[AR].
• Ein Bravourstück unter George Condos "hybrid paintings".
• Hier trifft Künstlichkeit auf Wirklichkeit, christliche Ikonografie der Alten Meister auf zeitgenössische Ästhetik.
• Die herabhängende Karotte ist eine Metapher für falsche Hoffnungen und Hauptmotiv der Entstehungszeit.
• Neben Jean-Michel Basquiat, Robert Longo und Cindy Sherman gehört George Condo zu den gefeierten und weltweit rezipierten Stimmen der zeitgenössischen US-amerikanischen Kunst.
• 2019 waren seine Werke in der Hauptausstellung der Venedig-Biennale zu sehen.
• Seit 2020 wird der Künstler von der Galerie Hauser & Wirth vertreten, die 2023 ihre neue Dependance in West Hollywood mit einer George-Condo-Ausstellung eröffnete.
PROVENIENZ: Sandra Gering Gallery, New York.
Sammlung Hessen.
AUSSTELLUNG: still. michael BEVILACQUA, george CONDO, jane SIMPSON, Sandra Gering Gallery, New York, 17.2.-19.3.2005 (verso mit dem Galerieetikett).
"Rather than a narrative there is often a philosophical subtext which acts as a compositional structure. I painted a number of paintings representing the carrot. It's a metaphor of false hope, the carrot is dangling in front of you, like the dagger in Hamlet."
George Condo, zit. nach: George Condo, Existential Portraits, 2006, S. 12.
"Das Verschwimmen von Künstlichkeit und Wirklichkeit im Auge der Betrachter provoziert Condo ohne Unterlass und in erstaunlicher Wandlungsfähigkeit. In und mit seinen Bildern können wir getrost die 'bekannte Welt' hinter uns lassen. Jegliche Form von Effizienz, Kontrolle und Eindeutigkeit löst sich auf. Kontrollverlust ist die einzige Diagnose, auf die wirklich noch Verlass ist."
Der Künstler Axel Heil über den Artists' artist George Condo, 2023.
George Condo wird 1957 in Concord, New Hampshire, geboren und studiert von 1976 bis 1978 Musiktheorie sowie Kunstgeschichte an der Lowell University in Massachusetts. Virtuos spielt er klassische Gitarre und später in Boston Punkrock in der Band "The Girls". Während eines Auftritts befreundet er sich mit Jean-Michel Basquiat, der ihn zum Umzug nach New York überredet. In der dortigen Kunstszene wird er schnell bekannt, ist in Andy Warhols "Factory" als Siebdrucker tätig und pflegt den künstlerischen Austausch mit Allen Ginsberg und Keith Haring. Für ein Jahr erlernt er in Los Angeles die Glasurtechniken alter Meister. Einige Jahre später, von 1985 bis 1995, verlässt er für ein Jahrzehnt die amerikanische Kunst- und Kulturwelt in Richtung Europa, wo er überwiegend in Paris lebt und mit neuen Eindrücken konfrontiert wird.
Die Erfahrungen dieser Zeit und der Kontakt mit der europäischen Kunst werden prägend für die Entwicklung seines Malstils, den er selbst als "artificial realism" (künstlerischen Realismus) bezeichnet und sich als eine Art Synthese aus kunsthistorischen Verweisen und zeitgenössischer Ästhetik zusammenfassen lässt. Dabei überträgt er den Stil der jeweiligen Epoche oder seiner Vorbilder jedoch nicht eins zu eins in seine Werke. Vielmehr lässt er unter dem Eindruck verschiedenster Einflüsse auf der Leinwand seine eigenen künstlerischen Visionen entstehen und verbindet gekonnt das Alltägliche mit der Hochkultur, das Schöne mit dem Grotesken. Oftmals sind die Einflüsse in seinen Werken deutlich zu erkennen, in anderen Fällen gelingt es hingegen nicht, alle Symbole und Verweise zu entschlüsseln. Ein Umstand, der dem Künstler durchaus bewusst ist, denn: "It’s the viewer who really decides what’s going on in the artwork, not the maker." (George Condo, zit. nach: George Condo, The Way I Think, Louisiana Channel, Video, online: https://channel.louisiana.dk/artists/george-condo). Dieser künstlerische Ansatz kommt auch in "The Life We Love" deutlich zum Ausdruck. Auf typische George-Condo-Art verbindet sich hier christliche Symbolik mit surrealistischen Einflüssen und einer humorvollen Inszenierung der Objekte, die an die Welt des Comics denken lässt. [AR]
George Condo – The Life We Love
Das Leben, das wir lieben.
Die Party ist vorbei.
Die Party ist noch nicht vorbei. Die mögliche spontane Zuschreibung dieses ganz und gar ungewöhnlichen Bildes setzt eine gewisse Kennerschaft voraus. Und auch wieder nicht. Es zeigt alles. Klar und deutlich. Ein ausgeträumtes Leben an der Tischkante? Ist das so? Really?
Sie wissen es längst. Das Bild mit der hängenden Karotte ist von George Condo. Es ist ein "Hybrid", ein Programmbild und ein "Masterpiece". Schon 2004, als es entsteht, hatte der amerikanische Künstler alles gemalt – immer wieder neu und immer programmatisch anders. Besonders rücksichtslose "Feinmalerei", wenn er gerade Lust dazu hatte. Der Künstler ist freigiebig. Er malt noch selbst, und noch jedes Füllhorn ist ein Beispiel seines Talents. Auch hier ein selten "leichtfertiges" Bravourstück. Die Augen vieler begeisterter Sammlerinnen und Sammler mögen heute kaum noch jenen Kritikern Glauben schenken, die in der süffisant souveränen Palette des Wahl-New-Yorkers über viele Jahre "nur" eine weitere "eklektische Position exotischer Konstruktionen" sehen konnten. Im Prinzip hatten sie sogar recht, aber der Beifall kam von der anderen Seite, war bald unüberhörbar. Da war Condo, stets selbstgewählt in den Peripherien des Außerordentlichen unterwegs, unbeirrbar längst als Prophet künstlicher Paradiese, die es fast einmal gegeben hätte. Heute wird George Condo gefeiert, neben Jean-Michel Basquiat, Robert Longo und Cindy Sherman gehört er längst zu den weltweit rezipierten Stimmen der amerikanischen Kunst der 1980er Jahre, ein Artists‘ artist und bildmächtiger Gestaltwandler einer Zeit, in der schwer fassbare Ausläufer einer "other tradition" noch ungeahnte Schubkräfte entwickeln konnten. In apostrophiert unsicheren Zeiten liefern Condos Bilder überzeugende Gewissheiten unmittelbare Gegenwart aus der hoffnungslosen "Fabrikation der Fiktionen" zu gewinnen.
Spätestens Ende der 1980er-Jahre sieht George Condo eines der rätselhaftesten Bilder der Frührenaissance: Die "Pala Montefeltro" von Piero della Francesca, eine Madonna mit Kind, die Heilige und den Stifter zu einer "Sacra Conversazione" erweitern. Das Gemälde, ohnehin schon ein Wurf in die Zukunft, ist auch aufgrund eines ungewöhnlichen Details weltberühmt. Ein großes Ei hängt von einer Kette gefasst in der Mittelachse des Bildes, über und hinter der Marienfigur, die den Vordergrund bestimmt. Jenseits aller ikonologischen Anspielungen präsentiert der Künstler vor allem eins: Ein seltsames Ding, dieses "Straußenei", das auch nach 500 Jahren noch nicht eingelöste Unmittelbarkeit verspricht.
In "The Life We Love" geht es um Delikatessen. Solche besonderer Art, spezifischer Konsistenz. Der Blick führt uns nach "draußen", zieht uns in unbekannte Weiten. Den Vordergrund bildet ein seltsam "gedeckter Tisch", mit Sicherheit kein "klassisches" Stillleben, aber vielleicht gleichwohl ein Sinnbild – man könnte etwa an Pieter Bruegels mit unterschiedlichsten Bedeutungen aufgeladenes "Schlaraffenland" denken. Das über Jahrhunderte beliebte Genre der abendländischen Malerei greift hier nicht. Fast sind wir geneigt von "bewohnt" und "Figuren" zu sprechen – das Gemüse hat sich verselbstständigt, es ist nicht nur frisch, es lebt. Sogar sehr. Bei genauerer Betrachtung ist das "Drinnen" eigentlich schon das "Draußen". Die traditionell mit Eiweiß gestärkte Tischdecke definiert den nur scheinbar vertrauten Anblick als "Innensicht" der Dinge. Der Horizont liegt unter der hinteren Tischkante. Und das ist noch nicht alles: Die Zumutung als Hoffnung getarnt sieht anders aus. Dass dies das Leben sein soll, das wir lieben, glauben wir dem Maler aufs Wort. Das Leben ist eine Zumutung, no question about that. Unser Tun, nichts mehr aber auch nichts weniger als das Jagen nach der zweifelhaften Karotte aus Bugs Bunnys Comicwelten, die wir immer nur fast erreichen. Dass Condo die Karotte mit wertvollem "Grün", Ausweis ökologischer Herrlichkeit, in der Bildmitte hängend zeigt, eröffnet aber auch noch eine andere Assoziation. An einem dünnen Faden hängt sie genau dort, wo eigentlich seiner Bedeutung nach und aus der Tiefe des Raumes ohne weiteres Leonardos "Salvator Mundi" auftauchen könnte – aber es gibt keine Erlösung. Stattdessen nur gähnende Leere, bis weit ins barocke Hinterland. Wolken am Himmel, Nimbostratus, nicht der leiseste Zweifel. Das erntereife Gemüse gilt heute als das Heilsversprechen schlechthin, sprechender Bote einer vegan verträumten Welt.
CONDO – ein Name, ein Programm. In "Self Creator" waren aus den skurril verwandelten Buchstaben seines Namens schon in den 1980er Jahren unglaubliche und dabei gut gelaunte Arrangements in Öl auf Leinwand entstanden. Selbstsicher "belebt" mit Wesen deren einzige Begründung in ihrem Erscheinen lag. Radioaktive Stellvertreter auf saftig grünem Gras und zu allem Überfluss eingebettet in Landschaften so scheinbar "artifiziell" wie O‘Rears Bildschirmschoner Bliss, der uns seit mehr als zwei Jahrzehnten zuverlässig als Opener von "Windows XP" die Realität als angenehme Fiktion verspricht.
Das Verschwimmen von Künstlichkeit und Wirklichkeit im Auge der Betrachter provoziert Condo ohne Unterlass und in erstaunlicher Wandlungsfähigkeit. In und mit seinen Bildern können wir getrost die "bekannte Welt" hinter uns lassen. Jegliche Form von Effizienz, Kontrolle und Eindeutigkeit löst sich auf. Kontrollverlust ist die einzige Diagnose, auf die wirklich noch Verlass ist. Qualmende Zigaretten leben allerorten auf gelbem Paprika, unterhalten sich beflissen mit jenen Artgenossen auf einer Aubergine oder Gurke – mutmaßlich Handelsklasse 1 und mit ökologisch durchaus bedenklichem Fußabdruck, aber deshalb umso überzeugter von weither kommend.
Es ist die Welt, die wir lieben, die einzige, die wir kennen. Das schlechte Gewissen – auch Condo ist sich da sicher – haben immer die Anderen.
Axel Heil
Die Erfahrungen dieser Zeit und der Kontakt mit der europäischen Kunst werden prägend für die Entwicklung seines Malstils, den er selbst als "artificial realism" (künstlerischen Realismus) bezeichnet und sich als eine Art Synthese aus kunsthistorischen Verweisen und zeitgenössischer Ästhetik zusammenfassen lässt. Dabei überträgt er den Stil der jeweiligen Epoche oder seiner Vorbilder jedoch nicht eins zu eins in seine Werke. Vielmehr lässt er unter dem Eindruck verschiedenster Einflüsse auf der Leinwand seine eigenen künstlerischen Visionen entstehen und verbindet gekonnt das Alltägliche mit der Hochkultur, das Schöne mit dem Grotesken. Oftmals sind die Einflüsse in seinen Werken deutlich zu erkennen, in anderen Fällen gelingt es hingegen nicht, alle Symbole und Verweise zu entschlüsseln. Ein Umstand, der dem Künstler durchaus bewusst ist, denn: "It’s the viewer who really decides what’s going on in the artwork, not the maker." (George Condo, zit. nach: George Condo, The Way I Think, Louisiana Channel, Video, online: https://channel.louisiana.dk/artists/george-condo). Dieser künstlerische Ansatz kommt auch in "The Life We Love" deutlich zum Ausdruck. Auf typische George-Condo-Art verbindet sich hier christliche Symbolik mit surrealistischen Einflüssen und einer humorvollen Inszenierung der Objekte, die an die Welt des Comics denken lässt. [AR]
George Condo – The Life We Love
Das Leben, das wir lieben.
Die Party ist vorbei.
Die Party ist noch nicht vorbei. Die mögliche spontane Zuschreibung dieses ganz und gar ungewöhnlichen Bildes setzt eine gewisse Kennerschaft voraus. Und auch wieder nicht. Es zeigt alles. Klar und deutlich. Ein ausgeträumtes Leben an der Tischkante? Ist das so? Really?
Sie wissen es längst. Das Bild mit der hängenden Karotte ist von George Condo. Es ist ein "Hybrid", ein Programmbild und ein "Masterpiece". Schon 2004, als es entsteht, hatte der amerikanische Künstler alles gemalt – immer wieder neu und immer programmatisch anders. Besonders rücksichtslose "Feinmalerei", wenn er gerade Lust dazu hatte. Der Künstler ist freigiebig. Er malt noch selbst, und noch jedes Füllhorn ist ein Beispiel seines Talents. Auch hier ein selten "leichtfertiges" Bravourstück. Die Augen vieler begeisterter Sammlerinnen und Sammler mögen heute kaum noch jenen Kritikern Glauben schenken, die in der süffisant souveränen Palette des Wahl-New-Yorkers über viele Jahre "nur" eine weitere "eklektische Position exotischer Konstruktionen" sehen konnten. Im Prinzip hatten sie sogar recht, aber der Beifall kam von der anderen Seite, war bald unüberhörbar. Da war Condo, stets selbstgewählt in den Peripherien des Außerordentlichen unterwegs, unbeirrbar längst als Prophet künstlicher Paradiese, die es fast einmal gegeben hätte. Heute wird George Condo gefeiert, neben Jean-Michel Basquiat, Robert Longo und Cindy Sherman gehört er längst zu den weltweit rezipierten Stimmen der amerikanischen Kunst der 1980er Jahre, ein Artists‘ artist und bildmächtiger Gestaltwandler einer Zeit, in der schwer fassbare Ausläufer einer "other tradition" noch ungeahnte Schubkräfte entwickeln konnten. In apostrophiert unsicheren Zeiten liefern Condos Bilder überzeugende Gewissheiten unmittelbare Gegenwart aus der hoffnungslosen "Fabrikation der Fiktionen" zu gewinnen.
Spätestens Ende der 1980er-Jahre sieht George Condo eines der rätselhaftesten Bilder der Frührenaissance: Die "Pala Montefeltro" von Piero della Francesca, eine Madonna mit Kind, die Heilige und den Stifter zu einer "Sacra Conversazione" erweitern. Das Gemälde, ohnehin schon ein Wurf in die Zukunft, ist auch aufgrund eines ungewöhnlichen Details weltberühmt. Ein großes Ei hängt von einer Kette gefasst in der Mittelachse des Bildes, über und hinter der Marienfigur, die den Vordergrund bestimmt. Jenseits aller ikonologischen Anspielungen präsentiert der Künstler vor allem eins: Ein seltsames Ding, dieses "Straußenei", das auch nach 500 Jahren noch nicht eingelöste Unmittelbarkeit verspricht.
In "The Life We Love" geht es um Delikatessen. Solche besonderer Art, spezifischer Konsistenz. Der Blick führt uns nach "draußen", zieht uns in unbekannte Weiten. Den Vordergrund bildet ein seltsam "gedeckter Tisch", mit Sicherheit kein "klassisches" Stillleben, aber vielleicht gleichwohl ein Sinnbild – man könnte etwa an Pieter Bruegels mit unterschiedlichsten Bedeutungen aufgeladenes "Schlaraffenland" denken. Das über Jahrhunderte beliebte Genre der abendländischen Malerei greift hier nicht. Fast sind wir geneigt von "bewohnt" und "Figuren" zu sprechen – das Gemüse hat sich verselbstständigt, es ist nicht nur frisch, es lebt. Sogar sehr. Bei genauerer Betrachtung ist das "Drinnen" eigentlich schon das "Draußen". Die traditionell mit Eiweiß gestärkte Tischdecke definiert den nur scheinbar vertrauten Anblick als "Innensicht" der Dinge. Der Horizont liegt unter der hinteren Tischkante. Und das ist noch nicht alles: Die Zumutung als Hoffnung getarnt sieht anders aus. Dass dies das Leben sein soll, das wir lieben, glauben wir dem Maler aufs Wort. Das Leben ist eine Zumutung, no question about that. Unser Tun, nichts mehr aber auch nichts weniger als das Jagen nach der zweifelhaften Karotte aus Bugs Bunnys Comicwelten, die wir immer nur fast erreichen. Dass Condo die Karotte mit wertvollem "Grün", Ausweis ökologischer Herrlichkeit, in der Bildmitte hängend zeigt, eröffnet aber auch noch eine andere Assoziation. An einem dünnen Faden hängt sie genau dort, wo eigentlich seiner Bedeutung nach und aus der Tiefe des Raumes ohne weiteres Leonardos "Salvator Mundi" auftauchen könnte – aber es gibt keine Erlösung. Stattdessen nur gähnende Leere, bis weit ins barocke Hinterland. Wolken am Himmel, Nimbostratus, nicht der leiseste Zweifel. Das erntereife Gemüse gilt heute als das Heilsversprechen schlechthin, sprechender Bote einer vegan verträumten Welt.
CONDO – ein Name, ein Programm. In "Self Creator" waren aus den skurril verwandelten Buchstaben seines Namens schon in den 1980er Jahren unglaubliche und dabei gut gelaunte Arrangements in Öl auf Leinwand entstanden. Selbstsicher "belebt" mit Wesen deren einzige Begründung in ihrem Erscheinen lag. Radioaktive Stellvertreter auf saftig grünem Gras und zu allem Überfluss eingebettet in Landschaften so scheinbar "artifiziell" wie O‘Rears Bildschirmschoner Bliss, der uns seit mehr als zwei Jahrzehnten zuverlässig als Opener von "Windows XP" die Realität als angenehme Fiktion verspricht.
Das Verschwimmen von Künstlichkeit und Wirklichkeit im Auge der Betrachter provoziert Condo ohne Unterlass und in erstaunlicher Wandlungsfähigkeit. In und mit seinen Bildern können wir getrost die "bekannte Welt" hinter uns lassen. Jegliche Form von Effizienz, Kontrolle und Eindeutigkeit löst sich auf. Kontrollverlust ist die einzige Diagnose, auf die wirklich noch Verlass ist. Qualmende Zigaretten leben allerorten auf gelbem Paprika, unterhalten sich beflissen mit jenen Artgenossen auf einer Aubergine oder Gurke – mutmaßlich Handelsklasse 1 und mit ökologisch durchaus bedenklichem Fußabdruck, aber deshalb umso überzeugter von weither kommend.
Es ist die Welt, die wir lieben, die einzige, die wir kennen. Das schlechte Gewissen – auch Condo ist sich da sicher – haben immer die Anderen.
Axel Heil
40
George Condo
The Life We Love, 2004.
Öl auf Leinwand
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