Die im schweizerischen Exil begonnenen Serien im Werk von Alexej Jawlensky bergen in ihrer Ausbreitung und hohen Konzentration immer wieder überraschende Aspekte der malerischen Umsetzung seiner motivischen Vorstellungen. Nach den in sein Bildprogramm tief eingreifenden Variationen über seinen Blick aus dem Fenster beginnt Jawlensky ab Oktober 1917 mit mystischen Köpfen zu experimentieren. Er scheint dabei auf die stark farbigen und expressiv vorgetragenen Köpfe der Jahre vor dem Ersten Weltkrieg zurückzugreifen, wie etwa "Kopf in Weinrot und Grün" (ca. 1913), und sie in einer individualisierten, aber gleichzeitig auch stilisierten Monumentalität neu zu denken: Köpfe, die Jawlensky seiner radikalen Vortragsweise unterstellt, sich für die Physiognomien aus seinem selbst entwickelten Baukasten bedient und die Charakterisierung reduziert auf offene oder geschlossene Augen, farbig akzentuierte Augen, klar gesetzten Nasenrücken, strichartigen Mund, Haaransatz und buntfarbiges Rouge auf den Wangen. Die Klaviatur der Bildgestaltung wird ausschließlich durch die Farbflächen geleistet, die in sich keine Räumlichkeit tragen. Die ungewöhnliche Farbigkeit kombiniert mit den präzise gesetzten Linien von Mund, Augen und einfassendem Schwarz erzeugen den Ausdruck von "Trotz". Der von Jawlensky angestrebte Weg zur Verklärung des Geistigen im Gesicht des Menschen mit Formen und Farben findet in den "Mystischen Köpfen" seinen ersten herausragenden Ausdruck. Jawlensky wird dies in den darauffolgenden Werkgruppen der "Heilandgesichter" und "Christusköpfe" noch fortführen. Doch ist die individuelle und personalisierende Ausdruckskraft bei der Gruppe der "Mystischen Köpfe" noch stärker im Vordergrund. [EH]