Auktion: 600 / Evening Sale am 05.12.2025 in München
Lot 125001288
Lot 125001288
125001288
Gerhard Richter
Abstraktes Bild, 1997.
Öl auf Alucobond
Schätzpreis: € 700.000 - 900.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Gerhard Richter
1932
Abstraktes Bild. 1997.
Öl auf Alucobond.
Verso signiert, datiert und mit der Werknummer "842-4" bezeichnet. 48 x 55 cm (18,8 x 21,6 in). [JS].
• Auf dem Höhepunkt: Seit Ende der 1980er Jahre entstehen Richters reife "Abstrakte Bilder", in denen allein der Rakel die Malerei dominiert.
• Fortan ist Richter der Schöpfer einer radikal neuartigen, zwischen Kalkül und Zufall oszillierenden Ästhetik.
• Internationale Ausstellungshistorie: u. a. Teil der wichtigen Richter-Retrospektive "Forty Years of Painting" im Museum of Modern Art, New York, und im San Francisco Museum of Modern Art.
• Gemälde dieser Werkphase befinden sich in den wichtigsten Sammlungen weltweit, u. a. im San Francisco Museum of Modern Art, in der Tate Modern, London, und im Guggenheim Museum, Abu Dhabi.
• Aktuell würdigt die Fondation Louis Vuitton, Paris, Richters Jahrhundertwerk mit einer spektakulären Retrospektive (Oktober 2025 – März 2026).
PROVENIENZ: Anthony d'Offay Gallery, London.
Privatsammlung Schweiz.
Schönewald Fine Arts, Xanten / Anthony Meier Fine Arts, San Francisco.
Sammlung Catie Moss und Jeremy Zimmer, Los Angeles.
Anthony Meier Fine Arts, San Francisco.
Privatsammlung New York (bis 2011, Christie's).
Privatsammlung Niederlande (vom Vorgenannten).
AUSSTELLUNG: Future Present Past. XLVII Esposizione Internazionale d'Arte, La Biennale di Venezia, 1997.
Gerhard Richter. New Paintings, Anthony d'Offay Gallery, London, 1998.
Gerhard Richter. Malerei 1966-1997, Kunstverein Friedrichshafen / Zeppelin Museum, Friedrichshafen, 2001.
Gerhard Richter. Forty Years of Painting, The Museum of Modern Art, New York / The Art Institute of Chicago / San Fancisco Museum of Modern Art, San Francisco / Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Washington, D.C., 2002/03.
LITERATUR: Dietmar Elger, Gerhard Richter. Catalogue raisonné, Bd. 5: 1994-2006 (Nr. 806-899-8), Berlin 2019, WVZ-Nr. 842-4.
- -
Future Present Past, XLVII Esposizione Internazionale d' Arte, La Biennale di Venezia, Venedig 1997, S. 533 (m. Abb.).
Gerhard Richter. New Paintings, Anthony d'Offay Gallery, London 1998, S. 97 (m. Abb.).
Gerhard Richter. Malerei 1966-1997, Kunstverein Friedrichshafen / Zeppelin Museum, Friedrichshafen 2001, S. 94 (m. Abb.).
Gerhard Richter. Forty Years of Painting, Museum of Modern Art, New York 2002, S. 260 (m. Abb.).
Robert Storr, Gerhard Richter. Malerei, Ostfildern-Ruit 2002, S. 260 (m. Abb.).
Gerhard Richter, "Moritz" der Schrecken des Sehens als Daseinserfahrung, Athen 2004, S. 52/53 (m. Abb.).
Gerhard Richter, K20, Kunstsammlungen Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2005, S. 279 (m. Abb.).
Bruno Eble, Gerhard Richter. La surface du regard, Paris 2006, S. 215.
Christie's, New York, First Open. Post-War and Contemporary Art, 21.9.2011, Los 50 (m. Abb. S. 39).
"Continuing its tradition of landmark monographic exhibitions devoted to leading figures of 20th and 21st-century art – including Jean-Michel Basquiat, Joan Mitchell, Mark Rothko, and David Hockney – the Fondation dedicates all its galleries to Gerhard Richter, widely regarded as one of the most important and internationally celebrated artists of his generation."
Fondation Louis Vuitton, Paris, zur Ausstellung "Gerhard Richter" (Okt. 2025 – März 2026) https://www.fondationlouisvuitton.fr/en/events/gerhard-richter-exhibition
1932
Abstraktes Bild. 1997.
Öl auf Alucobond.
Verso signiert, datiert und mit der Werknummer "842-4" bezeichnet. 48 x 55 cm (18,8 x 21,6 in). [JS].
• Auf dem Höhepunkt: Seit Ende der 1980er Jahre entstehen Richters reife "Abstrakte Bilder", in denen allein der Rakel die Malerei dominiert.
• Fortan ist Richter der Schöpfer einer radikal neuartigen, zwischen Kalkül und Zufall oszillierenden Ästhetik.
• Internationale Ausstellungshistorie: u. a. Teil der wichtigen Richter-Retrospektive "Forty Years of Painting" im Museum of Modern Art, New York, und im San Francisco Museum of Modern Art.
• Gemälde dieser Werkphase befinden sich in den wichtigsten Sammlungen weltweit, u. a. im San Francisco Museum of Modern Art, in der Tate Modern, London, und im Guggenheim Museum, Abu Dhabi.
• Aktuell würdigt die Fondation Louis Vuitton, Paris, Richters Jahrhundertwerk mit einer spektakulären Retrospektive (Oktober 2025 – März 2026).
PROVENIENZ: Anthony d'Offay Gallery, London.
Privatsammlung Schweiz.
Schönewald Fine Arts, Xanten / Anthony Meier Fine Arts, San Francisco.
Sammlung Catie Moss und Jeremy Zimmer, Los Angeles.
Anthony Meier Fine Arts, San Francisco.
Privatsammlung New York (bis 2011, Christie's).
Privatsammlung Niederlande (vom Vorgenannten).
AUSSTELLUNG: Future Present Past. XLVII Esposizione Internazionale d'Arte, La Biennale di Venezia, 1997.
Gerhard Richter. New Paintings, Anthony d'Offay Gallery, London, 1998.
Gerhard Richter. Malerei 1966-1997, Kunstverein Friedrichshafen / Zeppelin Museum, Friedrichshafen, 2001.
Gerhard Richter. Forty Years of Painting, The Museum of Modern Art, New York / The Art Institute of Chicago / San Fancisco Museum of Modern Art, San Francisco / Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Washington, D.C., 2002/03.
LITERATUR: Dietmar Elger, Gerhard Richter. Catalogue raisonné, Bd. 5: 1994-2006 (Nr. 806-899-8), Berlin 2019, WVZ-Nr. 842-4.
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Future Present Past, XLVII Esposizione Internazionale d' Arte, La Biennale di Venezia, Venedig 1997, S. 533 (m. Abb.).
Gerhard Richter. New Paintings, Anthony d'Offay Gallery, London 1998, S. 97 (m. Abb.).
Gerhard Richter. Malerei 1966-1997, Kunstverein Friedrichshafen / Zeppelin Museum, Friedrichshafen 2001, S. 94 (m. Abb.).
Gerhard Richter. Forty Years of Painting, Museum of Modern Art, New York 2002, S. 260 (m. Abb.).
Robert Storr, Gerhard Richter. Malerei, Ostfildern-Ruit 2002, S. 260 (m. Abb.).
Gerhard Richter, "Moritz" der Schrecken des Sehens als Daseinserfahrung, Athen 2004, S. 52/53 (m. Abb.).
Gerhard Richter, K20, Kunstsammlungen Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2005, S. 279 (m. Abb.).
Bruno Eble, Gerhard Richter. La surface du regard, Paris 2006, S. 215.
Christie's, New York, First Open. Post-War and Contemporary Art, 21.9.2011, Los 50 (m. Abb. S. 39).
"Continuing its tradition of landmark monographic exhibitions devoted to leading figures of 20th and 21st-century art – including Jean-Michel Basquiat, Joan Mitchell, Mark Rothko, and David Hockney – the Fondation dedicates all its galleries to Gerhard Richter, widely regarded as one of the most important and internationally celebrated artists of his generation."
Fondation Louis Vuitton, Paris, zur Ausstellung "Gerhard Richter" (Okt. 2025 – März 2026) https://www.fondationlouisvuitton.fr/en/events/gerhard-richter-exhibition
Richters "Abstrakte Bilder" – Die malerische Vollendung eines Jahrhundertwerkes
"Irgendwann ist eben Ende", lauten die unprätentiösen Worte, mit denen Gerhard Richter 2020 das Ende seines malerischen Schaffens verkündet. Richter hat entschieden, dass sein vor allem durch den perfektionierten Einsatz des Rakels geprägtes Œuvre nun zu seinem offiziellen Abschluss gekommen ist. "Das ist nicht so schlimm. Und alt genug bin ich jetzt." (Zit. nach: Zeit Online, 22.9.2020) Richter möchte nun, da das Malen mit dem Rakel, dem großen, spachtelartigen Farbschieber, körperlich zu anstrengend geworden ist, nur noch Papierarbeiten in kleinem Format schaffen. Wer einmal "Gerhard Richter Painting" gesehen hat, den 2011 erschienenen Dokumentarfilm von Corinna Belz über den seit Jahrzehnten unangefochtenen Superstar der internationalen Kunstszene, dem gehen die dort festgehaltenen Atelierszenen nicht mehr aus dem Kopf: Sie zeigen einen hochkonzentrierten künstlerischen Schaffensprozess, dessen nahezu geräuschlose Choreografie einem unvorhersehbaren Drehbuch im Geiste des Künstlers zu folgen scheint. Jeder Arbeitsschritt wird mit höchster Präzision vorausgedacht, auch wenn er in seinem Ergebnis, dem stets individuellen Farbverlauf nach Einsatz des Rakels, zumindest in weiten Teilen unvorhersehbar und damit – nur scheinbar paradox – das Produkt eines kalkulierten Zufalls ist.
In seinen legendären "Abstrakten Bildern" hat Richter künstlerisches Kalkül und Zufall in eine perfekte, immer wieder aufs Neue fesselnde Balance gebracht und auf diese Weise seine einzigartige künstlerische Handschrift gefunden. Radikal ist der Bruch mit der Tradition, den Richter hier in jeder Hinsicht mutig und kompromisslos vollzogen hat, denn er hat mit dieser revolutionären und fesselnden Ästhetik nicht nur dem Gegenstand, sondern auch dem Pinsel eine radikale Absage erteilt. Faszinierend ist dabei auch das fortwährende Zusammenspiel von Konstruktion und Dekonstruktion: Der vorhandene Farbauftrag muss erst viele Male "zerstört" werden, um schließlich einem neuen ästhetischen Eindruck Raum zu geben. Richter ist ein gnadenloser Perfektionist, was seinem geschulten Auge nicht standhält, und sei es nur ein minimales Ungleichgewicht in der Komposition oder eine geringfügige Disbalance im Farbverlauf, wird entweder mit höchster Präzision und unter maximalem Einsatz zur Vollendung gebracht oder konsequent verworfen. Das international gefeierte Ergebnis dieses faszinierenden Arbeitsprozesses ist ein extrem vielseitiges und konstant hochkarätiges malerisches Œuvre, das ausgehend von Werkverzeichnis Nummer 1 "Tisch" (1962), Richters erstem schwarz-weißen Fotogemälde, mehr als ein halbes Jahrhundert umspannt und hinsichtlich seiner Vielseitigkeit, künstlerischen Qualität und kunsthistorischen Würdigung wohl allein mit dem Jahrhundert-Œuvre Pablo Picassos vergleichbar ist.
Richters Höhepunkt – Die reifen "Abstrakten Bilder" in Anschluss an Richters Oktober-Zyklus (1988)
Der 1988 entstandene und für die Sammlung des Museums of Modern Art, New York, angekaufte Gemäldezyklus "18. Oktober 1977" (sog. Oktober-Zyklus bzw. RAF-Zyklus) gilt heute als ikonisches Werk und stellt eine bedeutende Zäsur in Richters Schaffen dar. Dem damals 56-jährigen Künstler ist klar, dass es nach diesen fünfzehn schwarz-weißen Fotogemälden, die nach Pressefotos verschleierte Fragmente des Lebens und Sterbens der tot in ihren Gefängniszellen aufgefunden Terroristen der Baader-Meinhoff-Gruppe zeigen, mehr als schwierig sein würde, wieder zu den bereits zuvor begonnenen, meist in einer fast gestischen Kombination aus Pinseln und schmalen Rakeln geschaffenen "Abstrakten Bildern" zurückzukehren. "Ich merke auch, dass diese Bilder einen neuen Maßstab setzen, Ansprüche an mich stellen. Ich kann mich jetzt täuschen. [...] Aber dass es mir schwer fällt, jetzt weiter zu malen, das habe ich schon gemerkt." (G. Richter, zit. nach: Catalogue raisonné, Bd. 4, S. 34). Die ersten "Abstrakten Bilder", die im Anschluss entstehen, zeigen meist kompakt gerakelte Oberflächen in bleiernen Grauwerten und düsteren Schwarz-Weiß-Kontrasten. Diese eindrucksvollen und außergewöhnlich dichten Schöpfungen werden nun vorrangig von einer melancholischen Stimmung und dem flächigen Einsatz des breiten Rakels beherrscht. Der Pinsel spielt fortan kaum noch eine Rolle und wird meist nur für den Auftrag der Grundierung und die partiellen Vermalungen der Farbschichten genutzt. Ab jetzt ist der flächige Einsatz des Rakels das entscheidende Charakteristikum seiner Malerei. Richter ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens, als er auf sein in sanfte Unschärfe getauchtes, fotobasiertes Schwarz-Weiß-Frühwerk seine nun ausgereiften "Abstrakten Bilder" folgen lässt. Die Kunstgeschichte und auch Richter selbst haben die "Abstrakten Bilder", die seit den späten 1980er Jahren entstehen, aufgrund ihrer herausragenden Qualität und Dichte als erwachsen oder "mature", also als ausgereift, qualifiziert. Ihre faszinierend neuartige Ästhetik sichert Richter fortan wachsende internationale Anerkennung und schließlich seine bis heute unangefochtene Position als einer der weltweit wichtigsten zeitgenössischen Künstler.
"Abstraktes Bild" (1997) – Maximale Perfektion: Symbiose aus Sinnlichkeit und Härte
In der vorliegenden Komposition "Abstraktes Bild" (1997), die unter anderem 2002/3 auf der wichtigen amerikanischen Richter-Retrospektive im Museum of Modern Art in New York ausgestellt war, hat Richter nicht nur Schärfe und Unschärfe, Tiefe und Fläche sowie Hell und Dunkel in eine perfekte Balance gebracht, sondern darüber hinaus durch die Wahl des Bildträgers seine Malerei ein weiteres Mal perfektioniert. Es ist eines der ersten "Abstrakten Bilder", für die Richter nicht mehr wie bisher Leinwand, sondern eine Alucobond genannte, dünne Aluminiumplatte als Bildträger wählt. Richter reizt die Härte des Materials, die eine technische Perfektionierung seiner Malerei möglich macht, da es einen höheren Druck des Rakels zulässt und sich die Ölfarben auf der glatten und harten Oberfläche besonders weich und fein vermischen. Anders als auf Leinwand gibt es auf der Aluminiumfläche zudem nichts, was die Durchmischung und den mit dem Rakel in einer Vielzahl von Schichten aufgetragenen Farbverlauf stört, keine Gewebestruktur, keine Keilrahmenstreben, keine sich durch das Umfalten erhebenden und sich im finalen Farbverlauf abzeichnenden Leinwandkanten. Der einzige Nachteil dieses von Richter neu entdeckten Materials ist das Gewicht, weshalb Richter sich in dieser Zeit auf kleinere Formate konzentriert, bevor er schließlich nach der Jahrtausendwende zu den deutlich leichteren Alu-Dibond Platten wechselt, die fortan auch wieder größere Formate zulassen.
Die besondere, sich einer reinen Gefälligkeit bewusst verweigernde, künstlerische Qualität dieser hoch konzentrierten und perfektionierten "Abstrakten Bilder" auf Aluminium der späten 1990er Jahre beschreibt Dietmar Elger im Vorwort seines Werkverzeichnisses mit den folgenden Worten: "Die neuen Bilder waren weniger farbenfroh und dekorativ, zurückhaltender in der Farbgebung, spröde, widersprüchlich und herausfordernd." (übers. nach: D. Elger, Einleitung, in: Gerhard Richter. Catalogue Raisonné, Bd. 5, S. 26). Gleich einer musikalischen Komposition schieben sich in der vorliegenden Komposition, die erstmals im Entstehungsjahr auf der XLVII. Biennale in Venedig ausgestellt war, dunkelrote, erdige Vertikalen vor frühlingshaft leuchtende Horizontalen in fein nuancierten Verläufen in Grün, Gelb, Blau und Violett. Obwohl Richter seinen "Abstrakten Bildern", wie auch unserer faszinierenden Komposition, in der Regel keine beschreibenden Titel mitgegeben hat, ist das subtile optische Spiel mit der gegenständlich geprägten Wahrnehmung der Rezipienten doch all seinen abstrakten Schöpfungen inhärent. Richter selbst hat dieses fesselnde Oszillieren einmal wie folgt beschrieben: "Die Bilder leben doch von dem Wunsch, etwas darin erkennen zu wollen. Sie zeigen an jeder Stelle Ähnlichkeiten mit realen Erscheinungen, die sich dann aber nicht richtig einlösen lassen. Das ist wie in der Musik: Da werden Stimmungen erzeugt, weil die Töne Ähnlichkeit mit realen Lauten haben, mit klagenden, freudigen, schrillen oder zarten. [...] Sie erinnern immer an irgendetwas, sonst wären es gar keine Bilder." (G. Richter, 1999, zit. nach: Gerhard Richter, Text 1961 bis 2007, Köln 2008, S. 360ff.)
Nicht etwa nur die Wahrnehmung der Betrachter wie auch Richters Kompositionsprinzipien seines subtilen Zusammenspiels aus Horizontalen und Vertikalen orientieren sich am Vorbild der Natur, sondern auch der zeitintensive, teils von Schicht zu Schicht über viele Monate reichende Entstehungsprozess seiner "Abstrakten Bilder", der einem natürlichen, über die Zeit und die Prozesse des Werdens und Vergehens geformten, rational nicht abschließend zu durchdringenden Entstehungsprozess gleicht: "Also, diese Arbeitsmethode mit Willkür, Zufall, Einfall und Zerstörung lässt zwar einen bestimmten Bildtypus entstehen, aber nie ein vorherbestimmtes Bild. Das jeweilige Bild soll sich also aus einer malerischen oder visuellen Logik entwickeln, sich wie zwangsläufig ergeben. Und indem ich dieses Bildergebnis nicht plane, hoffe ich, eher eine Stimmigkeit und Objektivität verwirklichen zu können, die eben ein beliebiges Stück Natur […] immer hat." (G. Richter, zit. nach: Catalogue raisonné, Bd. 4, S. 34)
2020 ehrte das Metropolitan Museum of Art in New York das epochale Schaffen des deutschen Ausnahmekünstlers mit der großen Einzelausstellung "Gerhard Richter – Painting after all", welche ebenso wie die bereits mehr als zwanzig Jahre zurückliegende Retrospektive "Gerhard Richter. Forty Years of Painting" im Museum of Modern Art (2002) und die Retrospektive in der Tate Modern "Gerhard Richter: Panorama" (2013/14) den großen Bogen von Richters schwarz-weißen Fotogemälden hin zu seinen legendären, abstrakten Rakelbildern spannte. Aktuell würdigt die Fondation Louis Vuitton, Paris, den Jahrhundertkünstler bis März 2026 mit einer spektakulären Retrospektive. [JS]
"Irgendwann ist eben Ende", lauten die unprätentiösen Worte, mit denen Gerhard Richter 2020 das Ende seines malerischen Schaffens verkündet. Richter hat entschieden, dass sein vor allem durch den perfektionierten Einsatz des Rakels geprägtes Œuvre nun zu seinem offiziellen Abschluss gekommen ist. "Das ist nicht so schlimm. Und alt genug bin ich jetzt." (Zit. nach: Zeit Online, 22.9.2020) Richter möchte nun, da das Malen mit dem Rakel, dem großen, spachtelartigen Farbschieber, körperlich zu anstrengend geworden ist, nur noch Papierarbeiten in kleinem Format schaffen. Wer einmal "Gerhard Richter Painting" gesehen hat, den 2011 erschienenen Dokumentarfilm von Corinna Belz über den seit Jahrzehnten unangefochtenen Superstar der internationalen Kunstszene, dem gehen die dort festgehaltenen Atelierszenen nicht mehr aus dem Kopf: Sie zeigen einen hochkonzentrierten künstlerischen Schaffensprozess, dessen nahezu geräuschlose Choreografie einem unvorhersehbaren Drehbuch im Geiste des Künstlers zu folgen scheint. Jeder Arbeitsschritt wird mit höchster Präzision vorausgedacht, auch wenn er in seinem Ergebnis, dem stets individuellen Farbverlauf nach Einsatz des Rakels, zumindest in weiten Teilen unvorhersehbar und damit – nur scheinbar paradox – das Produkt eines kalkulierten Zufalls ist.
In seinen legendären "Abstrakten Bildern" hat Richter künstlerisches Kalkül und Zufall in eine perfekte, immer wieder aufs Neue fesselnde Balance gebracht und auf diese Weise seine einzigartige künstlerische Handschrift gefunden. Radikal ist der Bruch mit der Tradition, den Richter hier in jeder Hinsicht mutig und kompromisslos vollzogen hat, denn er hat mit dieser revolutionären und fesselnden Ästhetik nicht nur dem Gegenstand, sondern auch dem Pinsel eine radikale Absage erteilt. Faszinierend ist dabei auch das fortwährende Zusammenspiel von Konstruktion und Dekonstruktion: Der vorhandene Farbauftrag muss erst viele Male "zerstört" werden, um schließlich einem neuen ästhetischen Eindruck Raum zu geben. Richter ist ein gnadenloser Perfektionist, was seinem geschulten Auge nicht standhält, und sei es nur ein minimales Ungleichgewicht in der Komposition oder eine geringfügige Disbalance im Farbverlauf, wird entweder mit höchster Präzision und unter maximalem Einsatz zur Vollendung gebracht oder konsequent verworfen. Das international gefeierte Ergebnis dieses faszinierenden Arbeitsprozesses ist ein extrem vielseitiges und konstant hochkarätiges malerisches Œuvre, das ausgehend von Werkverzeichnis Nummer 1 "Tisch" (1962), Richters erstem schwarz-weißen Fotogemälde, mehr als ein halbes Jahrhundert umspannt und hinsichtlich seiner Vielseitigkeit, künstlerischen Qualität und kunsthistorischen Würdigung wohl allein mit dem Jahrhundert-Œuvre Pablo Picassos vergleichbar ist.
Richters Höhepunkt – Die reifen "Abstrakten Bilder" in Anschluss an Richters Oktober-Zyklus (1988)
Der 1988 entstandene und für die Sammlung des Museums of Modern Art, New York, angekaufte Gemäldezyklus "18. Oktober 1977" (sog. Oktober-Zyklus bzw. RAF-Zyklus) gilt heute als ikonisches Werk und stellt eine bedeutende Zäsur in Richters Schaffen dar. Dem damals 56-jährigen Künstler ist klar, dass es nach diesen fünfzehn schwarz-weißen Fotogemälden, die nach Pressefotos verschleierte Fragmente des Lebens und Sterbens der tot in ihren Gefängniszellen aufgefunden Terroristen der Baader-Meinhoff-Gruppe zeigen, mehr als schwierig sein würde, wieder zu den bereits zuvor begonnenen, meist in einer fast gestischen Kombination aus Pinseln und schmalen Rakeln geschaffenen "Abstrakten Bildern" zurückzukehren. "Ich merke auch, dass diese Bilder einen neuen Maßstab setzen, Ansprüche an mich stellen. Ich kann mich jetzt täuschen. [...] Aber dass es mir schwer fällt, jetzt weiter zu malen, das habe ich schon gemerkt." (G. Richter, zit. nach: Catalogue raisonné, Bd. 4, S. 34). Die ersten "Abstrakten Bilder", die im Anschluss entstehen, zeigen meist kompakt gerakelte Oberflächen in bleiernen Grauwerten und düsteren Schwarz-Weiß-Kontrasten. Diese eindrucksvollen und außergewöhnlich dichten Schöpfungen werden nun vorrangig von einer melancholischen Stimmung und dem flächigen Einsatz des breiten Rakels beherrscht. Der Pinsel spielt fortan kaum noch eine Rolle und wird meist nur für den Auftrag der Grundierung und die partiellen Vermalungen der Farbschichten genutzt. Ab jetzt ist der flächige Einsatz des Rakels das entscheidende Charakteristikum seiner Malerei. Richter ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens, als er auf sein in sanfte Unschärfe getauchtes, fotobasiertes Schwarz-Weiß-Frühwerk seine nun ausgereiften "Abstrakten Bilder" folgen lässt. Die Kunstgeschichte und auch Richter selbst haben die "Abstrakten Bilder", die seit den späten 1980er Jahren entstehen, aufgrund ihrer herausragenden Qualität und Dichte als erwachsen oder "mature", also als ausgereift, qualifiziert. Ihre faszinierend neuartige Ästhetik sichert Richter fortan wachsende internationale Anerkennung und schließlich seine bis heute unangefochtene Position als einer der weltweit wichtigsten zeitgenössischen Künstler.
"Abstraktes Bild" (1997) – Maximale Perfektion: Symbiose aus Sinnlichkeit und Härte
In der vorliegenden Komposition "Abstraktes Bild" (1997), die unter anderem 2002/3 auf der wichtigen amerikanischen Richter-Retrospektive im Museum of Modern Art in New York ausgestellt war, hat Richter nicht nur Schärfe und Unschärfe, Tiefe und Fläche sowie Hell und Dunkel in eine perfekte Balance gebracht, sondern darüber hinaus durch die Wahl des Bildträgers seine Malerei ein weiteres Mal perfektioniert. Es ist eines der ersten "Abstrakten Bilder", für die Richter nicht mehr wie bisher Leinwand, sondern eine Alucobond genannte, dünne Aluminiumplatte als Bildträger wählt. Richter reizt die Härte des Materials, die eine technische Perfektionierung seiner Malerei möglich macht, da es einen höheren Druck des Rakels zulässt und sich die Ölfarben auf der glatten und harten Oberfläche besonders weich und fein vermischen. Anders als auf Leinwand gibt es auf der Aluminiumfläche zudem nichts, was die Durchmischung und den mit dem Rakel in einer Vielzahl von Schichten aufgetragenen Farbverlauf stört, keine Gewebestruktur, keine Keilrahmenstreben, keine sich durch das Umfalten erhebenden und sich im finalen Farbverlauf abzeichnenden Leinwandkanten. Der einzige Nachteil dieses von Richter neu entdeckten Materials ist das Gewicht, weshalb Richter sich in dieser Zeit auf kleinere Formate konzentriert, bevor er schließlich nach der Jahrtausendwende zu den deutlich leichteren Alu-Dibond Platten wechselt, die fortan auch wieder größere Formate zulassen.
Die besondere, sich einer reinen Gefälligkeit bewusst verweigernde, künstlerische Qualität dieser hoch konzentrierten und perfektionierten "Abstrakten Bilder" auf Aluminium der späten 1990er Jahre beschreibt Dietmar Elger im Vorwort seines Werkverzeichnisses mit den folgenden Worten: "Die neuen Bilder waren weniger farbenfroh und dekorativ, zurückhaltender in der Farbgebung, spröde, widersprüchlich und herausfordernd." (übers. nach: D. Elger, Einleitung, in: Gerhard Richter. Catalogue Raisonné, Bd. 5, S. 26). Gleich einer musikalischen Komposition schieben sich in der vorliegenden Komposition, die erstmals im Entstehungsjahr auf der XLVII. Biennale in Venedig ausgestellt war, dunkelrote, erdige Vertikalen vor frühlingshaft leuchtende Horizontalen in fein nuancierten Verläufen in Grün, Gelb, Blau und Violett. Obwohl Richter seinen "Abstrakten Bildern", wie auch unserer faszinierenden Komposition, in der Regel keine beschreibenden Titel mitgegeben hat, ist das subtile optische Spiel mit der gegenständlich geprägten Wahrnehmung der Rezipienten doch all seinen abstrakten Schöpfungen inhärent. Richter selbst hat dieses fesselnde Oszillieren einmal wie folgt beschrieben: "Die Bilder leben doch von dem Wunsch, etwas darin erkennen zu wollen. Sie zeigen an jeder Stelle Ähnlichkeiten mit realen Erscheinungen, die sich dann aber nicht richtig einlösen lassen. Das ist wie in der Musik: Da werden Stimmungen erzeugt, weil die Töne Ähnlichkeit mit realen Lauten haben, mit klagenden, freudigen, schrillen oder zarten. [...] Sie erinnern immer an irgendetwas, sonst wären es gar keine Bilder." (G. Richter, 1999, zit. nach: Gerhard Richter, Text 1961 bis 2007, Köln 2008, S. 360ff.)
Nicht etwa nur die Wahrnehmung der Betrachter wie auch Richters Kompositionsprinzipien seines subtilen Zusammenspiels aus Horizontalen und Vertikalen orientieren sich am Vorbild der Natur, sondern auch der zeitintensive, teils von Schicht zu Schicht über viele Monate reichende Entstehungsprozess seiner "Abstrakten Bilder", der einem natürlichen, über die Zeit und die Prozesse des Werdens und Vergehens geformten, rational nicht abschließend zu durchdringenden Entstehungsprozess gleicht: "Also, diese Arbeitsmethode mit Willkür, Zufall, Einfall und Zerstörung lässt zwar einen bestimmten Bildtypus entstehen, aber nie ein vorherbestimmtes Bild. Das jeweilige Bild soll sich also aus einer malerischen oder visuellen Logik entwickeln, sich wie zwangsläufig ergeben. Und indem ich dieses Bildergebnis nicht plane, hoffe ich, eher eine Stimmigkeit und Objektivität verwirklichen zu können, die eben ein beliebiges Stück Natur […] immer hat." (G. Richter, zit. nach: Catalogue raisonné, Bd. 4, S. 34)
2020 ehrte das Metropolitan Museum of Art in New York das epochale Schaffen des deutschen Ausnahmekünstlers mit der großen Einzelausstellung "Gerhard Richter – Painting after all", welche ebenso wie die bereits mehr als zwanzig Jahre zurückliegende Retrospektive "Gerhard Richter. Forty Years of Painting" im Museum of Modern Art (2002) und die Retrospektive in der Tate Modern "Gerhard Richter: Panorama" (2013/14) den großen Bogen von Richters schwarz-weißen Fotogemälden hin zu seinen legendären, abstrakten Rakelbildern spannte. Aktuell würdigt die Fondation Louis Vuitton, Paris, den Jahrhundertkünstler bis März 2026 mit einer spektakulären Retrospektive. [JS]
125001288
Gerhard Richter
Abstraktes Bild, 1997.
Öl auf Alucobond
Schätzpreis: € 700.000 - 900.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
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