Auktion: 600 / Evening Sale am 05.12.2025 in München button next Lot 125001302

 

125001302
Lucio Fontana
Concetto Spaziale, 1960.
Öl auf Leinwand
Schätzpreis: € 800.000 - 1.200.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Lucio Fontana
1899 - 1968

Concetto Spaziale. 1960.
Öl auf Leinwand.
Rechts unten signiert und datiert. Verso signiert, datiert und betitelt. 85 x 61 cm (33,4 x 24 in). [JS].


• Frühe, wegweisende Arbeit: aus der berühmten Werkgruppe der "Buchi", Fontanas frühesten "Concetti spaziali".
• Fontanas Leinwanddurchstoßungen der "Buchi" zählen international zu den bedeutendsten Positionen der Nachkriegsmoderne.
• Von musealer Qualität: Vergleichbare Arbeiten befinden sich in internationalen Sammlungen, u. a. dem Museum of Modern Art und der Solomon R. Guggenheim Foundation, New York
.

PROVENIENZ: Galleria Lombardi, Mailand.
Art Mari Runnqvist, Stockholm.
Privatsammlung Hessen (1982 vom Vorgennanten erworben).

AUSSTELLUNG: Lucio Fontana. Peintures 1960-1964, Galerie Bonnier, Lausanne, September - Oktober 1965 (auf dem Keilrahmen mit dem Etikett).
Breslavia-Varsavia:breslavia, Muzeum Narodowe, Dezember 1976 - Januar 1977 / Vasavia, Centralne Biuro Wystaw Artystycznych, Januar - Februar 1977 / Malastrwo Wloskie 1950-1970, esposizione organizzata dalla Quadriennale Nazionale Arte di Roma (m. Abb.).
Pittura Italiana 1950-1970, Sala Scipka 6, Sofia, 12 Mai - 6. Juni 1977 / Villa Malpensata, Lugano, Juni - August 1977, esposizione organizzata dalla Quadriennale Nazionale Arte di Roma (m. Abb.).
Utopia: Arte italiana 1950-1993. Eine Ausstellung der Salzburger Festspiele in Zusammenarbeit mit The Solomon R. Guggenheim Foundation, New York, und der Galerie Taddeus Ropac, Salzburg, 24. Juli - 31. August 1993 / Paris 15. September - 10. Oktober 1993, S. 71 und S. 134 (m. Abb.).
Dauerleihgabe Kunstmuseum Luzern (1988-1994).
Dauerleihgabe Kunsthalle Mannheim (1994 -2007).
Dauerleihgabe Galerie der Stadt Stuttgart (2007-2023).
Postwar: Kunst zwischen Pazifik und Atlantik, 1945-1965, Haus der Knst, München, 14.10.26 - 27.3.17.
Lucio Fontana. Erwartung, Von der Heydt Museum, Wuppertal, 8.10.24 - 12.1.25, S. 80, Kat.-Nr. 39 (m. Abb.).

LITERATUR: Enrico Crispolti, Lucio Fontana, Catalogo ragionato di sculture dipinti, ambientazioni, Mailand 2015, Bd. I, S. 416, WVZ-Nr. 60 O 15 (m. Abb.)
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Enrico Crispolti (Hrsg.), Lucio Fontana, Bd. II: Catalogue raisonné des peintures, scultures et environnementes spatiaux rédigé par Enrico Crispolti, Brüssel 1974, S. 72/73 (m. Abb.).
Enrico Crispolti, Fontana. Catalogo generale, Mailand 1986, Bd. I, S. 251 (m. Abb.).

"Meine Entdeckung ist das Loch, punktum; und nach dieser Entdeckung kann ich auch beruhigt sterben [..]."
Lucio Fontana, 1960er Jahre, zit. nach: Barbara Hess, Lucio Fontana 1899-1968, Köln 2006, S. 7.

"Du kannst über die Löcher sagen, was du willst; doch aus ihnen wird eine neue Kunstrichtung gereinigt hervortreten [..]."
Lucio Fontana, 1953, zit. nach: Barbara Hess, Lucio Fontana 1899-1968, Köln 2006, S. 8.

"Buchi" – Zentraler Wendepunkt und Beginn der "Concetti Spaziali"
"Slashing His Way to the Sublime – Lucio Fontana made abstraction dangerous by breaking through the surface of a painting. His innovations astound at New York museums", schreibt die New York Times 2019 anlässlich der großen und lange überfälligen Fontana-Retrospektive "Lucio Fontana. On the Threshold" im Metropolitan Museum of Art. Noch heute wirkt die radikale künstlerische Geste, mit welcher der gefeierte italienische Künstler um die Jahrhundertmitte die Malerei revolutioniert hat, für unsere tradierten Sehgewohnheiten außerordentlich fremd. Die New York Times etwa formuliert, Fontanas Werke wirkten geradezu wie von einem anderen Planeten. Fontana hat mit seinen legendären "Buchi" (Löchern) Ende der 1940er Jahre schlagartig die Grenzen des traditionellen Tafelbildes hinter sich gelassen und ist durch diesen zerstörerischen Akt – geradezu paradox – zum Schöpfer einer sinnlich-entrückten Aura geworden, wie sie auch das vorliegende "Concetto Spaziale" in einem satten Kupferton auszeichnet. Neben seinen kraftvollen "Buchi" hat Fontana die deckend bemalte Leinwand auch durch zusätzliche kleine "Tagli" (Schnitte) sowie den sparsamen Einsatz von pastosen Tupfen in Schwarz und Weiß akzentuiert und in die Tiefe geweitet.
Nicht nur in der nachträglichen kunsthistorischen Würdigung, sondern auch für den Künstler selbst sind seine ersten perforierten Papiere und Leinwände, die ab dem Jahr 1949 entstehen, der zentrale Schlüsselmoment seiner gesamten künstlerischen Laufbahn. In der kunsthistorischen Forschung wird Fontanas radikale Geste seiner ersten Durchstoßungen, den "Buchi", wie Fontana selbst diese zentrale Werkgruppe bezeichnet, als ein bedeutender Ausgangspunkt der europäischen Nachkriegskunst gefeiert. Selten wird der Name eines Künstlers so eng mit einer einzigen Geste, einer einzigen künstlerischen Errungenschaft verbunden wie im Fall Fontanas, in dessen Werk zum einen die Durchlöcherung der Leinwand und zum anderen der etwa zehn Jahre später daraus abgeleitete Schnitt im Zentrum seines Schaffens steht. Als Fontana 1949 erstmals ein auf Leinwand aufgezogenes Papier, anstatt darauf zu zeichnen, von der Rückseite mit zahlreichen Löchern durchstößt, sodass sich an den Rändern das verdrängte Material aufwirft und damit den zweidimensionalen Bildraum in die dritte Dimension weitet, ist Fontana vermutlich noch nicht klar, dass dieser Moment der späte und entscheidende Wendepunkt seiner künstlerischen Laufbahn sein wird. Fontana ist damals bereits 50 Jahre alt und blickt zu diesem Zeitpunkt auf ein vorrangig bildhauerisches Schaffen zurück.

Vorreiter und Mitstreiter – Fontanas "Concetti Spaziali": radikal und progressiv
Bis heute wird Fontana jedoch vor allem mit seinen berühmten "Concetti Spaziali" (Raumkonzepten) identifiziert, unter diesem Obertitel hat der Künstler selbst sowohl seine "Buchi" (Löcher) als auch die etwa ein Jahrzehnt später hinzutretenden "Tagli" (Schnitte) zusammengefasst. Damals aber ruft der radikale Schritt der Durchstoßung des Bildträgers großes Unverständnis hervor. Fontana selbst hat dazu festgehalten: "Gelächter während vieler Jahre! [...] Die Leute sagten zu mir: 'Was machst Du denn da? Gerade du, Lucio, der du ein ausgezeichneter Bildhauer bist ...' Für sie war ich vorher gut und hinterher ein Esel. Und es gelang mir, an der Biennale [von Venedig 1950] teilzunehmen und die Kommission hinters Licht zu führen, weil ich ja eigentlich mit Skulpturen eingeladen war! Ich ließ jedoch nichts verlauten und ging mit 20 durchlöcherten Leinwänden an die Biennale. Du kannst Dir die Reaktion vorstellen: 'Das sind doch keine Skulpturen, das ist Malerei!' [...] Für mich sind es perforierte Leinwände, die eine Skulptur darstellen, ein neues Faktum in der Skulptur." (zit. nach: Barbara Hess, Lucio Fontana, Köln 2006, S. 8). Fontana gilt fortan als einer der wichtigsten Pioniere der europäischen Nachkriegs-Avantgarde.
Fontanas radikales, die Grenzen der Leinwand und auch unsere tradierten Sehgewohnheiten aufsprengendes Bildverständnis ist ein maßgeblicher Beschleuniger für eine junge europäische Avantgarde, die fortan eine radikale Neudefinition von Kunst in die Wege leiten sollte. Von Henk Peeters wurden 1962 in der heute legendären Ausstellung "Nul 1962" im Stedeljik Museum, Amsterdam, all jene eng verwandten, einen radikalen künstlerischen Neuanfang probenden Avantgarde-Künstler zusammengefasst, die von Fontanas Werk in entscheidender Weise beeinflusst waren: Neben Fontanas "Concetti Spaziali" waren hier unter anderem die Werke der heute ebenfalls international gefeierten Künstler Piero Manzoni, Enrico Castellani, Jan Schoonhoven, Günther Uecker und Otto Piene ausgestellt. Der eine Generation ältere Fontana aber gilt mit seiner bereits 1947 einsetzenden Bewegung des Spazialismo als der wegweisende Impulsgeber für jene bedeutenden Positionen. Vor allem auch Manzonis um 1960 geschaffene "Achromes" gelten heute ebenso als epochale Schöpfungen dieser künstlerischen Revolution. Durch die stark reduzierte Farbigkeit, den Verzicht auf Form und künstlerischen Duktus und das Aufbrechen der tradierten Leinwandgrenzen wird eine vollkommen neuartige, minimalistische Ästhetik generiert, die als eine Art Negation der Malerei alles Bisherige schlagartig überwindet.


Kunst und Raum – Fontanas "Concetti Spaziali" und die Entgrenzung der Malerei in die Unendlichkeit
Geradezu wie eine Bildbeschreibung der vorliegenden, fein orchestrierten Schöpfung wirken Fontanas Ausführungen der 1960er Jahre: "Wenn ich als Maler an einem meiner durchlöcherten Bilder arbeite, habe ich nicht die Absicht ein Gemälde zu machen: ich will einen Raum öffnen, eine neue Dimension der Kunst erschaffen, in eine Beziehung zum Kosmos treten, der sich jenseits der begrenzten Oberfläche des Gemäldes ins Unendliche erstreckt" (ebd., S. 8). Die Leinwand ist nicht mehr allein der Träger der künstlerischen Fantasie, sondern gerät in ihrer Materialität ins Zentrum des künstlerischen Interesses, sie öffnet sich in die dritte Dimension und lässt uns durch Löcher und Schnitte ins tiefe Schwarz der Unendlichkeit schauen. Gerade die von Fontana angesprochene Entgrenzung der Malerei ins Kosmische wird im vorliegenden Gemälde aufgrund ihrer tiefen, kupferbraunen Farbgebung und den sternengleich leuchtenden hellen Akzenten zusätzlich gesteigert, was dieser poetischen Komposition eine außergewöhnliche Tiefe und auratische Strahlkraft verleiht. Geradezu kosmisch wirkt die vorliegende Komposition, die aufgrund der äußerst seltenen Kombination aus "Buchi", "Tagli" und mehrfarbigen pastosen Akzenten eine herausragende Stellung in Fontanas epochalem Werk einnimmt.
Es ist keineswegs Zufall, dass gerade im Entstehungsjahr die ersten Satellitenbilder der Erde im Fernehen zu sehen waren und bis zur Mondlandung 1969 die Jahrzehnte der großen Weltraum- und Mondbegeisterung terminieren, die wissenschaftliche Erforschung seiner irregulären Krateroberfläche zunehmend ins Interesse der internationalen Raumfahrt gelangt ist. Bereits 1948 hat Fontana in seinem "Secondo manifesto dello Spazialismo" folgendes formuliert: "[…] heute sind wir, die Künstler des Spazialismo, aus unseren Städten geflohen, haben unsere Hülle, unsere physische Rinde durchbrochen und haben von oben auf uns selbst geblickt, indem wir die Erde aus fliegenden Raketen fotografiert haben." (zit. und übers. nach: Enrico Crispolti, Lucio Fontana, Bd. I, S. 115, Mailand 2006).
Fontana hatte sich also bereits Ende der 1940er Jahre, zu Beginn seiner revolutionären Spazialismo-Bewegung, mit den zeitgenössischen Errungenschaften der Weltraumfotografie und den wissenschaftlichen Erkenntnissen über das Universum befasst, und damit zu einer Zeit, in der die Astrofotografie durch technische Neuerungen nach und nach präzisere Bilder aus dem Weltraum liefern konnte. Für Fontana aber ist das zunehmend durch Wissenschaft und Technik erschlossene Unbekannte zugleich immer auch ein Ort der Kreativität und Fantasie, und so schreibt er etwa in seinem "Manifesto tecnico" von 1951: "Das Kunstwerk kann nicht ewig bestehen, aber die schöpferische Fantasie des Menschen existiert, und wenn der Mensch endet, setzt sich die Unendlichkeit fort." (zit. und übers. nach: Crispolti 1986: Bd. 1, 36f.). Fontanas allererstes "Concetto Spaziale" war zudem eine 1947 entstandene, schwarz bemalte Gipsplastik, die er zunächst gattungsbezogen als "Scultura spaziale" bezeichnet hat. Diese Plastik besteht aus kugelartigen, grob geformten Elementen, ein an Erdformationen oder urtümliches Lavagestein erinnerndes Gebilde, das einen Teil des Raums umschließt und ihn auf diese Weise sichtbar macht. Fontana findet auf diese Weise 1947 erstmals eine bildliche Formel für die physikalische Grenzenlosigkeit des Raums, die ihn fortan nicht mehr loslässt.
Fontana hat mit seinem progressiven Œuvre neben dem Amerikaner Frank Stella einen der international bedeutendsten Beiträge zum zeitgenössischen Streben nach räumlicher Entgrenzung der Malerei geleistet. Seine Arbeiten befinden sich heute in zahlreichen internationalen Sammlungen, wie u. a. dem Solomon R. Guggenheim Museum, New York, der Tate Collection, London, dem Centre Pompidou, Paris, und dem National Museum of Modern Art, Tokio. Zuletzt würdigte das Metropolitan Museum of Art, New York, dieses für die internationale Nachkriegsmoderne wegweisende Œuvre 2019 mit der Retrospektive "Lucio Fontana. On the Threshold". [JS]



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