Auktion: 369 / Kunst nach 45/ Zeitgenössische Kunst am 12.06.2010 in München Lot 201

 
Raimund Girke - Ohne Titel


201
Raimund Girke
Ohne Titel, 1970.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 28.060

(inkl. Käuferaufgeld)

Öl auf Leinwand
Auf der umgeschlagenen Leinwand signiert, datiert und mit zwei Richtungspfeilen. 159,5 x 130 cm (62,7 x 51,1 in)

PROVENIENZ: Galerie Volker Skulima, Berlin.
Privatsammlung Süddeutschland.

Raimund Girke wird 1930 im Niederschlesischen Heinzendorf geboren und wächst in Reichenbach auf. 1946 wird die Familie aus dem inzwischen polnischen Gebiet ausgewiesen und lässt sich im Raum Osnabrück nieder. Nach dem Abitur studiert Girke 1951/52 an der Werkkunstschule Hannover und besucht anschließend bis 1956 die Staatliche Kunstakademie Düsseldorf. Den dort vorherrschenden Formengestus des Informel empfindet er als zu subjektiv und pathetisch, so dass er ab Mitte der 1950er Jahre kontinuierlich eine eigenständige, formal reduzierte Malerei entwickelt. Der rasche Erfolg Girkes zeigt sich 1959 in der Verleihung des Preises der Stadt Wolfsburg für Malerei und des Kunstpreises der Jugend in Stuttgart 1962. Von 1966 bis 1971 lehrt er an der Werkkunstschule in Hannover, bevor er einem Ruf an die Hochschule der Künste in Berlin folgt. In den 1960er Jahren entwickelt Girke seine Malerei weiter und beschränkt auch die Farbskala. Die frühen Gliederungsprinzipien der Malfläche wie parallele Farbschichtungen in individueller Malspur und serielle Strukturen werden prägend für sein gesamtes Œuvre.

Eine fast monochrom-weiße Bildgestaltung mit feinsten Differenzierungen in Farbe und Helligkeit ist in dieser Zeit, in der auch die vorliegende Arbeit entsteht, dominierend und erfährt 1977 ihre reinste Ausprägung in den Bildern für die documenta VI. Die Farbe Weiß wird für Girke die "Königin der Farben" und drängt alle anderen Farbtöne zunächst zurück. Für den Künstler ist das Weiß von größter Klarheit, Reinheit und Zurückhaltung. Die bis dato gestenreichen rhythmisierten Kompositionen ordnen sich in dieser Schaffensphase zu gitterförmigen, klar strukturierten Bildfeldern. Um die besonders zarten Abstufungen der Weißnuancen zu erreichen, legt Girke Pinsel und Spachtel beiseite und trägt die Farbe, gleich einem Nebelhauch, mit der Spritzpistole auf die Leinwand auf. Der Künstler beschreibt seine Malerei selbst als die bewusste Reaktion auf eine visuelle Reizüberflutung und als Versuch, den Betrachter zu einer Konzentration zu führen.

In den 1980er und 1990er Jahren erweitert sich Girkes Farbpalette hauptsächlich um verschiedene Grauabstufungen, das gestische Moment der Pinselschrift verstärkt sich erneut. Der persönliche Duktus wird in seinen seriellen, strukturellen Ordnungen nahezu aufgehoben und doch sind seine Werke geprägt von einer Spannung zwischen Nüchternheit und Emotion. Girkes Kunst spielt eine fundamentale Rolle für die Malerei seit den 1980er Jahren in Deutschland. 1995 erhält der Künstler den Lovis-Corinth-Preis. Raimund Girke lebt und arbeitet bis zu seinem Tod 2002 in Köln und Berlin. [SM].




201
Raimund Girke
Ohne Titel, 1970.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 28.060

(inkl. Käuferaufgeld)