Auktion: 387 / Post War/ Zeitgenössische Kunst am 10.12.2011 in München Lot 231

 
Dieter Roth - Die verschissene Lebensleiter


231
Dieter Roth
Die verschissene Lebensleiter, 1968.
Plastik
Schätzung:
€ 24.000
Ergebnis:
€ 34.160

(inkl. Käuferaufgeld)
Plastik. Schokolade über bemaltem Holz auf Schokoladensockel. In Plexiglasobjektkasten mit Holzboden.
Monogrammiert und datiert. Zusätzlich auf der Unterseite des Objektkastens signiert und datiert. Unikat. Höhe: 26 cm (10,2 in). Objektkasten: 33 x 21 x 21 cm (13 x 8,8 x 8,8 in).

Die Authentizität der vorliegenden Arbeit wurde von Herrn Dr. Dirk Dobke, Dieter Roth Foundation, Hamburg, mündlich bestätigt, dem wir für die wissenschaftliche Beratung herzlich danken.

PROVENIENZ: Sammlung Alfred Otto Müller, Köln (in den 1970er Jahren direkt vom Künstler erworben).
Sammlung Jean Albou.

Am 21. April 1930 wird Karl-Dietrich Roth in Hannover als dritter Sohn einer Deutschen und eines schweizerischen Kaufmanns geboren. Nach dem Besuch der Volks- und Oberschule in Deutschland, zieht er 1943 nach Zürich zu Pflegeeltern, bis seine Eltern drei Jahre später nachkommen. In dieser Zeit entsteht Roths erste Radierung auf Dosenblech und die ersten Ölgemälde sowie Gedichte. Seine künstlerische Begeisterung probiert er in Zeichnungen, Pastellen und Aquarellen aus. Nach Beendigung seiner Ausbildung als Werbegrafiker 1951 findet Roth keine Anstellung und beginnt als freier Künstler zu arbeiten. Mit Marcel Wyss und Eugen Gomringer gründet er im selben Jahr die Zeitschrift "spirale", die 1953 erstmals erscheint und nach neun Ausgaben 1954 eingestellt wird. Roth lebt von Dekorationen und Gelegenheitsaufträgen, während er weiter an seinem künstlerischen Oeuvre arbeitet. So entsteht 1954 die erste "gebackene Plastik", 1955 fertigt er in Kopenhagen für Unika-Vaev Textilentwürfe an und im darauffolgenden Jahr experimentiert Roth mit Super-8-Filmen. Im Jahr 1957 zieht er nach Island, wo er im selben Jahr die Isländerin Sigiour Björnsdóttir heiratet, von der sich Roth 1964 wieder trennt. 1957 wird sein Sohn Karl, 1961 sein Sohn Björn geboren und 1963 erblickt seine Tochter Vera das Licht der Welt. Nach einem kurzen Aufenthalt 1959 in New York kehrt Roth im Mai nach Reykjavik zurück und entwickelt kinetische Bilder und Plastiken sowie konstruktivistische Stempelbilder und zahlreiche Bücher. Durch die Bekanntschaft mit Jean Tinguely und Daniel Spoerri sowie der damit entstehenden Nähe zu den Nouveaux Réalistes entfernt er sich Anfang der 1960er Jahre vom Konstruktivismus. Die erste Einzelausstellung Roths findet im September 1964 im Museum College of Art, Philadelphia, statt. Erstmals arbeitet er in seinen Werken mit Schokolade und greift von nun an immer wieder auf organische Materialien zurück, z.B. bei den Schimmelbildern, den sogenannten "Zerfallobjekten", "Zerfallbildern" und den "Gewürzbildern". In den kommenden Jahren hat Roth zahlreiche Lehraufträge, so in der Architekturabteilung der Yale University, an der Rhode Island School of Design in Providence, an der Watfort School of Art in London und an der Kunstakademie Düsseldorf. Dort wird aufgrund des starken Verwesungsgeruchs seiner Arbeiten das Atelier geräumt, die Werke zerstört.

Als Dieter Roth Ende der 1960er Jahre beginnt, Schokolade in seinen Objekten als künstlerischen Werkstoff einzusetzen, sorgt dies für einiges Aufsehen in der Kunstwelt. Jene Werkgruppe, in welcher er aus der süßen Masse Plastiken formt oder darin Spielzeug versenkt, nimmt 1968 mit dem Selbstporträt "P.O.TH.A.A.VFB. (Portrait Of The Artist As Vogelfutterbüste)", ihren Anfang. In Auseinandersetzung mit James Joyce' Roman "Porträt des Künstlers als junger Mann" lässt der gerade 38-jährige Roth sein Selbstporträt als glatzköpfiger alter Mann aus mit Vogelfutter vermischter Schokolade gießen. Die im Auftrag der Kölner Galerie Hake entworfene Büste soll, auf einen Besenstil gesteckt im Garten aufgestellt, allmählich von Vögeln gefressen werden. Roths Lebensmittelarbeiten werden zu intensiven Zeugnissen des Verfalls und der Vergänglichkeit. In unserem frühen Unikat aus dieser zentralen Schaffensphase ist es Roth, der seit früher Jugend mit dem Eat-Art-Künstler Daniel Spoerri befreundet ist, gelungen, durch Gegenstand und Titel eine Potenzierung und damit spitzfindige ironische Kommentierung dieser fatalistischen künstlerischen Aussage zu erreichen.

1969 nimmt Roth an der documenta 4, 1977 an der documenta 7 teil. Er zählt nun zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern. Es kommt zu einigen Kollaborationen und Happenings mit Künstlerkollegen wie Arnulf Rainer und Richard Hamilton. 1982 gestaltet Roth den Schweizer Pavillon auf der Biennale in Venedig. Es geht dem Künstler in seinem Werk nicht um das Schöne in der Kunst, sondern er experimentiert mit ästhetischen Prozessen und untersucht, inwiefern er mit den unterschiedlichsten Materialien, Medien und Mitteln zu einer eignen, unkonventionellen Ästhetik kommen kann. 1998 stirbt Dieter Roth in Basel. [JS].




231
Dieter Roth
Die verschissene Lebensleiter, 1968.
Plastik
Schätzung:
€ 24.000
Ergebnis:
€ 34.160

(inkl. Käuferaufgeld)