Auktion: 380 / Moderne Kunst am 04.06.2011 in München Lot 35

 
Ernst Ludwig Kirchner - Frauenkirch


35
Ernst Ludwig Kirchner
Frauenkirch, 1918.
Holzschnitt
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 31.250

(inkl. Käuferaufgeld)
Holzschnitt
Dube H 385 II (von II). Schiefler H 352. Signiert und bezeichnet "Handdruck" und "2 Zustand" sowie von fremder Hand bezeichnet. Auf festem Kupferdruckpapier. 39,3 x 49,6 cm (15,4 x 19,5 in)Papier: 46 x 58,7 cm (18,1 x 23,1 in).
Äußerst selten. Dieser Holzschnitt wurde erst einmal auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten (Quelle: Artnet.de).

Nach dem Abschluss eines Architekturstudiums in Dresden, während dessen Ernst Ludwig Kirchner Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff kennenlernt und mit diesen bereits künstlerisch zusammenarbeitet, entscheidet sich Ernst Ludwig Kirchner gegen den Wunsch seines Vaters ganz für die Malerei. Der intensive Austausch der vier Freunde führt 1905 zur Gründung der Künstlergemeinschaft "Brücke" - mit dem Ziel "alle revolutionären und gärenden Kräfte an sich zu ziehen" (Schmidt-Rottluff). Die Künstler beginnen mit den "Viertelstundenakten", den Zeichnungen nach Aktmodellen im Atelier oder in der Natur. Die Gruppe orientiert sich zunächst an Künstlern des Spätimpressionismus. Die Entdeckung der Fauves, der Südsee-Kunst und van Goghs führt die Maler zum Expressionismus. Infolge der Begegnung mit der Kunst der italienischen Futuristen verändert sich der Malstil der Gruppe um 1910, er wird "härter". Ernst Ludwig Kirchner studiert die Plastik im Dresdner Völkerkundemuseum. Unter diesem Eindruck haut und schneidet Kirchner Holzplastiken. 1911 übersiedelt Ernst Ludwig Kirchner nach Berlin. Die Großstadt bietet ihm eine Fülle neuer Motive, die Kirchner in vereinfachten, scharf konturierten Formen, expressiven Zügen und grellen Farbkontrasten umsetzt. Diese Großstadtbilder werden zu Inkunabeln des Expressionismus und machen Ernst Ludwig Kirchner zu einem der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die folgenden Jahre bedeuten einen Wendepunkt in Kirchners Leben. Die Kriegsereignisse und der Militärdienst stürzen Kirchner in existenzielle Angst, führen letztlich zu Krankheit und langen Sanatoriumsaufenthalten. Um so bemerkenswerter ist seine künstlerische Produktion in dieser Zeit. Es entstehen Werke wie der Holzschnitt "Frauen am Potsdamer Platz", die "Bilder zu Chamissos Peter Schlemihl", die Selbstporträts und Holzschnittbildnisse aus den Sanatorien, die zu den Höhepunkten seines Œuvres zählen.
1917 lässt sich Ernst Ludwig Kirchner in Frauenkirch bei Davos nieder. Den Großstadtbildern folgen nun Gebirgslandschaften und Darstellungen ländlichen Lebens.

In der Einsamkeit der Davoser Berge widmet sich Ernst Ludwig Kirchner verstärkt lokaler Thematik, die, wie im vorliegenden Blatt, ihm reichlich Gelegenheit bietet, bereits erarbeitete technische Kriterien neu zu erproben. Der Holzschnitt ist unter allen grafischen Techniken diejenige, die den Expressionisten in ihrem Bestreben nach Befreiung vom Althergebrachten die besten Angriffsmöglichkeiten bietet. Ist das zu bearbeitende Holzbrett bislang immer mehr geglättet und verfeinert worden, um möglichst saubere Drucke zu erreichen, wird nun gerade das ungehobelte Brett zum bevorzugten Gestaltungsmittel. Alle Unwägbarkeiten seiner rauhen Struktur geben nun dem Holzschnitt eine sehr eigene Prägung. Kirchner bezieht, wie im vorliegenden Blatt ersichtlich, bewusst gewisse Zufälligkeiten dieser Technik in die Komposition mit ein, so die Maserungen des Holzbrettes, die im oberen Hintergrund mitdrucken. Die strenge Schönheit des kerbigen Schnittes wird zum elementaren Bestandteil der Bildaussage. Ein an sich banales Motiv ist in seiner Bedeutung gewandelt, Kirchner nimmt dem rustikalen Sujet jenen gefälligen Genrecharakter, der ihm gemeinhin innewohnt.

Um 1920 beruhigt sich seine expressive Malweise, die Bilder erhalten eine teppichhafte Flächigkeit. Daneben entsteht ein bedeutendes grafisches Werk in Form von Holzschnitten, Lithografien und Federzeichnungen. 1923 zieht Ernst Ludwig Kirchner in das "Haus auf dem Wildboden" am Eingang zum Sertigtal, wo er bis zu seinem Freitod im Jahr 1938 lebt und arbeitet. [KD].




35
Ernst Ludwig Kirchner
Frauenkirch, 1918.
Holzschnitt
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 31.250

(inkl. Käuferaufgeld)