Auktion: 400 / Moderne Kunst am 08.12.2012 in München Lot 35

 

35
Ernst Ludwig Kirchner
Knabenkopf Andreas, 1924.
Holzschnitt
Schätzung:
€ 10.000
Ergebnis:
€ 23.750

(inkl. Käuferaufgeld)
Knabenkopf Andreas. 1924.
Holzschnitt.
Vgl. Dube 520. Nach Gerken: Dube 520 III von IV. Signiert, datiert und bezeichnet: " 36 Knabenkopf 24 III.Zustand". Verso von fremder Hand bezeichnet "N.Y. 10.455". Eines von 4 bisher bekannten Exemplaren. Auf gelbem, imitierten Japanbütten. 44,6 x 34,1 cm (17,5 x 13,4 in). Papier: 57,8 x 41,8 cm (22,7 x 16,5 in).
Sehr seltenes Blatt des bei Dube noch nicht verzeichneten weiteren Zustandes.

Wir danken Herrn Prof. Dr. Günther Gercken für wichtige Hinweise zur Einordnung des Druckzustandes.

AUSSTELLUNG: Buchholz Gallery - Curt Valentin, New York (verso auf der Rahmenabdeckung mit einem Etikett und der handschriftlichen Bezeichnung "N.Y. - 10.455" verso auf dem Blatt).

Nach dem Abschluss eines Architekturstudiums in Dresden, während dem Ernst Ludwig Kirchner Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff kennenlernt und mit diesen bereits künstlerisch zusammenarbeitet, entscheidet sich Ernst Ludwig Kirchner gegen den Wunsch seines Vaters ganz für die Malerei. Der intensive Austausch der vier Freunde führt 1905 zur Gründung der Künstlergemeinschaft "Die Brücke" mit dem Ziel "alle revolutionären und gärenden Kräfte an sich zu ziehen" (Schmidt-Rottluff). Die Künstler beginnen mit den "Viertelstundenakten", den Zeichnungen nach Aktmodellen im Atelier oder in der Natur. Die Gruppe orientiert sich zunächst an Künstlern des Spätimpressionismus. Die Entdeckung der Fauves, der Südsee-Kunst und van Goghs führt die Maler zum Expressionismus. Infolge der Begegnung mit der Kunst der italienischen Futuristen verändert sich der Malstil der Gruppe um 1910, er wird "härter". Ernst Ludwig Kirchner studiert die Plastik im Dresdner Völkerkundemuseum. Unter diesem Eindruck haut und schneidet Kirchner Holzplastiken. 1911 übersiedelt Ernst Ludwig Kirchner nach Berlin. Die Großstadt bietet ihm eine Fülle neuer Motive, die Kirchner in vereinfachten, scharf konturierten Formen, expressiven Zügen und grellen Farbkontrasten umsetzt. Diese Großstadtbilder werden zu Inkunabeln des Expressionismus und machen Ernst Ludwig Kirchner zu einem der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die folgenden Jahre bedeuten einen Wendepunkt in Kirchners Leben. Die Kriegsereignisse und der Militärdienst stürzen Kirchner in existenzielle Angst, führen letztlich zu Krankheit und langen Sanatoriumsaufenthalten. Um so bemerkenswerter ist seine künstlerische Produktion in dieser Zeit. Es entstehen Werke wie der Holzschnitt "Frauen am Potsdamer Platz", die "Bilder zu Chamissos Peter Schlemihl", die Selbstporträts und Holzschnittbildnisse aus den Sanatorien, die zu den Höhepunkten seines Œuvres zählen. 1917 lässt sich Ernst Ludwig Kirchner in Frauenkirch bei Davos nieder. Den Großstadtbildern folgen nun Gebirgslandschaften und Darstellungen ländlichen Lebens. Um 1920 beruhigt sich seine expressive Malweise, die Bilder erhalten eine teppichhafte Flächigkeit. Daneben entsteht ein bedeutendes grafisches Werk in Form von Holzschnitten, Lithografien und Federzeichnungen.

Das Blatt ist ein Beispiel für die eingehende Beschäftigung des Künstlers mit dem Holzstock, denn kleinste Details scheinen unterschiedliche Zustände zu markieren. Den Druckabzügen von den einzelnen Zuständen des Holzstockes kommen daher besondere Bedeutung zu, da sie augenfällig den Werdegang des Holzschnitts bis zu seiner Vollendung dokumentieren.
Ernst Ludwig Kichner lässt auch in seinen Holzschnitten der 1920er Jahre erkennen, wie sehr ihn die fruchtbare Schaffenszeit vor dem Ersten Weltkrieg geprägt hat. Die Holzschnitte aus dieser Zeit haben die gleiche Kraft der Gestaltung und die gefestigte kompositorische Aussage wie jene, die vor dem Ersten Weltkrieg entstanden sind.

1923 zieht Ernst Ludwig Kirchner in das "Haus auf dem Wildboden" am Eingang zum Sertigtal, wo Kirchner bis zu seinem Freitod im Jahr 1938 lebt und arbeitet. [KD].




35
Ernst Ludwig Kirchner
Knabenkopf Andreas, 1924.
Holzschnitt
Schätzung:
€ 10.000
Ergebnis:
€ 23.750

(inkl. Käuferaufgeld)