Auktion: 409 / Klassische Moderne und Seitenwege der dt.Avantgard am 06.12.2013 in München Lot 312

 

312
Ernst Ludwig Kirchner
Stehender Akt - Stehende vor Gebüsch, 1912.
Bleistift
Schätzung:
€ 25.000
Ergebnis:
€ 36.600

(inkl. Käuferaufgeld)
Stehender Akt - Stehende vor Gebüsch. 1912.
Bleistift und Aquarell.
Rechts unten mit dem verblassten Nachlassstempel des Kunstmuseums Basel (Lugt 1570b) und der handschriftlichen Registriernummer "A Be/Bf 8". Auf Pergamin. 50,5 x 36,2 cm (19,8 x 14,2 in), Blattgröße.

Prägnante Zeichnung von energischer Strichführung.
Dieses Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv, Wichtrach/Bern, dokumentiert. Mit einer schriftlichen Bestätigung des Archivs vom 25. Oktober 2012.

PROVENIENZ: Aus dem Nachlass des Künstlers.
Galerie Nierendorf, Berlin 1963, Kat.Nr. 34 mit Abb. S. 25.
Galleria Castelnuovo, Trudi Neuburg-Coray, Ascona (auf dem Unterlagekarton mit dem Galerieetikett).
Privatsammlung.

Nach dem Abschluss eines Architekturstudiums in Dresden, während Ernst Ludwig Kirchner Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff kennenlernt und mit diesen bereits künstlerisch zusammenarbeitet, entscheidet sich Ernst Ludwig Kirchner gegen den Wunsch seines Vaters ganz für die Malerei. Der intensive Austausch der vier Freunde führt 1905 zur Gründung der Künstlergemeinschaft die "Brücke" mit dem Ziel "alle revolutionären und gärenden Kräfte an sich zu ziehen" (Schmidt-Rottluff). Die Künstler beginnen mit den "Viertelstundenakten", den Zeichnungen nach Aktmodellen im Atelier oder in der Natur. Die Gruppe orientiert sich zunächst an Künstlern des Spätimpressionismus. Die Entdeckung der Fauves, der Südsee-Kunst und van Goghs führt die Maler zum Expressionismus. Infolge der Begegnung mit der Kunst der italienischen Futuristen verändert sich der Malstil der Gruppe um 1910, er wird "härter". Ernst Ludwig Kirchner studiert die Plastik im Dresdner Völkerkundemuseum. Unter diesem Eindruck haut und schneidet Kirchner Holzplastiken. 1911 übersiedelt Ernst Ludwig Kirchner nach Berlin. Die dort entstehenden Großstadtbilder werden zu Inkunabeln des Expressionismus und machen Ernst Ludwig Kirchner zu einem der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts.

Immer wieder sucht der Künstler jedoch auch den Kontrast zum bunten Treiben der Metropole Berlin. Die Aufenthalte auf Fehmarn in den Sommern von 1912 bis 1914 sind für das künstlerische Schaffen von Ernst Ludwig Kirchner von entscheidender Bedeutung. Vergleichbar mit den Sommeraufenthalten an den Moritzburger Teichen der Dresdner "Brücke"-Zeit, wird hier Natur emotional und hautnah erlebt. Es ist höchst wahrscheinlich, dass das hier vorliegende Blatt in diesem Kontext entstanden ist, denn der expressive Akt ist deutlich in der freien Natur zu verorten, wodurch der expressive Ausdruck in Zusammenhang mit einer vorhandenen Topografie zu bringen ist. Der zeichnerische Schwung und die meisterliche Verwaltung der optischen Elemente zwischen den reinen Papierflächen und denen der Linien und Farben zeigen Kirchner als souveränen Beherrscher technischen Könnens, welches gerade in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg einen Höhepunkt seines Œuvres markiert.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die folgenden Jahre bedeuten einen Wendepunkt in Kirchners Leben. Die Kriegsereignisse und der Militärdienst stürzen Kirchner in existenzielle Angst, führen letztlich zu Krankheit und langen Sanatoriumsaufenthalten. Um so bemerkenswerter ist seine künstlerische Produktion in dieser Zeit. Es entstehen Werke wie der Holzschnitt "Frauen am Potsdamer Platz", die "Bilder zu Chamissos Peter Schlemihl", die Selbstporträts und Holzschnittbildnisse aus den Sanatorien, die zu den Höhepunkten seines Œuvres zählen. 1917 lässt sich Ernst Ludwig Kirchner in Frauenkirch bei Davos nieder. Den Großstadtbildern folgen nun Gebirgslandschaften und Darstellungen ländlichen Lebens. Um 1920 beruhigt sich seine expressive Malweise, die Bilder erhalten eine teppichhafte Flächigkeit. Daneben entsteht ein bedeutendes grafisches Werk in Form von Holzschnitten, Lithografien und Federzeichnungen. 1923 zieht Ernst Ludwig Kirchner in das "Haus auf dem Wildboden" am Eingang zum Sertigtal, wo Kirchner bis zu seinem Freitod im Jahr 1938 lebt und arbeitet. [KP].




312
Ernst Ludwig Kirchner
Stehender Akt - Stehende vor Gebüsch, 1912.
Bleistift
Schätzung:
€ 25.000
Ergebnis:
€ 36.600

(inkl. Käuferaufgeld)