Auktion: 419 / Klassische Moderne am 05.12.2014 in München Lot 354

 

354
Ernst Ludwig Kirchner
Sertigstraße im Winter, 1924.
Holzschnitt
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 37.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Sertigstraße im Winter. 1924.
Holzschnitt.
Dube H 570 (dort "1926" datiert). Signiert und bezeichnet "Handdruck". Auf bräunlichem Papier von Ingres Canson & Montgolfier (mit dem angeschnittenen Wasserzeichen). 44 x 34 cm (17,3 x 13,3 in). Papier: 54 x 42,7 cm (17,8 x 16,8 in).
[JS].
Einziges Exemplar auf dem internationalen Auktionsmarkt (Quelle:www.artnet.de).
Wir danken Herrn Prof. Günther Gercken für die freundliche Beratung.

PROVENIENZ: Galerie Kornfeld Bern, Auktion 211, 23.-25. Juni 1993, Los 444.
Privatsammlung Süddeutschland (1993 beim Vorgenannten erworben).

Nach dem Abschluss eines Architekturstudiums in Dresden, während Ernst Ludwig Kirchner Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff kennenlernt und mit diesen bereits künstlerisch zusammenarbeitet, entscheidet sich Ernst Ludwig Kirchner gegen den Wunsch seines Vaters ganz für die Malerei. Der intensive Austausch der vier Freunde führt 1905 zur Gründung der Künstlergemeinschaft "Brücke" mit dem Ziel "alle revolutionären und gärenden Kräfte an sich zu ziehen" (Schmidt-Rottluff). Die Künstler beginnen mit den "Viertelstundenakten", den Zeichnungen nach Aktmodellen im Atelier oder in der Natur. Die Gruppe orientiert sich zunächst an Künstlern des Spätimpressionismus. Die Entdeckung der Fauves, der Südsee-Kunst und van Goghs führt die Maler zum Expressionismus. Infolge der Begegnung mit der Kunst der italienischen Futuristen verändert sich der Malstil der Gruppe um 1910, er wird "härter". Ernst Ludwig Kirchner studiert die Plastik im Dresdner Völkerkundemuseum. Unter diesem Eindruck haut und schneidet Kirchner Holzplastiken. 1911 übersiedelt Ernst Ludwig Kirchner nach Berlin. Die Großstadt bietet ihm eine Fülle neuer Motive, die Kirchner in vereinfachten, scharf konturierten Formen, expressiven Zügen und grellen Farbkontrasten umsetzt. Diese Großstadtbilder werden zu Inkunabeln des Expressionismus und machen Ernst Ludwig Kirchner zu einem der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die folgenden Jahre bedeuten einen Wendepunkt in Kirchners Leben. Die Kriegsereignisse und der Militärdienst stürzen Kirchner in existenzielle Angst, führen letztlich zu Krankheit und langen Sanatoriumsaufenthalten. Um so bemerkenswerter ist seine künstlerische Produktion in dieser Zeit. Es entstehen Werke wie der Holzschnitt "Frauen am Potsdamer Platz", die "Bilder zu Chamissos Peter Schlemihl", die Selbstporträts und Holzschnittbildnisse aus den Sanatorien, die zu den Höhepunkten seines Œuvres zählen. 1917 lässt sich Ernst Ludwig Kirchner in Frauenkirch bei Davos nieder. Den Großstadtbildern folgen nun Gebirgslandschaften und Darstellungen ländlichen Lebens. Um 1920 beruhigt sich seine expressive Malweise, die Bilder erhalten eine teppichhafte Flächigkeit. Daneben entsteht ein bedeutendes grafisches Werk in Form von Holzschnitten, Lithografien und Federzeichnungen. 1923 zieht Ernst Ludwig Kirchner in das "Haus auf dem Wildboden" am Eingang zum Sertigtal.

Die Schweizer Bergwelt bietet Kirchner eine Fülle neuer Motive. Der Holzschnitt ist ein perfektes Mittel, diese in vereinfachten, scharf konturierten Formen und expressiven Zügen aufs Papier zu bringen. Aufgrund der Spröde des zu bearbeitenden Materials ist es auch eine besondere technische Herausforderung für den Künstler. Führt Kirchner seine Holzschnitte anfangs noch in breiteren Linien und größeren Flächen aus, erlangt er im Laufe der Zeit eine Sicherheit und Genialität, die ihm - wie in unserem späten Blatt - eine besonders filigrane Bearbeitung des Holzstockes ermöglicht.

Bis zu seinem Freitod im Jahr 1938 lebt und arbeitet Kirchner in der Schweizer Bergwelt.




354
Ernst Ludwig Kirchner
Sertigstraße im Winter, 1924.
Holzschnitt
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 37.500

(inkl. Käuferaufgeld)