Auktion: 419 / Klassische Moderne am 05.12.2014 in München Lot 360

 

360
Karl Schmidt-Rottluff
Im Lichtstrahl, 1956.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 90.000
Ergebnis:
€ 112.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Im Lichtstrahl. 1956.
Öl auf Leinwand.
Links unten signiert. Auf dem Keilrahmen signiert, betitelt und mit der Werknummer "(566)"sowie "=gewachst=" bezeichnet. 65 x 73 cm (25,5 x 28,7 in). [KD].

Farbstarkes Stillleben aus den späteren Schaffensjahren des Künstlers.
Das Gemälde ist im Archiv der Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung, Berlin, dokumentiert.

PROVENIENZ: Privatsammlung Rom (Geschenk des Künstlers 1969 an seinen Feund, einen Dramaturgen aus Italien).

AUSSTELLUNG: Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath, Frankfurt am Main, 1957 (sw-Abb. auf dem Faltblatt/Einblatt).
Karl Schmidt-Rottluff. Galerie Günther Franke, Stuck Villa München 3. März bis Anfang April 1962, Kat. Nr. 4, o. Abb. (auf dem Keilrahmen mit dem Ausstellungsaufkleber).

LITERATUR: Zur Dokumentation der Freundschaft des italienischen Dramaturgen Rocco Familiari vgl. Karl Schmidt-Rottluff. Retrospektive, Kunsthalle Bremen/Städtische Galerie im Lenbachhaus, München, 1989, S. 290 Kat.- Nr. 347.
Erich Kusch. Rocco Familiari und die Liebe zur deutschen Kultur, in: Handelsblatt 6.4.1999.
Rocco Familiari. "Magia Nera". La grafica espressionista tedesca in una collezione privata, in: FMR ART'E' BIANCA, Mailand 2008, S. 77 mit Farbabb.

Der Maler, Grafiker und Plastiker Karl Schmidt wird 1884 in Rottluff bei Chemnitz als Sohn eines Müllers geboren.1905 beginnt Schmidt-Rottluff ein Architekturstudium an der Technischen Universität in Dresden. Im selben Jahr gründet er mit Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Fritz Bleyl die Künstlergemeinschaft "Brücke". 1906 erscheint die erste gemeinsame Grafikmappe. In seinen expressionistischen Bildern verleiht der Maler der leidenschaftlich aufgetragenen und bildbestimmenden Farbe eine intensive Leuchtkraft und geht in der Verwendung der unvermischten Primärfarben im Vergleich zu seinen Künstlerkollegen am weitesten. Bis 1912 hält sich Schmidt-Rottluff immer wieder für längere Zeit in Dangast und Dangastermoor bei Varel in Oldenburg auf, wo er zahlreiche Motive für seine Landschaftsgemälde findet. Mit seiner Übersiedlung nach Berlin im Jahr 1911 wendet er sich verstärkt formalen Problemen zu und entwickelt eine zunehmend reduzierte, geometrische Formensprache. Der Ausbruch des Krieges 1914 unterbricht diese Entwicklung. 1913 löst sich die Künstlergemeinschaft "Brücke" auf. Während seines Militärdienstes entsteht ein Zyklus von religiösen Holzschnitten, in dem Schmidt-Rottluff die Schrecken des Krieges verarbeitet und der als sein grafisches Hauptwerk gilt. 1918 kehrt er nach Berlin zurück. Seinen Arbeitsrhythmus mit Malreisen im Sommer und der Atelierarbeit im Winter behält er auch in den zwanziger Jahren bei. Aufenthalte in Pommern, am Lebasee, im Tessin und im Taunus, ferner in Rom als Studiengast der deutschen Akademie in der Villa Massimo (1930) inspirieren Schmidt-Rottluff zu seinen reifen Stillleben und Landschaften. 1937 wird seine Kunst auf der Münchner Ausstellung "Entartete Kunst" diffamiert, 1941 folgen das Malverbot und der Ausschluss aus dem Berufsverband. Nach dem Zweiten Weltkrieg nimmt Schmidt-Rottluff einen Lehrstuhl an der (West-)Berliner Hochschule für bildende Künste an. Der als Erneuerer der Kunst, als Revolutionär Angetretene erhält 1956 den Orden "Pour le Mérite" und sieht sich als Klassiker geehrt.

Die späte Phase im umfangreichen malerischen Œuvre von Karl Schmidt-Rottluff ist von dem gleichen kräftigen Duktus einer Malerei der konturierten Farbflächen geprägt, der schon seine früheren Arbeiten bestimmt. Die Eingrenzung auf wesentliche Merkmale in der Komposition, die Karl Schmidt-Rottluff besonders in den späteren Schaffensjahren entwickelt, zeugen von einer Malkultur der formalen Askese zugunsten einer reinen Welt ungemischter Farben, wie sie in der Malerei der 1950er Jahre nahezu einmalig ist. Von den Künstlern der „Brücke-Zeit“ ist Karl Schmidt-Rottluff am konsequentesten seinen ursprünglichen Idealen treu geblieben und nicht einem verbindlichen Altersstil gefolgt, der für seine Mitstreiter so signifikant ist. Schmidt-Rottluff liebt die Form in ihrer reinen Beschaffenheit. Besonders in den späteren Werken ist eine Neigung zur geradezu grafischen Interpretation der Dinge zu erkennen, die bestärkt durch eine kräftige Palette den Bildinhalt wirkungsvoll vermittelt. Das Festhalten an Inhalten in einer Zeit, in der einer wie auch immer gearteten Abstraktion gehuldigt wurde, ist eines der bemerkenswerten Merkmale dieser aufrichtigen Künstlernatur. Statt dem Zeitgeist zu folgen, hat Karl Schmidt-Rottluff sein umfangreiches malerisches Werk in seinem Sinne gestaltet und ist damit Vorbild für eine Künstlergeneration geworden, deren ureigenstes Anliegen das Vermitteln der eigenen Sehweise ist. Die kräftigen Strukturen in unserem Gemälde verlangen geradezu eine optische Anteilnahme. Eine Herausforderung, die nicht immer kritiklos hingenommen wird, deren wahrer Gehalt aber elementarer Bestandteil jeglicher Kunstbetrachtung sein sollte.

1967 wird das auf seine Initiative hin gegründete Brücke-Museum in Berlin eröffnet. Zahlreiche Ausstellungen in der Bundesrepublik ehren Karl Schmidt-Rottluff, der von der Kunstgeschichte zu den wichtigsten Vertretern des Deutschen Expressionismus gezählt wird.




360
Karl Schmidt-Rottluff
Im Lichtstrahl, 1956.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 90.000
Ergebnis:
€ 112.500

(inkl. Käuferaufgeld)