Auktion: 419 / Klassische Moderne am 05.12.2014 in München Lot 225

 

225
Ernst Ludwig Kirchner
Alte Bäuerin, Um 1926.
Kreidezeichnung
Schätzung:
€ 12.000
Ergebnis:
€ 12.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Alte Bäuerin. Um 1926.
Kreidezeichnung.
Unten mittig signiert (Tusche). Rechts oben signiert (Bleistift). Verso handschriftlich betitelt "Alte Bäuerin" sowie "1926" datiert. Auf festem Velin. 49 x 40,5 cm (19,2 x 15,9 in), blattgroß.
Verso: Stehender und sitzender weiblicher Akt. Bleistiftzeichnung. Wohl um 1920. Blattgroß. Hier von fremder Hand in Tusche bezeichnet und von fremder Hand mit rotem Farbstift 113 sowie mit einem Zollstempel versehen. [KD].
Ausdrucksstarke Zeichnung von dichter Strichlage.

PROVENIENZ: Sammlung Gervais, Zürich/Lyon.

Nach dem Abschluss eines Architekturstudiums in Dresden, während Ernst Ludwig Kirchner Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff kennenlernt und mit diesen bereits künstlerisch zusammenarbeitet, entscheidet sich Ernst Ludwig Kirchner gegen den Wunsch seines Vaters ganz für die Malerei. Der intensive Austausch der vier Freunde führt 1905 zur Gründung der Künstlergemeinschaft "Brücke" mit dem Ziel "alle revolutionären und gärenden Kräfte an sich zu ziehen" (Schmidt-Rottluff). Die Künstler beginnen mit den "Viertelstundenakten", den Zeichnungen nach Aktmodellen im Atelier oder in der Natur. Die Gruppe orientiert sich zunächst an Künstlern des Spätimpressionismus. Die Entdeckung der Fauves, der Südsee-Kunst und van Goghs führt die Maler zum Expressionismus. Infolge der Begegnung mit der Kunst der italienischen Futuristen verändert sich der Malstil der Gruppe um 1910, er wird "härter". Ernst Ludwig Kirchner studiert die Plastik im Dresdner Völkerkundemuseum. Unter diesem Eindruck haut und schneidet Kirchner Holzplastiken. 1911 übersiedelt Ernst Ludwig Kirchner nach Berlin. Die Großstadt bietet ihm eine Fülle neuer Motive, die Kirchner in vereinfachten, scharf konturierten Formen, expressiven Zügen und grellen Farbkontrasten umsetzt. Diese Großstadtbilder werden zu Inkunabeln des Expressionismus und machen Ernst Ludwig Kirchner zu einem der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die folgenden Jahre bedeuten einen Wendepunkt in Kirchners Leben. Die Kriegsereignisse und der Militärdienst stürzen Kirchner in existenzielle Angst, führen letztlich zu Krankheit und langen Sanatoriumsaufenthalten. Um so bemerkenswerter ist seine künstlerische Produktion in dieser Zeit. Es entstehen Werke wie der Holzschnitt "Frauen am Potsdamer Platz", die "Bilder zu Chamissos Peter Schlemihl", die Selbstporträts und Holzschnittbildnisse aus den Sanatorien, die zu den Höhepunkten seines Œuvres zählen. 1917 lässt sich Ernst Ludwig Kirchner in Frauenkirch bei Davos nieder. Den Großstadtbildern folgen nun Gebirgslandschaften und Darstellungen ländlichen Lebens. Um 1920 beruhigt sich seine expressive Malweise. 1923 zieht Ernst Ludwig Kirchner in das "Haus auf dem Wildboden" am Eingang zum Sertigtal.

Im umfangreichen zeichnerischen Werk von Ernst Ludwig Kirchner finden sich sowohl Zeichnungen, die nur einem schnell erfassten linearen Gerüst folgen, als auch solche, deren dichte Strichlagen einen gewissen malerischen Effekt haben. Zu letzteren zählt auch unser Blatt. Die dichten Parallelstriche verleihen der Zeichnung eine Aussage, die weit über das sonst von Kirchner verfolgte Prinzip hinausgeht. In Kirchners Zeichenkunst lassen sich wechselnde Phasen nachvollziehen. Allen diesen ist jedoch die eine Stringenz der Aussage gemein, die für das gesamte zeichnerische Werk Kirchners verbindlich bleibt. Zudem hat Kirchner, vor allem in den Bildnissen, einen besonderen Menschentypus geschaffen, der unter Wahrung der Individualität viel von dem eigentlichen Wollen des Künstlers sagt. Das deutlich gealterte Antlitz der Bäuerin ist in seinen markanten Merkmalen einem Formenkanon unterworfen, der für Kirchners Bildnisschaffen verbindlich ist. Ernst Ludwig Kirchner, der sich nach eigener Aussage in seinen Zeichnungen auf Rembrandt bezog, ist hier seinem Vorbild näher, als man zunächst annehmen möchte.

Neben seinen Zeichnungen entsteht ein bedeutendes grafisches Werk in Form von Holzschnitten, Lithografien und Federzeichnungen. 1938 setzt Ernst Ludwig Kirchner seinem Leben durch Freitod seinem Leben ein Ende.




225
Ernst Ludwig Kirchner
Alte Bäuerin, Um 1926.
Kreidezeichnung
Schätzung:
€ 12.000
Ergebnis:
€ 12.500

(inkl. Käuferaufgeld)