Auktion: 440 / Contemporary Art am 10.12.2016 in München Lot 701

 

701
Thomas Ruff
Nude BB36, 2002.
Cibachrome-Abzug
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 55.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Nude BB36. 2002.
Cibachrome-Abzug. Aufgezogen auf Acrylglas.
Verso auf der Rückwand signiert, datiert, betitelt und nummeriert. 130,5 x 90,2 cm (51,3 x 35,5 in). Gerahmt: 151 x 110,5 cm (59,4 x 43,5 in).

PROVENIENZ: Galerie Nelson, Paris (verso mit dem Galerieetikett).
Galerie David Zwirner, New York (verso auf der äußeren Rückwand mit dem Galerieetikett).
Privatsammlung Rheinland.

LITERATUR: Thomas Ruff: Nudes, München 2003, S. 149.

Thomas Ruff ist ein wichtiger zeitgenössischer Vertreter der konzeptionellen Fotografie. Durch sein Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Bernd Becher, die unter der Bezeichnung "Düsseldorfer Fotoschule" als eine bedeutende Gruppierung der Fotokunst anerkannt ist, ist Ruff entscheidend geprägt. Ende der 1970er Jahre beginnt er mit einer Serie kleinformatiger, farbiger "Interieurs", die deutsche Wohnräume mit typischen Einrichtungen der 1950er bis 1970er Jahre zeigen. Mitte der 1980er Jahre entfernt sich Thomas Ruff jedoch immer mehr von einem rein dokumentarischen Konzept der Fotografie. Er beginnt, seine Fotografien zu inszenieren, um seine eigenen Ideen und Vorstellungen im Bild umsetzen zu können. Vorwiegend widmet er sich der seriellen Fotografie: Porträts, Ansichten von Gebäuden, der Sternenhimmel. Auch Aufnahmen mit Nachtsichtgeräten und modifizierte Zeitungsfotos beschäftigen Thomas Ruff. Anfang der 1980er Jahre entstehen großformatige Porträtserien, die stets festgelegten Regeln folgen: Ruff fotografiert die ausgewählten Objekte frontal und isoliert von ihrer Umgebung vor einem einfarbigen Hintergrund - passbildartige Aufnahmen in hoher Detailschärfe entstehen, die an die Präzision von Überwachungsaufnahmen denken lassen. Ab 1987 setzt er sich mit Architektur auseinander und fotografiert Industrieanlagen und Wohnsiedlungen. Ruffs Werk ist sehr vielseitig und nicht auf ein bestimmtes Sujet oder eine bestimmte fotografische Technik beschränkt, die digitale Nachbearbeitung wird oftmals als Kunstmittel eingesetzt. So entsteht die Serie der "Nachtbilder" mit Hilfe der Infrarottechnik, für "Andere Porträts" benutzt Ruff hingegen eine Phantombildkamera. Für seine "Zeitungsfotos", "Sterne" und "Nudes" - zu denen auch unser Werk gehört - verwendet er bereits vorhandene Materialien, beispielsweise aus dem Internet.
In der Serie der "Nudes“ dient Ruff pornografisches Foto- und Filmmaterial als Vorlage, dass von ihm digital überarbeitet und durch das Stilmittel der Unschärfe verfremdet wird. Die technische Verfremdung schafft zunächst eine kühle Distanz zwischen Betrachter und abgelichtetem Subjekt, gleichzeitig versucht das Auge diese Barriere zu durchbrechen, das Bild scharf zu stellen und tastet dabei minutiös die Bildoberfläche ab. In dieser Form der visuellen Erfassung des Bildes liegt ein wesentlich erotischeres Element als es durch die plakative Zurschaustellung erreicht werden könnte. Unser Motiv ist auch Teil des 2003 von Thomas Ruff veröffentlichten Foto-Bandes "Nudes" mit einem Text des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq, der seine Erlebnisse Ende der 90er Jahre in dem französischen Swinger Club Cléopâtre schildert. Hierdurch eingeleitet, erscheinen die nachfolgenden, durch Unschärfe künstlerisch verfremdeten Bilder als eine Sequenz flüchtiger Erinnerungen oder auch Wunschträume des Betrachters.
Auch in seinen jüngeren Arbeiten experimentiert Ruff mit den ausgefeilten Möglichkeiten der technischen Verfremdung. So entsteht 2012 in Zusammenarbeit mit dem 3D-Experten Wenzel Spingler die Serie der "Fotogramme“. Anders als das historische Fotogramm werden diese jedoch nicht durch die direkte Belichtung von lichtempfindlichen Materialien hergestellt, sondern künstlich durch die Simulation in einer virtuellen Dunkelkammer digital erstellt. 2014 entsteht die Serie der "Negative“, in der der Sepiaton historischer Fotografien von Akten, Porträts und Landschaften technisch ins Negative verkehrt ist und den dokumentarischen, eigentlich auf Dauerhaftigkeit zielenden Aufnahmen einen geisterhaft-ephemeren Anschein verleiht.
Die inszenierten und auf unterschiedliche Weise technisch verfremdeten Arbeiten von Thomas Ruff werfen damit auf höchst pointierte und kritische Weise die Frage nach der Authentizität von Bildern und dem Wahrheitsanspruch der Fotografie auf. Die Arbeiten von Thomas Ruff sind Gegenstand zahlreicher internationaler Gruppen- und Einzelausstellungen sowie in renommierten Sammlungen auf der ganzen Welt vertreten. Seit 1999 ist Thomas Ruff auch in der Lehre an der Düsseldorfer Kunstakademie tätig. Thomas Ruff lebt heute in Düsseldorf.



701
Thomas Ruff
Nude BB36, 2002.
Cibachrome-Abzug
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 55.000

(inkl. Käuferaufgeld)