Auktion: 465 / Kunst des 19. Jahrhunderts am 18.05.2018 in München Lot 72

 

72
Leo Putz
Auf dem Sofa II (Gusti), 1908.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 65.625

(inkl. Käuferaufgeld)
Auf dem Sofa II (Gusti). 1908.
Öl auf Leinwand.
Links unten signiert und datiert. 90 x 85,5 cm (35,4 x 33,6 in).
Originaler Künstlerrahmen, verso mit dem typografisch und handschriftlich in Tinte bezeichneten Etikett.

Wir danken Frau Sigrid Putz, Gauting, für die freundliche Beratung.

PROVENIENZ: Sammlung Professor Dr. Fritz J. Meder, München.
Hugo Helbing, München, 6. Juni 1916, Los 129.
Sammlung Kunstmaler Fritz Closs, München (beim Vorgenannten erworben).
Hugo Helbing, München, 14. November 1931, Los 118 (verso mit der Losnummer).
Sammlung Direktor Hermann von Avanzini, Bochum (beim Vorgenannten erworben).
Privatbesitz Südbaden.
Privatbesitz Hessen (seit ca. 1970).

"Zwei, drei Jahre mögen es her sein, daß Putz auch für den Akt diejenige Reife der Formenbehandlung errungen hat, auf die seine hochsinnige malerische Weltanschauung instinktiv hindrängte. Herb und kräftig entfaltet er jetzt auch die zartesten Rundungen des weiblichen Körpers. Der Mut und die Sicherheit, mit der er die Dialektik der Form handhabt, machen ihn allein schon seines Rufes wert [..]." (Zit. nach: Wilhelm Michel, Leo Putz. Ein deutscher Künstler der Gegenwart, Leipzig 1908, S. 32)

Unser Gemälde zeigt einen von Leo Putz auf die Leinwand gebrachten Frauenakt, der in seiner nahezu lässig wirkenden Sitzhaltung auf einem grünen Fauteuil, den locker um die Knöchel drapierten Gewändern und der zarten, aber klar konturierten Körperdurchbildung vollkommen selbstbewusst wirkt. Allein der leicht nach links abgewandte Blick suggeriert uns die Abwesenheit der Porträtierten, ihre Versunkenheit in die eigene Gedankenwelt. Es handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Auguste (Gusti) Bennat, die Leo Putz von 1906 bis 1908 für mehrere Gemälde Modell steht und wohl als das Lieblingsmodell dieser Jahre gelten kann. Frau Bennat wird in monumentalen Ganzkörperdarstellungen wie "Gusti im schwarzen Kleid" von 1907 (vgl. Putz 369) oder "Dame in Blau" von 1908 (vgl. Putz 371) festgehalten sowie, aus demselben Jahr, in mehreren Portäts (vgl. Putz 1839, 1840). Wohl handelt es sich auch bei dem schön gearbeiteten Ganzkörperakt "Auf dem Sofa" für eine Ausstellung Deutscher Kunstwerke im Metropolitan Museum of Art 1908/09 in New York um eine Darstellung von Gusti Bennat (vgl. Putz 229). Ebenfalls 1908 erscheint die erste Monografie des Künstlers, die von Wilhelm Michel in Zusammenarbeit mit dem Kunstkritiker Dr. Georg Biermann aus Leipzig verfasst wird. Michel nennt hier, neben dem New Yorker Bild, noch drei weitere "lebensgroße Akte", die Putz für Ausstellungen 1909 in München, Wien und Paris geschaffen haben soll. Möglicherweise zählt auch unser Akt zu den hier erwähnten.
Das Thema der sitzenden Dame, bevorzugt der nackten Dame, wandelt Leo Putz in Experimenten mit Form und Farbe zwischen 1905 und 1909 immer wieder ab. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts findet Putz zu einer freieren Auffassung der Stilelemente und entwickelt seine für diese Schaffensperiode typische Malweise mit Elementen des Impressionismus und der klassischen Malerei des 19. Jahrhunderts. Aktdarstellungen und Porträts dieser Zeit zeigen gleichermaßen die effektvoll mit breitem Pinselstrich aufgetragenen Licht- und Farbpartien, die einerseits etwas Flüchtig-Momenthaftes in die Darstellung bringen und gleichzeitig – handwerklich brillant – klar gesetzte Konturen schaffen, die die Dargestellten fest in ihrer Umwelt verorten und mit dieser verbinden. Unser Bild ist ein klares Zeugnis dieser meisterhaften Kunstgriffe im Schaffen von Leo Putz. Dabei greift die Bildanlage kompositorische Überlegungen früherer Aktdarstellungen des Künstlers auf. Das Bild "Im Atelier" von 1903 (vgl. Putz 227) zeigt einen Frauenakt in ähnlicher Positur auf einem Sofa sitzend, die Kleidung ist spielerisch um die angewinkelten Beine drapiert und ein üppiges Blumenbouquet aus roten und gelben Rosen in einer blauen Vase ziert den rechten Bildgrund – die interessante Hintergrundinformation hierzu: Anstelle des Bouquets befand sich ursprünglich eine weitere Figur mit auf dem Gemälde, der Malerkollege Reinhold Max Eichler als Rosenkavalier. Putz hatte diesen nach mehreren Ausstellungen übermalt, möglicherweise wirkte ihm die Komposition zu explizit oder hatte zu viel Anstoß erregt. In jedem Fall scheint das Putz'sche Interesse an dem Arrangement aus sitzendem Frauenakt und üppigem Blumenbouquet hier seinen Anfang zu nehmen. Deutlich ist die Übereinstimmung des Rosenarrangements in der blauen Vase auf beiden Bildern, das sich bei "Im Atelier" durch die Übermalung einer pikanten Szene erklärt und bei unserem Werk zum dekorativ-üppigen Gegenspieler des nicht minder dekorativen, aber grazileren Frauenaktes wird. Augenfällig ist auch die Ähnlichkeit der Putz'schen Modelle dieser Zeit, die einem gewissen Schönheitsideal mit schwarzem Haar, versunken wirkenden dunklen Augen und großzügigem Mund entsprechen. Ein Ideal, das Leo Putz zu Beginn des Jahrhunderts eindrücklich in der Person von Gusti Bennat und auch in seiner späteren Ehefrau Frieda Blell (1874-1951) verkörpert findet, die auf einem Großteil der nach 1908 entstandenen Werke zu sehen ist. [FS]



72
Leo Putz
Auf dem Sofa II (Gusti), 1908.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 65.625

(inkl. Käuferaufgeld)