Auktion: 479 / Klassiker des 20. Jahrhunderts I am 08.12.2018 in München Lot 853

 

853
Ernst Wilhelm Nay
Komposition, 1960.
Aquarell
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 52.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Komposition. 1960.
Aquarell.
Claesges 60-002. Rechts unten signiert, datiert und bezeichnet "I". Verso von fremder Hand bezeichnet "WCA 3204". Auf genarbtem Aquarellbütten. 41,9 x 60,3 cm (16,4 x 23,7 in), blattgroß.
Die Bezeichnung "I" hinter der Signatur verweist auf Ischia, Italien, den Entstehungsort der vorliegenden Arbeit. [CH].

Wir danken Frau Dr. Magdalene Claesges, Köln, für die freundliche Auskunft.

PROVENIENZ: Galerie M. Knoedler & Co, New York (auf der Rahmenrückwand mit dem Galerie-Etikett, dort typografisch bezeichnet "WCA 3204" und "15194"), 1962-1965.
Sammlung Seymour H. Knox II, Buffalo, New York, USA.
Privatsammlung USA.

"Meine Bilder fangen an mit Nichts, werden zu einem Rechenexempel und verwandeln sich in Kunst."
E. W. Nay, 29.6.1955, zit. nach: Ausst.-Kat. Bilder kommen aus Bildern. E. W. Nay 1902-68, Museum Haus Lange, Krefeld 21.4.-30.6.1985 u. a., S. 59.

Die berühmten "Scheibenbilder" Ernst Wilhelm Nays, denen auch die hier angebotene Arbeit zuzuordnen ist, entstehen während der intensiven, innerhalb des Œuvres am längsten währenden Schaffensperiode des Künstlers zwischen 1954 und 1962. Etwa ab 1955 löst sich Nay für die Dauer dieser Werkphase von allen eckigen und kantigen Formen. Zum Motiv der Scheibe findet er während seines künstlerischen Schaffensprozesses, denn für ihn ist "die natürliche Ausbreitung einer Farbe im Prozess des Malens der Kreis [..]. Versuche er, den ersten Farbfleck auf der Leinwand zu vergrößern, führe seine Hand ganz unwillkürlich den Pinsel in kreisrunder Bewegung" (Elisabeth Nay-Scheibler über Nays Schaffensprozess, in: Ernst Wilhelm Nay. Scheibenbilder, Galerie Thomas, München 21.5-4.9.2010, S. 11). Auf den heutigen Betrachter wirken diese Arbeiten wie der Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens, während sie bei zeitgenössischen Kritikern mit noch erstaunlich traditionellem Kunstverständnis und althergebrachten Sehgewohnheiten große Diskussionen auslösen. Tatsächlich dokumentieren diese Arbeiten die erfolgreiche neue Ausrichtung seiner Kunst auf dem Weg in die konsequente, reine Abstraktion und beweisen Nays meisterliches Können in der Gestaltung offener Bildräumlichkeit mithilfe freier, intuitiver Formen und einer unbeschwerten Sicherheit in der Wahl und Zusammenstellung harmonierender Farben. Dabei sind die Scheiben keinesfalls leblose Formen innerhalb einer geometrischen Ordnung. Vielmehr erzeugen sie eine Rhythmik und Bewegung, die sich auch in der letzten Phase der Scheibenbilder in den 1960er Jahren in kraftvollen Kompositionen niederschlagen. Sie zeugen von einem Künstler, der sich "freimalt". Nay arbeitet nun mit einer reduzierteren Farbpalette, baut seine einzelnen Arbeiten häufig nur auf einem zentralen Farbklang auf und erreicht so eine neue Intensität innerhalb der Scheibenbilder, was die hier angebotene, äußerst dynamische und farbstarke Arbeit intensiv zu visualisieren vermag. Nay komponiert hier ein für diese Zeit ganz typisches Werk, in dem sich "die Scheiben allmählich aufzulösen beginnen und sich wirbelnd über die Leinwand bewegen." (M. Stockebrand, in: Ausst.-Kat. Bilder kommen aus Bildern. E. W. Nay 1902-68, Krefeld, Münster, Hamburg, 1985, S. 25). Mit ihren das dunkle Grauschwarz bezwingenden hellen Gelb- und kräftigen Orangetönen legt die vorliegende, äußerst beispielhafte Arbeit nicht nur die Lebendigkeit und optimistische Strahlkraft der Arbeiten aus dieser spezifischen Werkperiode offen, sondern beweist auch den hohen Stellenwert der Aquarelle und Gouachen im Schaffen Ernst Wilhelm Nays. [CH]



853
Ernst Wilhelm Nay
Komposition, 1960.
Aquarell
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 52.500

(inkl. Käuferaufgeld)