Auktion: 490 / Kunst des 19. Jahrhunderts am 22.11.2019 in München Lot 57

 

57
Franz von Stuck
Athlet, 1890/1892.
Bronze mit schwarzbrauner Patina
Schätzung:
€ 8.000
Ergebnis:
€ 45.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Athlet. 1890/1892.
Bronze mit schwarzbrauner Patina.
In der Mitte der Standfläche bezeichnet "Franz von Stuck". Verso an der Standfläche mit dem Gießerstempel "C. Leyrer München". Gesamthöhe 65 cm (25,5 in). Durchmesser Plinthe: 28,5 cm (11,2 in).
Guss nach 1906 (1906 wurde Stuck geadelt).

PROVENIENZ: Privatsammlung Süddeutschland.

AUSSTELLUNG: (in Auswahl, jeweils anderes Exemplar)
Franz von Stuck, Werk - Persönlichkeit - Wirkung, Stuck-Villa, München 1968, Kat.-Nr. 6.
Franz von Stuck, Maler - Graphiker - Bildhauer - Architekt, Museum Villa Stuck, München 1982, Kat.-Nr. 131 (m. Abb.).
Franz von Stuck, Gemälde - Zeichnungen - Plastik aus Privatbesitz, Galerie der Stadt Aschaffenburg u. a., 1994, Kat.-Nr. 70 (m. Abb.).
Spiel und Sinnlichkeit, Franz von Stuck 1863-1928, Mittelrhein-Museum Koblenz, 1998, Kat.-Nr. 16 (m. Abb.).

LITERATUR: (in Auswahl, jeweils anderes Exemplar)
Otto Julius Bierbaum, Stuck (Künstler-Monographien XLII), Bielefeld und Leipzig 1899, Abb. 143 und 144.
Franz Hermann Meissner, Franz Stuck, Berlin und Leipzig 1899, S. 109f. (mit Abb.).
Thomas Raff, Die Kraft des Mannes und die weiche Schmiegsamkeit des Weibes. Franz von Stuck: Das plastische Werk, 2011, S. 24-29 und S. 134 (m. Abb.).

Der "Athlet" ist die erste vollplastische Arbeit Franz von Stucks, die wohl unter den 1890 in Rom gesammelten Eindrücken entsteht. Die in heroischer Nacktheit und unter voller Kraftanstrengung eine Kugel emporhebende Männerfigur entspricht in ihrer Muskeldurchbildung einem klassischen Figurentypus, der jedoch mit einem eher naturalistisch aufgefassten, mit starker Mimik dargestellten Kopf kombiniert ist. Auch die Allansichtigkeit, die durch die runde Form der Plinthe nahegelegt wird, ist ein weiteres entscheidendes Gestaltungsmerkmal. Möglicherweise dachte Stuck an eine monumentale Ausführung der Arbeit, wie eine Zeichnung von ca. 1913 aus dem Nachlass des Künstler nahelegt, die den "Athlet" neben anderen Großplastiken zeigt (vgl. Raff 2011, S. 27, Abb. 29). In der Untersicht würde das von Kraftanstrengung geprägte Gesicht genau zwischen den erhobenen Armen und der Kugel sichtbar werden. Die Figur hat keine direkten Vorbilder in der Kunstgeschichte: weder ist es Atlas, der die Last der Weltkugel auf den Schultern trägt, noch ist es Sisyphos, der einen Felsbrocken wieder und wieder einen Hang hinaufrollen muss. Der Figurenfindung liegt viel mehr ein genaues Anatomiestudium zugrunde, wie es für Stuck typisch ist. Dabei weist der naturalistische Kopftypus einige Paralleln zur Physiognomie Stucks selbst auf, was nicht selten zu einer Identifikation des "Athlet" mit seinem Schöpfer geführt hat. Stuck, selbst dem Kraftsport sehr zugetan, habe hier eine symbolische Darstellung der eigenen (künstlerischen) Kraftanstrengungen gegeben. Passend zu diesem Interpretationsansatz wäre die besondere Positionierung des "Athlet" auch im neuen Ensemble des 1901/02 umgestalteten Künstleraltars in seinem Atelier. Schon zuvor war dieser auf einem Sockel neben dem mit Antiken geschmückten Altar aufgestellt. Nach der Umgestaltung erhielt er einen prominenteren Platz in der rechten goldenen Nische der Predellenzone, wo er als Pendant zur "Tänzerin" (1897/98) steht. In Kombination mit der über allem thronenden "Sünde" können die beiden Figuren als Urbilder von Mann und Frau gelesen werden, die durch Sexualität aneinander gebunden sind und eines der grundlegendsten Gestaltungsprinzipien Franz von Stucks zum Ausdruck bringen: Die Kraft des Mannes und die weiche Schmiegsamkeit des Weibes (vgl. Raff 2011, S. 52).
Franz von Stuck präsentiert seinen "Athlet" erstmals 1892 auf der IV. Internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast. Es handelt sich noch um ein Gipsmodell, dem auch Otto Bierbaum in seiner 1893 erschienen Stuck-Monografie mehrere Seiten widmet. Wohl Ende 1892 wird der "Athlet" erstmals in Bronze gegossen und avanciert schnell zum "Bestseller". Die frühen Abgüsse entstehen bei Leyrer in München, später werden auch Exemplare bei Priessmann Bauer & Co gefertigt. Die Kleinplastik ist auf zahlreichen, auch internationalen Ausstellungen sowie in den wichtigsten Monografien zum Künstler vertreten. Güsse, die in der Signatur den 1906 an Stuck verliehenen Adelstitel tragen, belegen darüber hinaus die stetige Beliebtheit der Figur beim Publikum, die bis heute andauert. [FS]



57
Franz von Stuck
Athlet, 1890/1892.
Bronze mit schwarzbrauner Patina
Schätzung:
€ 8.000
Ergebnis:
€ 45.000

(inkl. Käuferaufgeld)