Auktion: 517 / Moderne Kunst II am 18.06.2021 in München Lot 102

 

102
Lovis Corinth
Klostergarten, 1917.
Öl über Bleistift auf leinwandstrukturiertem Pa...
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 61.250

(inkl. Käuferaufgeld)
Klostergarten. 1917.
Öl über Bleistift auf leinwandstrukturiertem Papier, aufgezogen auf Leinwand.
Berend-Corinth 709. Auf der Rückseite mit einer Bestätigung von Charlotte Berend-Corinth, die es persönlich aus dem Atelier des Malers fortgegeben hat. 47 x 65 cm (18,5 x 25,5 in).

• Im expressiven Gestus seines Spätstils.
• Aus der wichtigen Corinth-Sammlung des Breslauer Rechtsanwalts Dr. Ismar Littmann; mit den Erben wurde eine gerechte und einvernehmliche Lösung gefunden.
• Neben Liebermann und Slevogt gehört Corinth zu dem Dreigestirn der wichtigsten deutschen Spätimpressionisten
.

Wir danken Dor Levi, Ramat Gan, John F. Littman, Houston, Cornelia Muggenthaler, München, und Anna Rubin, New York, für die freundliche Unterstützung und gute Zusammenarbeit. Wir danken Katja Terlau, Köln, für die freundliche wissenschaftliche Beratung.

PROVENIENZ: Sammlung Dr. Ismar Littmann, Breslau (mind. 1927 bis mind. Sommer 1933).
Georg Heimann, Breslau (Direktor der Privatbank Dobersch & Bielschowsky, bis Nov. 1935, Sicherheitsübereignung: Einlieferung für Dr. Littmann bei Lepke, 1./2.11.1935).
Wilhelm van Suntum, Bünde in Westfalen (ab 1935: Lepke, 1./2.11.1935, bis mind. 1950).
Frankfurter Kunstkabinett (1982).
Privatsammlung Nordrhein-Westfalen (bis 2020).
Gütliche Einigung mit den Erben nach Dr. Ismar Littmann (2020).

Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen. Das Angebot erfolgt in freundlichem Einvernehmen mit den Erben nach Dr. Ismar Littmann auf Grundlage einer fairen und gerechten Lösung.

AUSSTELLUNG: Lovis Corinth - Gedächtnisausstellung, Sächsischer Kunstverein, Dresden, 1927, Nr. 87 (Eigentümer: Ismar Littmann).
Catalogue of the most modern examples of paintings of the École de Paris by French and German masters (..), Whitechapel Art Gallery, London, ohne Datum (wohl 1933), Nr. 8.
Exhibition of modern french paintings (École de Paris), Beaux Arts Gallery, London, 7.6.-24.6., ohne Jahr (1933), Nr. 8.
Lovis Corinth, Kunsthaus Bielefeld, 7.1.-5.2.1951, Nr. 15.
Von Sisley bis Rohlfs - Meisterwerke des Impressionismus und Neoimpressionismus, Kunsthaus Apolda Avantgarde, 16.6.-15.9.2002, Nr. 9.

LITERATUR: Rudolph Lepke, Berlin, 1./2.11.1935, Antiquitäten, Gemälde, Modernes Mobiliar, Los 474.

Nach seiner Erkrankung 1911/12 kehrt der Maler zu seiner alten Kraft zurück, allerdings ist die Rechte, seine Malhand, fortan von einem starken Zittern befallen. Ein Film von 1923, der die Entstehung eines Gartenbildes in der Klopstockstraße dokumentiert, veranschaulicht jedoch eindrucksvoll die unveränderte Urkraft seines Werks. Seine Hand tappt zunächst beinahe fahrig auf der Palette umher, sie zittert, während das Auge gleichsam zielt. Hat der Pinsel die Leinwand jedoch erst einmal berührt, so ist der Zug vollkommen sicher, scheinbar dem Willen unterworfen und ganz ohne Anzeichen des Leidens. Von eben jener Energie zeugt auch der 1917 dargestellte Klostergarten. Skizzenhaft, aber dennoch mit ungeheurer Präzision hält Corinth die architektonischen Begebenheiten fest. Die im Stil der Pleinairmalerei gehaltene Ansicht war, und diese Information ist für das eigene Seherlebnis richtungsweisend, der Entwurf für ein Bühnenbild. Denn das Erzeugen von Raum, auf der Theaterbühne von fundamentaler Bedeutung, ist hier auf eine ganz außergewöhnliche Art umgesetzt: Corinth, der Kraftmensch, setzt ganz bewusst nicht auf die zeichnerische Unterkühltheit exakt fluchtender Linien. Vielmehr lässt ein malerischer Tiefenzug aus Dunkel und Licht, aus Bewegung und Energie den Klosterhof im Salzburger Land zu einer kleinen, flirrenden Welt werden. Die Räume, die sich dabei eröffnen - links das schräg geführte Klostergebäude, rechts die in einem Rundbogen geöffnete, weit gekurvte Mauer, die den Blick auf das romanische Apsiskirchlein und ihren Friedhof freigibt - spiegeln nicht klösterliche Kontemplation. In den jahrhundertealten Steingebilden pulsiert das pralle Leben des Augenblicks. Und im Zentrum von allem offenbart sich das Leben selbst: Ein kraftvoller Solitärbaum scheint die Szenerie gleichsam zu sprengen. Der hergebrachte Topos von der Offenbarung des Göttlichen in der Natur wird bei Lovis Corinth zu einem expressiven Gestus. Es nimmt nicht wunder, dass Wilhelm von Suntum (1888-1967), der sich als erfolgreicher Bankdirektor und Gesellschafter einer Zigarrenfabrik eine beachtliche Kunstsammlung aufbauen konnte, voll Freude über den gelungenen Coup notiert: „Nach hartem Kampf 1935 bei Lepke Berlin für 1400 M erworben“. Das so persönlich anmutende Werk von Corinth, das dem Sammler von Suntum so große Freude bereitete, lebt auch durch seine Geschichte. Denn vor 1935 befand es sich in einer der zweifellos bedeutendsten Kunstsammlungen des 20. Jahrhunderts: Jener des jüdischen Rechtsanwalts und großzügigen Mäzens Dr. Ismar Littmann. Littmann war in den 1920er Jahren eine zentrale Figur des vibrierenden kulturellen Lebens in Breslau, und er war ein Mann mit dem Blick für das Besondere, Progressive in der Kunst seiner Tage. Außergewöhnliche Werke Corinths, die in ihrer Emotionsstärke so gut in diese einzigartige Epoche passen, waren in seiner Sammlung in großer Zahl vertreten. Mit 13 Gemälden und nicht weniger als 596 Grafiken des Künstlers kann man Ismar Littmann ohne Zögern als einen der wichtigsten Corinth-Sammler bezeichnen. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten brachte jedoch den jähen Wandel. Durch Berufsverbot und Verfolgung vor dem wirtschaftlichen Ruin stehend, wurde Ismar Littmann 1934 in den Selbstmord getrieben. Die einst so bedeutende Sammlung musste in alle Winde zerstreut werden, um der Familie das Überleben zu sichern. So kam das Werk "Klostergarten" schließlich, vermittelt durch den Breslauer Bankier Georg Heimann, 1935 im Auktionshaus Lepke zur Versteigerung. Der Witwe Littmanns war das Werk damit verloren. Umso erfreulicher ist es, dass das Gemälde „Klostergarten“ heute in bestem Einverständnis mit den Erben nach Ismar Littmann auf Grundlage einer "fairen und gerechten Lösung" im Geist der Washingtoner Prinzipien angeboten werden kann. [CE/AT]



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Lovis Corinth
Klostergarten, 1917.
Öl über Bleistift auf leinwandstrukturiertem Pa...
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 61.250

(inkl. Käuferaufgeld)