Auktion: 498 / Kunst des 19. Jahrhunderts am 18.07.2020 in München Lot 591

 

591
Thomas Theodor Heine
Epilog, 1933.
Tuschfederzeichnung über Bleistift, mit Gouache...
Schätzung:
€ 500
Ergebnis:
€ 2.125

(inkl. Käuferaufgeld)
Epilog. 1933.
Tuschfederzeichnung über Bleistift, mit Gouache weiß gehöht.
Rechts unten mit dem Künstlermonogramm. An den Rändern mit Schnittmarken in Tusche sowie am unteren Rand bezeichnet. Verso mit Stempel nummeriert "126". Auf Velin. 36,5 x 26 cm (14,3 x 10,2 in), Blattgröße.
Originalentwurf zur letzten im Simplicissimus erschienenen Zeichnung Heines, Jg. 38, Heft 1, S. 9, 1. April 1933, unterer Text "Das mit dem Frühling wird doch eigentlich stark überschätzt..".
• Sehr wichtiges Blatt in der Biografie des Künstlers.

Wir danken Herrn Prof. Dr. Thomas Raff für die freundliche Auskunft.

PROVENIENZ: Privatsammlung Norddeutschland.

Nach dem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf beginnt Heine in München als Karikaturist und Illustrator für humoristische und künstlerisch-literarische Zeitschriften wie die "Fliegenden Blätter" und "Pan" zu zeichnen. Als er 1895 den Verleger Albert Langen kennenlernt, heben die beiden die politisch-satirische Zeitschrift "Simplicissimus" aus der Taufe, für die Heine die bekannte rote Bulldogge als Emblem kreiert. Dem griesgrämigen Gesichtsausdruck der älteren Dame im Vordergrund ist zu entnehmen, dass ihr das liebestolle Verhalten der eng umschlungenen jungen Paare einiges an Missfallen bereitet, während sie am rechten Arm ihren am Stock gehenden Mann und an der linken den Dackel führt. Ob das nur auf die lockere Moral der jüngeren Generation zurückzuführen ist, die sich im Vergleich zum vorherigen Jahrhundert stark verändert hatte, oder ob nicht auch ein wenig Neid mitspielt, muss der Betrachter selbst entscheiden. Das im Grunde unpolitische Blatt birgt im Titel "Epilog" die Mitteilung Heines an die Leser, dass es sich um seinen letzten Beitrag zum "Simplicissimus" handelt. Das Heft mit der in Farbe gedruckten Zeichnung erscheint am 1. April 1933, dem Tag, an dem die Nationalsozialisten den Boykott jüdischer Geschäfte durchführen lassen. Aufgrund seiner jüdischen Glaubenszugehörigkeit und seiner antinationalistischen Artikel und Karikaturen wird Heine gezwungen, noch am selben Tag München und die Redaktion des kurz darauf gleichgeschalteten Blattes zu verlassen und versucht zunächst vergeblich, in Hamburg unterzutauchen. Nachdem er schließlich in einer Berliner Pension untergekommen war, emigriert er am 1. Mai 1933 mit der Bahn nach Prag und später nach Oslo, von wo er 1940 nach der Okkupation Norwegens weiter nach Schweden fliehen muss. Heine stellt in der Zeichnung sein humoristisches Talent als Chronist einer sich wandelnden Gesellschaft unter Beweis - eine leichte Melancholie des Abschiednehmens und Sehnsucht nach der unbeschwerten Leichtlebigkeit der Jugend sind jedoch ebenfalls deutlich zu vernehmen, kurz bevor er sich mit mittlerweile 66 Jahren zur Emigration gezwungen sieht. [KT]



591
Thomas Theodor Heine
Epilog, 1933.
Tuschfederzeichnung über Bleistift, mit Gouache...
Schätzung:
€ 500
Ergebnis:
€ 2.125

(inkl. Käuferaufgeld)