Auktion: 522 / Klassische Moderne Teil II am 11.12.2021 in München Lot 453

 

453
Willi Baumeister
Formen figural - dreiteilig, 1938.
Öl und Lack auf Leinwand
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 62.500

(inklusive Aufgeld)
Formen figural - dreiteilig. 1938.
Öl und Lack auf Leinwand.
Beye/Baumeister 708. Auf dem Keilrahmen signiert, handschriftlich datiert "Dez 38" und mit einem Richtungspfeil, zudem auf einem Aufkleber nochmals signiert und mit der Nummer "712". 54 x 65 cm (21,2 x 25,5 in).

• Leuchtende, farbintensive Arbeit.
• Seit Entstehung in Privatbesitz.
• Entstehung im inneren Exil während der Zeit des Wuppertaler Arbeitskreises
.

PROVENIENZ: Privatsammlung Süddeutschland (direkt beim Künstler erworben).
Privatsammlung (seit 2010).

LITERATUR: Will Grohmann, Willi Baumeister. Leben und Werk, Köln 1963, Verzeichnis der Gruppen, Formen 1936-1938, S. 283, Nr. 446 (mit Abb.), dort unter dem Titel: "Formen figural, dreiteilig II".
Ketterer Kunst, München, 374. Auktion, 4.12.2010, Los 52.

"jedoch haben moderne bilder fast nur den inhalt der farb- und formfuge und deshalb gibt es gar keine titel, die den inhalt oder gehalt eines modernen bildes treffen könnten. der wirkliche gehalt eines modernen bildes liegt sichtbar und verborgen in dem ganz äußerlichen drama der farben und formen und all ihren beziehungen zueinander."

Willi Baumeister, zit nach: gleichnisse zur natur, Der Spiegel 3, 1949.

Das vorliegende Gemälde fällt in die Werkgruppe "Formen" aus der Zeit von 1936 bis 1938. Das Figurale im Formengut wird von Baumeister hier linear verfolgt. Nur wenige Farbflächen sind locker über die Komposition verteilt und verleihen ihr eine leichte Rhythmisierung. Die mittlere Partie ist durch eine etwas hellere Grundierung herausgehoben, wenn auch gering. Hier ist das Formenspiel verflochten und miteinander verknüpft. Nach eigenem Bekunden hat Baumeister in dieser Komposition auch Lack verwendet, der die ansonst heiter-schwerelose Komposition etwas erdet. Eingebunden sind die locker verteilten Formen in einen leicht differenzierten Hintergrund, der an die Mauerbilder aus der Zeit von 1919 bis 1923 erinnert. Dass Baumeister in dieser Komposition Lack verwendet, ist auch biografisch ein interessanter Aspekt. 1936 lernt er durch die Vermittlung des Wuppertaler Architekten Heinz Rasch, mit dem er seit der Zusammenarbeit bei der Bauausstellung 1924 in Stuttgart befreundet ist, den Inhaber der Wuppertaler Lackfabrik Kurt Herberts kennen. Eine glückliche Fügung, denn 1937 werden fünf Werke Willi Baumeisters in der Ausstellung "Entartete Kunst" gezeigt. Um ihn vor dem Zugriff der Gestapo zu schützen, stellt Herberts Baumeister in seiner Fabrik an. Der gleiche Schutz kommt den als "entartet" deklarierten Künstlern Oskar Schlemmer und Franz Krause zugute. Sie bilden mit anderen Künstlern den Wuppertaler Arbeitskreis, der bis 1944 bestehen wird. Die gestaltungs- und maltechnologischen Experimente an Tarnfarben für die Rüstungsindustrie, die Herberts von Baumeister, Schlemmer, Krause und anderen durchführen lässt, hat sich der Wehrwirtschaftsführer 1939 als kriegswichtig einstufen lassen. Im eigens eingerichteten Maltechnikum widmen sie sich der historischen Untersuchung und den künstlerischen Anwendungsmöglichkeiten von Lack, wobei die erhaltenen Ergebnisse der Versuchsreihen bis heute Gültigkeit haben und damals Elemente des Informel vorwegnehmen. Auch in der vorliegenden Arbeit "Formen figural - dreiteilig" findet die Lackfarbe Eingang in die Komposition. Das Werk entsteht im Verborgenen im inneren Exil zu einer Zeit als Baumeister trotz aller Verfemungen an seiner abstrakten Formensprache festhält. [SM]



453
Willi Baumeister
Formen figural - dreiteilig, 1938.
Öl und Lack auf Leinwand
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 62.500

(inklusive Aufgeld)