Auktion: 520 / Evening Sale am 18.06.2021 in München Lot 319

 

319
Günther Uecker
Kunstpranger, 1983.
Nägel und Asche-Leim-Gemisch auf Holzstamm
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 375.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Kunstpranger. 1983.
Nägel und Asche-Leim-Gemisch auf Holzstamm.
Rückseitig unten signiert und datiert. Höhe: 293 cm (115,3 x 37,4 x 29,5 in). Durchmesser: ca. 95 cm (37,4 in).

• Die während der Aktion "Kunstpranger" entstandene Skulptur ist der Erste: Der Ur-Nagelbaum.
• Der monumentalste jemals angebotene Nagelbaum.
• Seit der Entstehung stets in der Sammlung Deutsche Bank
.

Dieses Werk ist im Uecker Archiv unter der Nummer GU.83.046 registriert und wird vorgemerkt für die Aufnahme in das entstehende Uecker-Werkverzeichnis.

PROVENIENZ: Aktion "Kunstpranger" bei der Galerie Annelie Brusten, Wuppertal.
Sammlung Deutsche Bank (vom Vorgenannten erworben).

Der "Kunstpranger" gehört zu den bekanntesten Skulpturen Günther Ueckers. In einer Aktion mit der Wuppertaler Galeristin Annelie Brusten, die er 1979 während eines Akademie-Rundgangs in Düsseldorf kennenlernt, schafft er ein Mahnmal für die sterbende Natur. Eine von Borkenkäfern befallene Ulme wird im Klophaus-Park gefällt, durch Uecker aber als Kunstwerk konserviert. Die Idee entsteht im Herbst des Jahres 1983, als Annelie Brusten zufällig die Forstarbeiter im Park beim Markieren der 80 Jahre alten Ulme bemerkt. Sie erfährt, dass der kranke Baum gefällt und verbrannt werden soll. Annelie Brusten holt den bereits sehr bekannten "ZERO"-Künstler und Professor an der Kunstakademie nach Wuppertal: Uecker kommt, markiert einen etwa 3 Meter langen Abschnitt am Stamm und Ueckers Schüler Herbert Koller dokumentiert fotografisch was dann geschieht. Im Park-Pavillon bearbeitet Uecker, auf einer Leiter stehend, über zehn Tage den mächtigen Stamm und bestückt ihn mit einer wehrhaften Krone aus Zimmermannsnägeln. Insgesamt etwa eintausend Nägel mit einem Gewicht von 130 Kilogramm verwendet er für dieses Kunstwerk. Die Asche der verbrannten Baumkrone vermischt er mit Leim, einer Art Heilsalbe, mit der er die Wunden des Baumes verschließt. Es ist sein erster Baum, den er mit Nägeln bearbeitet. Im Park-Pavillon verbleibt die Skulptur "Kunstpranger" als gleichnamige Ausstellung der dort ansässigen Galerie Annelie Brusten, dem Waldsterben gewidmet - ein Thema, das heute brisanter ist als jemals zuvor. Bei seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung prangert Uecker die Umweltzerstörung durch den Menschen an und erklärt die Nägel zur "Rüstung", mit der er den Baum "eingerüstet, ihn stark gemacht" habe. Herbert Kollers Aufnahmen sind nebst handschriftlichen Gedanken Ueckers in dem kleinen Ausstellungskatalog "Kunstpranger" enthalten, den Annelie Brusten später als Auflage herausgibt. Auch ein Multiple in 35 Schubern mit jeweils einer benagelten Baumscheibe und Kohlezeichnung der Ulme macht die Entstehung des Kunstwerks nachträglich zu einer Art Performance. Mithilfe des damaligen Direktors des Von der Heydt-Museums, Günter Aust, verkauft Annelie Brusten den "Kunstpranger" nach vier Monaten an die Deutsche Bank. Die Neuerwerbung wird dort über 20 Jahre in der Eingangshalle der Wuppertaler Filiale präsentiert.

Der Nagelbaum wird zu einem Thema in Ueckers Œuvre, das ihn nicht gleich wieder loslässt. Noch 1984 folgt ein achtteiliger Wald, ein zweiter und dritter entsteht 1988 und 1991. Günther Uecker ist ein steter Kommentator der Geschehnisse in der Welt, er lebt in der Gegenwart und nimmt aktiv an seiner Zeit teil. "Die Kunst kann den Menschen nicht retten, aber mit den Mitteln der Kunst wird ein Dialog möglich, welcher zu einem den Menschen bewahrenden Handeln aufruft." (Günther Uecker, 1983, zit. nach: Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, S. 2). Seine Werke sind Zeugen ihrer Zeit und künstlerischer Protest gegen Zerstörung und Vernichtung. [SM]



319
Günther Uecker
Kunstpranger, 1983.
Nägel und Asche-Leim-Gemisch auf Holzstamm
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 375.000

(inkl. Käuferaufgeld)