Auktion: 518 / Kunst des 19. Jahrhunderts am 17.06.2021 in München Lot 38

 

38
Deutschrömer
Bildnis einer Römerin, Um 1860/70.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 3.000
Ergebnis:
€ 4.875

(inkl. Käuferaufgeld)
Bildnis einer Römerin. Um 1860/70.
Öl auf Leinwand.
Verso auf dem Keilrahmen nummeriert sowie mit Etikett, dort nummeriert und bezeichnet "Feuerbach". 47 x 35,5 cm (18,5 x 13,9 in).

PROVENIENZ: Galerie Fritz Zickel, Berlin (bis 1930, Kunsthaus Lempertz, 25.11.1930, dort als Anselm Feuerbach angeboten, mit Echtheitsbestätigung von Hermann Uhde-Bernays).
Sammlung Theodor Johannsen, Wedel (wohl 1930 vom Vorgenannten erworben).
Seither in Familienbesitz.

LITERATUR: Kunsthaus Lempertz, Köln, Galerie Fritz Zickel, Berlin: wegen völliger Aufgabe des Geschäfts und Löschung der Firma Fritz Zickel im Handelsregister, Versteigerung 25.11.1930, Los 16 (mit Abb., angeboten als Anselm Feuerbach: Mädchenkopf im scharfen Profil nach links, Römerin mit Korallen-Halskette; mit Echtheitsbestätigung von Hermann Uhde-Bernays).

Als im frühen 19. Jahrhundert zahlreiche Maler in die zum Sehnsuchtsort und Zentrum der Kunst gewordene Stadt Rom aufbrechen, entwickelt sich neben der Verehrung der Schöpfungen von Antike und Renaissance auch ein regelrechter Kult um die Schönheit der Römerinnen. In der Vorstellung der Künstler bereits als Idealtypus vorhanden, waren diese stets auf der Suche nach dessen realer Entsprechung. Der Modellkult beginnt um 1820 mit der „Entdeckung“ Vittoria Caldonis durch August Kestner, der die Winzerstochter bei einem Ausritt durch Albano im Türeingang ihres einfachen Hauses sitzen sieht. Schnell avanciert das einfache Mädchen zum begehrten Modell, das durch seine unverstellte Natürlichkeit und seine Schönheit zahlreichen Malern als perfekte Projektionsfläche dient - mal als Bauernmädchen, als feine Dame, als Modellgesicht für Madonnengestalten -, ohne dass ihre Individualität jemals zum Vorschein gebracht wird. Anders als die zahlreichen Berufsmodelle, die oftmals wie beispielsweise an der französischen Akademie theatralische und gekünstelte Posen einnehmen oder zwischen Piazza Barberini und Piazza di Spagna in folkloristischer Tracht bereitstehen, sind solche eigenen Entdeckungen für die Künstler viel interessanter, da sie Zeugnis ästhetischer Urteilskraft sind. Oftmals gehen diese auch mit einer Ausschließlichkeit einher, die nicht selten in einer Liebesbeziehung endet, wie es zwischen Anselm Feuerbach und Anna Risi, genannt Nanna, der Fall ist. Auch Feuerbach verbreitet die Erzählung „seiner“ Entdeckung der verheirateten Nanna, Schustersfrau in Trastevere, die er bei einem Spaziergang entdeckt und die für ihn schließlich Mann und Kind verlässt. Feuerbach überschüttet sie mit Geschenken und präsentiert sie stolz in der Stadt. Nanna wird in den 1860er Jahren mit ihrer melancholischen Schwere und ihrer herben, ehrfurchtsgebietenden Hoheit zu seiner wesentlichen Inspirationsquelle für Bildnisse und mythologische Szenen. Auf Nanna, die ihn schließlich wegen eines reichen Engländers 1865 verlässt, folgt um 1867 Lucia Brunacci, der Feuerbach auf der Piazza Barberini begegnet. Ihre Gesichtszüge, von denen Feuerbach ebenso Porträts und Studienköpfe anfertigt, sind jedoch in den folgenden Gemälden schwer von denen Nannas zu trennen. Nicht nur bei Feuerbach überlagert der Typus der Römerin oftmals die Individualität der Dargestellten. Auch hier bildet sich in den Zügen der Porträtierten die Vorstellung einer unnahbaren und ehrfurchtsgebietenden Schönheit ab, der eine gewisse überzeitliche Größe antiken und renaissancehaften Charakters innewohnt. Sicherlich veranlasste die Qualität des Bildnisses den Feuerbach-Kenner Hermann Uhde-Bernays zu einer Zuschreibung an Feuerbach, erwähnt doch auch Julius Allgeyer für 1868 einen lebensgroßen „Studienkopf im Profil nach links“ als eines der ersten Porträts Lucias. Ob es sich tatsächlich um Lucia Brunacci oder ein anderes Modell handelt, ist schwer eindeutig festzustellen, da kaum wirklich aussagekräftige Bildnisse auszumachen sind, in denen das Modell mehr ist als der Anlass zur Darstellung eines bestimmten aktuellen Typus, der auch hier zum Tragen kommt. Mit malerischer Zurückhaltung wird die herbe Physiognomie mit dem kräftigen schwarzen Haar im Profil vor olivfarbenem Hintergrund platziert. Als einziger Schmuck unterstreicht die zweireihige charakteristisch italienische Korallenkette farblich das frische, fein modellierte Inkarnat. Der weiße, antikisierende Leinenüberwurf über den Schultern lenkt in keinster Weise von ihrer edlen und schlichten, unnahbaren Schönheit ab und perfektioniert so den Eindruck der reservierten Eleganz des Bildnisses. [KT]



38
Deutschrömer
Bildnis einer Römerin, Um 1860/70.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 3.000
Ergebnis:
€ 4.875

(inkl. Käuferaufgeld)