Auktion: 529 / Kunst nach 1945 / Contemporary Art am 10.06.2022 in München Lot 236

 

236
Gerhard Richter
Abdallah, 2010.
Acryllack hinter Glas
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 81.250

(inklusive Aufgeld)
Abdallah. 2010.
Acryllack hinter Glas.
Online-Werkübersicht der Gemälde 917-59. Verso signiert und datiert sowie mit der Werknummer "917-59" bezeichnet. Unikat. 33 x 33 cm (12,9 x 12,9 in), inkl. Rahmung.

• Richters Hinterglasgemälde sind wunderbare Zeugnisse herausragender technischer Meisterschaft und Innovationskraft.
• Richters Werke mit dem Material Glas stehen in ihrer Vielfalt für die experimentierfreudige Arbeitsweise des Künstlers
• Auf der glatten Oberfläche des Bildträgers lässt Richter in faszinierender Balance aus Kalkül und Zufall eindrucksvolle Farbstrukturen entstehen.
• Mit seinen auf einem strengen Selektionsprozess basierenden Kompositionen hinter Glas, die Titel aus der orientalischen Märchenwelt von "1001 Nacht" tragen, eröffnet Richter einen weiten Assoziationsraum
.

PROVENIENZ: Galerie Fred Jahn, München.
Privatsammlung Hessen (vom Vorgenannten erworben).

LITERATUR: Gerhard Richter, Marian Goodman Gallery, London 2014, S. 7.
Gerhard Richter: Streifen & Glas, Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Kunstmuseum Winterthur, Köln 2013, S. 31.
„Ich bin fasziniert vom Zufall, weil es ist ja fast alles Zufall. Wie wir beschaffen sind, warum ich nicht in Afrika geboren bin, sondern hier. Alles Zufall."
Gerhard Richter, November 2016

Nach vereinzelten experimentellen Versuchen beginnt Richter 2008 die Technik der Hinterglasmalerei für sich zu entdecken und für seine Malerei des kontrollierten Zufalls nutzbar zu machen. Es entstehen die Gemäldefolgen "Sindbad" (2008), "Aladin", "Bagdad", "Ifrit", "Perizade" und "Abdallah" (jeweils 2010), deren Titel allesamt ihren Ursprung in der reichen Kultur des Orientes haben. Richter hat diese Titel den Gestalten der islamischen Mythologie und der berühmten Märchensammlung "1001 Nacht" entlehnt, die um das Jahr 800 in Bagdad aus dem Mittelpersischen ins Arabische übersetzt wurde und von da an in der orientalischen und später auch der abendländischen Kultur große Verbreitung fand. Dass Richter diese Themenwelt des blühenden Abendlandes seinen abstrakten Schöpfungen gerade in einer Zeit zur Seite stellt, in welcher der Orient durch Krieg und Verwüstung des Irakkrieges gezeichnet ist, ist sicherlich kein Zufall. Gerhard Richter ist nicht nur ein Meister des malerischen Experimentierens im Spannungsfeld zwischen Kalkulation und Zufall, sondern auch ein Meister im Spiel mit der freien Assoziation. Richters orientalische Titel geben dem Betrachter Raum, die leuchtenden, abstrakten Farbverläufe mit den leuchtenden Farben des Orients oder deren fein strukturierte, hinter Glas fixierte Bewegung mit dem Formenrepertoire der arabischen Kalligrafie zu assoziieren. Und letztlich bleibt sogar eine Assoziation mit dem unkontrollierten Chaos der Zerstörung des Krieges nicht ausgeschlossen. Richter erklärt die leuchtenden, abstrakten Farbstrukturen, die das Ergebnis seiner meisterlichen Inszenierung des kalkulierten Zufalls sind, zu den Protagonisten seiner auf der Rückseite des Bildträgers gesetzten und dadurch faszinierend entrückten Komposition. Für dieses eindrucksvolle Ergebnis lässt Richter die Farbe zunächst auf einen Plexiglasträger fließen und greift in diesen zufälligen Prozess der Bildwerdung nur teilweise durch den Einsatz von Pinseln, Stäbchen und Spachteln ein. Schließlich überträgt Richter den gewünschten Ausschnitt der dabei entstandenen Komposition in einem perfektionierten Abklatschverfahren auf die Glasplatte, die diese marmorierten Farbstrukturen schließlich dauerhaft konserviert. [JS]



236
Gerhard Richter
Abdallah, 2010.
Acryllack hinter Glas
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 81.250

(inklusive Aufgeld)