Auktion: 523 / Kunst des 19. Jahrhunderts am 11.12.2021 in München Lot 351

 

351
Ludwig von Hofmann
Frühlingstanz, Um 1915.
Tempera auf Leinwand
Schätzung:
€ 8.000
Ergebnis:
€ 37.500

(inklusive Aufgeld)
Frühlingstanz. Um 1915.
Tempera auf Leinwand.
Rechts unten signiert. Verso auf dem Keilrahmen mit alten Etiketten sowie handschriftlich nummeriert. 102 x 66,5 cm (40,1 x 26,1 in).

Wir danken Frau Dr. Verena Senti-Schmidlin, Zürich, für die freundliche wissenschaftliche Unterstützung.
Wir danken Herrn RA Markus H. Stölzel, Marburg für die freundliche Beratung.

PROVENIENZ: Sammlung der Bankiersfamilie Couvreu de Deckersberg, Château de l'Aile, Vevey, Schweiz (verso mit dem Etikett).
Privatsammlung Sachsen-Anhalt.

LITERATUR: Galerie Flechtheim, Düsseldorf/Hugo Helbing, München/Galerie Paffrath, Düsseldorf, Gemälde alter und neuer Meister und Skulpturen aus rheinischem, Berliner und ausländischem Museums- und Privatbesitz - darunter Bildnisse u. a. aus dem ehemaligen Palais Radziwill in Berlin, Auktion 11.3.1933, Nr. 148: "Attische Landschaft".

Eine lichtdurchflutete Landschaft tut sich in Ludwig von Hofmanns Gemälde vor den Betrachtenden auf. Über eine sanfte Anhöhe erhebt sich der Blick zwischen schützenden Felswänden zum Brunnen im Zentrum, über den sich eine Frau und ein blonder Knabe beugen, dahinter die sanft geschwungenen Gipfel eines hohen Bergmassivs. Klar und beruhigt setzt Hofmann die Linien und die Formen ins Bild, gegen die ruhende, voluminöse Statik der Felsen und blühenden Bäume bildet die schwungvolle Bewegung der Tänzerinnen und ihrer wehenden Tücher im Vordergrund eine ausgleichende Harmonie. Die freie, tänzerische Bewegung als ursprüngliche Äußerung von Lebendigkeit und als Kunstform, in der sich die anmutige Linie in der Körperlichkeit ausdrückt, wird für Hofmann besonders ab den Jahren 1905/06 zum zentralen Thema. Es entsteht die Lithografiefolge der „Tänze“, angeregt durch Harry Graf Kessler und Hugo von Hoffmansthal; Henry van de Velde beauftragt ihn mit der Ausgestaltung der Weimarer Museumshalle, für die er Wandbilder mit Tanzenden in einer arkadischen Landschaft entwirft. Vorbilder wie antike Reliefs tanzender Mänaden, die drei Grazien in Botticellis Primavera, bis zu den Tänzerinnen Loïe Fuller, Ruth St. Denis und Isadora Duncan fließen in die Linienführung seiner Werke mit ein. Der Tanz wird als ästhetische, zweckfreie und ungerichtete Bewegung zum Thema, in dem sich die Entfremdung zwischen Geist und Körper aufhebt. Eine ähnliche Aufgabe kommt der Kunst zu: Ihre Schönheit führt den Menschen in einen paradiesischen, idyllischen Zustand, der in der Moderne verloren geglaubt scheint. Gerade für die Zeit um 1900 wird das Motiv der Idylle sehnsuchtsvoll von Malern wiederentdeckt: In Frankreich malt 1905/06 bspw. Henri Matisse sein berühmtes Gemälde „Le bonheur de vivre“ (Barnes Foundation, Philadelphia), angesiedelt in einem imaginären Arkadien, in dem sich die Figuren unberührt von den Beschwerlichkeiten der Realität allein der Musik und dem Tanz hingeben. In der Betonung der Kompaktheit und Skulpturalität der Formen sowie dem Ausdrucksmittel der anmutig geschwungenen Linie wenden sich die Künstler einem neuen harmonischen Klassizismus zu. Auch traditionsreiche Techniken werden erprobt, so verwendet Hofmann hier Temperafarben, deren Mattigkeit das pastellene Leuchten der Farbe und die moderne Flächigkeit des Bildes noch unterstreicht. Hofmanns Gemälde zeigt auf faszinierende Weise ein charakteristisches Vorgehen der Moderne, in der Rückbesinnung auf malerische Traditionen und Motive eine Erneuerung zu bewirken. Den Aspekt der Erneuerung und ewigen Jugend unterstreicht nicht zuletzt auch die Quelle im Zentrum des Bildes, die als eine Art Jungbrunnen kindliche Freiheit und Unsterblichkeit in den elysischen Gefilden verleiht. [KT]



351
Ludwig von Hofmann
Frühlingstanz, Um 1915.
Tempera auf Leinwand
Schätzung:
€ 8.000
Ergebnis:
€ 37.500

(inklusive Aufgeld)