Auktion: 530 / Evening Sale / Sammlung Hermann Gerlinger am 10.06.2022 in München Lot 37

 

37
Ernst Ludwig Kirchner
Gewecke und Erna, 1913.
Bleistiftzeichnung
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 22.500

(inklusive Aufgeld)
Gewecke und Erna. 1913.
Bleistiftzeichnung.
Verso mit dem Nachlassstempel (Lugt 1570 b) und der handschriftlichen Nummerierung "B Bc/Bh 20". Auf Velin. 54,6 x 38,6 cm (21,4 x 15,1 in), blattgroß.
Verso mit einer kleinen, fragmentarischen Buntstiftskizze. [CH].

• Großformatige, dynamische Zeichnung aus dem Berliner Atelier und der persönlichen Lebenswelt des Künstlers.
• Dargestellt ist der mit Kirchners Lebensgefährtin Erna Schilling ins Gespräch vertiefte Hans Gewecke, einer der Schüler an der von E. L. Kirchner und Max Pechstein 1911 in Berlin gegründeten Zeichenschule "MUIM" (Moderner Unterricht in Malerei)".
• Das hinter Erna zu erahnende Detail einer Raumdekoration ist mithilfe zeitgenössischer Fotografien eindeutig auf das aufwendig gestaltete Atelier des Künstlers zurückzuführen
.

Das vorliegende Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv, Wichtrach/Bern, dokumentiert.

PROVENIENZ:
Nachlass des Künstlers (Davos 1938, Kunstmuseum Basel 1946).
Stuttgarter Kunstkabinett Roman Norbert Ketterer (1954).
Galerie Nierendorf, Berlin (1964).
Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (mit dem Sammlerstempel Lugt 6032).

AUSSTELLUNG:
Ernst Ludwig Kirchner 1880-1938, Nationalgalerie Berlin, 29.11.1979-20.1.1980; Haus der Kunst, München, 9.2.-13.4.1980; Museum Ludwig, Köln, 26.4.-8.6.1980; Kunsthaus Zürich, 20.6.-10.8.1980, Kat.-Nr. 165.
Ernst Ludwig Kirchner. Zeichnung, Aquarelle, Pastelle, Kunsthalle Nürnberg, 20.6.-29.9.1991, Kat.-Nr. 52 (m. Abb.).
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Schleswig (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 1995-2001).
Ernst Ludwig Kirchner auf Fehmarn, Schleswig-Holsteinisches Landesmuseen, Schloss Gottorf, Schleswig 1997, Kat.-Nr. 29.
Frauen in Kunst und Leben der "Brücke", Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, Schloss Gottorf, Schleswig, 10.9.-5.11.2000, Kat.-Nr. 118.
Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2001-2017).
Expressiv! Die Künstler der Brücke. Die Sammlung Hermann Gerlinger, Albertina, Wien, 1.6.-26.8.2007, Kat.-Nr. 165, S. 256f. (m. Abb.).
Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).

LITERATUR:
Hauswedell & Nolte, Hamburg, 199. Auktion, Moderne Kunst, 7.6.1974, Los 938 (m. Abb.).
Lucius Grisebach, Ernst Ludwig Kirchner 1880-1938, Köln 1995, S. 96 (m. Abb.).
Heinz Spielmann (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Sammlung Hermann Gerlinger, Stuttgart 1995, S. 260, SHG-Nr. 372 (m. Abb.).
Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Bestandskatalog Sammlung Hermann Gerlinger, Halle (Saale) 2005, S. 334, SHG-Nr. 752 (m. Abb.).

Kirchner zieht im Oktober 1911 weg aus Dresden und nach Berlin in dasselbe Haus in der Durlacher Straße 14 in Berlin-Wilmersdorf, in dem Max Pechstein bereits seit längerem wohnt. Zusammen mit diesem gründet er dort alsbald, noch im Dezember 1911, eine Zeichenschule mit dem Namen "Moderner Unterricht in Malerei", abgekürzt "MUIM". Kirchner und Pechstein fühlen sich in ihrem Beruf anscheinend inzwischen so reif und etabliert genug, um anderen Unterricht zu erteilen. An seine Mäzene, das Ehepaar Luise und Gustav Schiefler in Hamburg, schreibt Kirchner wohl noch im Oktober: "Pechstein und ich, wir hoffen, damit der neuen Kunstbewegung zu nützen" (Kirchner an Luise Schiefler, in: Briefwechsel, hrsg. von Wolfgang Henze, Stuttgart 1990, S. 48). Obschon die beiden Künstler vieles für den Erfolg unternehmen, Kirchner etwa zwei unterschiedliche Farbholzschnitt als Werbeplakat druckt, sind bis heute nur zwei Schüler bekannt: Hans Gewecke und Werner Gothein. Mit beiden befreunden sich Erna Schilling und Kirchner denn auch und somit beleben die neuen Freunde Szenen im Berliner Atelier und als herumtollende, männliche Badegäste im Sommer 1913 auf Fehmarn. Im Atelier in Berlin rückt jedoch eine Motivfindung immer mehr in den Mittelpunkt: Kirchner ist inspiriert von Begegnungen in seinem Atelier, wie hier das intensive Gespräch zwischen Erna und Hans Gewecke, das Kirchner verfolgt und mit schnellen Strichen zeichnet. Eine alltägliche Szene aus der persönlichen Lebenswelt des Künstlers. Vermutlich entsteht die großformatige Zeichnung nach dem Aufenthalt auf Fehmarn im Oktober 1913. Kirchner verlegt inzwischen sein Atelier in die Körnerstraße 45 in Berlin-Friedenau. Hinter der sitzenden Erna erahnt man ein winziges Detail der überbordenden Raumdekoration aus Bildern, Wandbehängen und Tischdecken, ein sorgfältiger Bühnenraum, den Kirchner für seine Bilderwelt einrichtet. [MvL]



37
Ernst Ludwig Kirchner
Gewecke und Erna, 1913.
Bleistiftzeichnung
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 22.500

(inklusive Aufgeld)