Auktion: 530 / Evening Sale / Sammlung Hermann Gerlinger am 10.06.2022 in München Lot 40

 

40
Ernst Ludwig Kirchner
Heuernte, 1920.
Farbige Ölkreide
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 87.500

(inklusive Aufgeld)
Heuernte. 1920.
Farbige Ölkreide.
Verso mit dem Nachlassstempel des Kunstmuseums Basel (Lugt 1570 b) und der handschriftlichen Registriernummer "FS Da/Bc 29". Auf kreidegrundiertem Karton. 50 x 31,6 cm (19,6 x 12,4 in), nahezu blattgroß. [CH].

• Dynamisch-momenthafte und besonders farbstarke Darstellung aus der Davoser Zeit
• Das harte, arbeitsreiche Leben der dort ansässigen Bauernfamilien und die dörflich-bukolische Idylle sind Kirchner in diesen Jahren bedeutende Inspirationsquellen.
• Zur gleichen Zeit entsteht auch das eindrucksvolle und motivisch verwandte Gemälde "Der Mäher" (Metropolitan Museum of Art, New York)
.

Wir danken Herrn Prof. Dr. Dr. Gerd Presler für die Hinweise und die Unterstützung bei der Bearbeitung dieses Werkes.

Das vorliegende Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv, Wichtrach/Bern, dokumentiert.

PROVENIENZ:
Nachlass des Künstlers (Davos 1938, Kunstmuseum Basel 1946).
Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (mit dem Sammlerstempel Lugt 6032).

AUSSTELLUNG:
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Schleswig (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 1995-2001).
Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2001-2017).
Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).

LITERATUR:
Heinz Spielmann (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Sammlung Hermann Gerlinger, Stuttgart 1995, S. 271, SHG-Nr. 396 (m. Abb.).
Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Bestandskatalog Sammlung Hermann Gerlinger, Halle (Saale) 2005, S. 350, SHG-Nr. 784 (m. Abb.).

"Kirchner hat das turbulente Leben - zunächst in Dresden, dann in Berlin - hinter sich gelassen, wohnt im Haus "In den Lärchen" oberhalb von Frauenkirch/Davos unter 'stolzen' Bergbauern, beobachtet ihren harten, arbeitsreichen Alltag. Um ihn herum die grandiose Bergwelt im Schatten des Tinzenhorns, des 'Wächters am Ende des Tales'. Im September 1918 schreibt er dem Architekten Henry van de Velde: 'So lebe ich hier ganz ruhig und wohlbesorgt.' Wenig später teilt er dem Verfasser seines Werkverzeichnisses der Druckgraphik, dem Hamburger Landgerichtsdirektor Gustav Schiefler, mit: 'Ich bin so froh hier sein zu dürfen.' Die farbige Zeichnung 'Heuernte' atmet diese ausgewogene Lebenssituation Kirchners. Er ist angekommen!"
Prof. Dr. Dr. Gerd Presler, Werkverzeichnisverfasser der Skizzenbücher Ernst Ludwig Kirchners



Ab 1917 reist Ernst Ludwig Kirchner aufgrund seines gesundheitlichen Zustands mehrfach nach Davos, um sich dort unter anderem bei Dr. Frédéric Bauer, dem damaligen Chefarzt des Davoser Parksanatoriums, in Behandlung zu begeben. Die beeindruckende Stimmung der Alpenlandschaft, das besondere, wenngleich arbeitsreiche Leben der dort ansässigen Bauernfamilien und die dörflich-bukolische Idylle sind Kirchner in diesen Jahren bedeutende Inspirationsquellen. 1919 notiert er: "Der gute van de Velde schrieb mir heute, ich solle doch lieber wieder ins moderne Leben zurück. [.] Das ist für mich ausgeschlossen [.]. Ich habe hier ein reiches Feld für meine schöpferische Tätigkeit, dass ich es gesund kaum bewältigen könnte, geschweige denn heute. Die Welt in ihren Reizen ist überall gleich, nur die äußeren Formen sind andere. Und hier lernt man tiefer sehen und weiter eindringen als in dem sogenannten 'modernen' Leben, das meist trotz seiner reichen äußeren Form so sehr viel oberflächlicher ist." (zit. nach: Lucius Grisebach, Ernst Ludwig Kirchner 1880-1938, Köln 1995, S. 153). Im Sommer des Jahres 1920, im Entstehungsjahr unserer Arbeit, lebt der Künstler im Haus "In den Lärchen" in Davos Frauenkirch. Hier entfaltet er trotz seiner immer wieder aufflammenden Krankheit eine scheinbar unerschöpfliche kreative Energie und auch in der hier angebotenen Farbkreidezeichnung entwirft der Künstler mit energischem, selbstbewusstem Strich und kräftigen, leuchtenden Farben eine von der in Violett und hellem Grün gezeigten Davoser Landschaft eingerahmte, jedoch auf zwei Heu mähende Bauern fokussierte Szene. Die diagonal verlaufenden, rötlich-braunen Linien zeigen ihre Arbeit mit der Sense. Das vom Künstler verwendete zarte Violett, frische Grün und kräftige Gelb im Hintergrund findet sich in ähnlicher Form auch in dem mit unserer Zeichnung verwandten Gemälde "Der Mäher" (Gordon 572) im Metropolitan Museum in New York wieder. Mit der so dynamisch aufs Papier gebrachten Szene der mit großen Sensen arbeitenden Schweizer Bauern bezieht sich Kirchner auf ein u. a. von Vincent van Gogh verwendetes tradiertes Sujet, das er mithilfe seiner unverkennbaren, von Konventionen losgelösten Bildsprache in eine meisterliche, leichtfüßige expressionistische Gestaltung überführt. [CH]



40
Ernst Ludwig Kirchner
Heuernte, 1920.
Farbige Ölkreide
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 87.500

(inklusive Aufgeld)