Auktion: 527 / Kunst des 19. Jahrhunderts am 11.06.2022 in München Lot 302

 

302
August Riedel
Zwei Mädchen in Albaner Tracht, 1838.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 8.000
Ergebnis:
€ 10.000

(inklusive Aufgeld)
Zwei Mädchen in Albaner Tracht. 1838.
Öl auf Leinwand.
Rechts unten signiert, örtlich bezeichnet und datiert "A. Riedel. fec Roma. 1838." Verso auf dem Keilrahmen mit altem, handschriftlich nummeriertem Etikett "24.". 75 x 63 cm (29,5 x 24,8 in).

Wir danken Dr. Theresa Sepp, ZI München, für die freundliche wissenschaftliche Beratung. Wir danken Anna B. Rubin, HCPO New York, für die freundliche Unterstützung.

PROVENIENZ: Sammlung Ulmer (bis 1934, laut Annotation im nachgenannten Katalog).
Hugo Helbing, Gemälde neuerer und alter Meister, Keramik, Metallarbeiten, Wand- und Orientteppiche, Möbel, Skulpturen; Versteigerung vom 25. bis 27. Januar 1934, Los 54 (aus dem Eigentum Ulmer).
Kunsthandlung Jordan & Müller, München (beim Vorgenannten erworben).
Galerie Dr. Fresen, München.
Privatsammlung Süddeutschland (vom Vorgenannten erworben).
Gütliche Einigung mit den Erben nach Artur Jordan (2022).

Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen. Das Angebot erfolgt in freundlichem Einvernehmen mit den Erben nach Artur Jordan auf Grundlage einer gerechten und fairen Lösung.

In der Kreisen der Maler, Bildhauer und Literaten, die sich in der Villa Malta auf dem Pincio versammeln, von König Ludwig I. als Künstlerresidenz zur Verfügung gestellt, nimmt der 1823 erstmals nach Rom gekommene August Riedel eine bedeutende Stellung ein. 1832 lässt er sich endgültig in der Ewigen Stadt nieder, deren vor allem weibliche Bevölkerung zum zentralen Motiv seines Schaffens wird. Die Faszination der dortigen Künstler für den Typus der südländischen Schönheit hatte besonders seit der Entdeckung Vittoria Caldonis, Winzerstocher aus Albano, durch August Kestner ihren Anfang gefunden. In der Folge entsteht ein regelrechter Modellkult, nicht nur um Vittoria, von der über 100 Bildnisse unterschiedlicher Künstler existieren. Die beiden jungen Mädchen entsprechen ebenso dem vorherrschenden Schönheitsideal der Italienerin mit ihrer leicht gebräunten Haut sowie den schwarzen Haaren und Augen, zu denen das leuchtende, frische Weiß der Puffärmel und das intensive Rot, Grün und Blau der Röcke einen koloristischen Kontrast bilden. Riedel gibt außerdem die charakteristische Tracht der Region wieder und zeigt folkloristische Details wie die rote Perlenkette und die typische Kopfbedeckung aus gefalteten Tuch. Die Abendsonne erfüllt die Szene mit sanftem Licht, verleiht den weißen Gewändern Transparenz und überzieht die Darstellung effektvoll wie mit Weichzeichner. In der Ferne erblickt man über den Albaner Bergen die blaue Transparenz des südlichen Himmels. Einfühlsam zeigt Riedel die Innigkeit der Beziehung der beiden Mädchen, die - als ob sie ein Geheimnis zu teilen scheinen – anmutig die Köpfe einander zuneigen. Die rechte, ältere, in der Hand ein Madonnenamulett, wird durch das Tragen der Haube als junge Frau dargestellt, im Gegensatz zum Mädchen neben ihr. Dessen nachdenklicher Blick aus dem auf die Hand gestützten Gesicht ruft dem Betrachter die leise Nostalgie des Erwachsenwerdens in Erinnerung, die sich zu der romantischen Italiensehnsucht gesellt. Mit der Dreiecksform der Figuren erinnert Riedel dabei an den zu Beginn des 19. Jahrhunderts hochverehrten Raffael, dessen Darstellungen Mariens und der Heiligen Familie als Inbegriff von Anmut und Grazie gelten. Die Verbindung subtiler erzählerischer Details, kompositorischer Referenzen sowie der technisch versierten Feinmalerei im Zentrum des Bildes, umgeben von aufgelockertem Duktus machen die besondere Qualität dieses Gemäldes aus. Riedel wird schließlich Professor an der römischen Akademie San Luca und vom König zum Ehrenmitglied der Münchner Kunstakademie ernannt. In Rom zählt er zu den angesehensten Mitgliedern der deutsch-römischen Künstlerkolonie und ist Mitbegründer des römischen Kunstvereins. Etliche seiner Werke und Porträts befinden sich in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, eingegangen über die königlichen Sammlungen Ludwig I., der einer der größten Verehrer des „Römischen Riedels“ ist.
"Zwei Mädchen in Albaner Tracht" wird 1934 von der jüdischen Kunsthandlung Jordan & Müller erworben. Der Geschäftsinhaber Artur Jordan, geb. am 9.12.1893, ist Teil einer erfolgreichen, gut vernetzten Kaufmanns- und Kunsthändlerfamilie aus München. Seine Brüder Siegfried und Heinrich sind ebenfalls Kunsthändler mit eigenen Geschäften in München - Kunsthandlung Jordan & Co. und Kunsthandlung Gebr. Jordan & Co.
Aufgrund seiner jüdischen Herkunft ist für Artur Jordan die Ausübung seines Berufes ab 1933 deutlich erschwert. Im Herbst 1935 findet sich sein Name dann auf der Liste derjenigen Münchner Kunsthändler, die die Reichskammer der Bildenden Künste mit Berufsverbot belegt hat. Spätestens ab 1936, mit der endgültigen Ablehnung seiner Mitgliedschaft in der Reichskammer, ist der Handel für Artur Jordan unmöglich geworden. Er ist gezwungen, seinen einst so erfolgreichen, mit Passion und Kennerblick geführten Kunsthandel endgültig aufzulösen. Die im Galeriebestand verbleibenden Werke müssen unter Wert verkauft werden, teilweise ins Ausland. Artur Jordan gelingt 1937 die Flucht in die USA. Er kehrt nicht nach Deutschland zurück und stirbt 1980 in seiner neuen Heimat New York. Heute kann das Gemälde, das seinen Galeriebestand zu einem unbekannten Zeitpunt zwischen 1934 und 1937 verlassen hat, im besten Einvernehmen mit den Erben nach Artur Jordan angeboten werden. [KT/SvdL]



302
August Riedel
Zwei Mädchen in Albaner Tracht, 1838.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 8.000
Ergebnis:
€ 10.000

(inklusive Aufgeld)