Auktion: 540 / Evening Sale am 09.06.2023 in München Lot 14

 

14
Karin Kneffel
Ohne Titel, 2016.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 120.000
Ergebnis:
€ 152.400

(inklusive Aufgeld)
Ohne Titel. 2016.
Öl auf Leinwand.
Verso signiert und mit der Werknummer bezeichnet "2016/7". 180 x 240 cm (70,8 x 94,4 in), [SM].

• Ausgestellt in der renommierten Gagosian Gallery.
• Rekonstruktion der einst so bedeutenden Kunstsammlung Hermann Lange, Krefeld (1874–1942), die zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwa 300 Meisterwerke der europäischen Moderne vereint.
• Kneffels künstlerischer Schaffensprozess beginnt - ähnlich wie die früheren Arbeiten ihres ehemaligen Professors an der Düsseldorfer Kunstakademie Gerhard Richter - mit der Fotografie.
• Mit zeitgenössischer Bildsprache, kunsthistorischem Rückbezug auf die Höhepunkte der Malerei des 20. Jahrhunderts und ihren charakteristischen malerischen Verfremdungen schafft Kneffel eine neuartige, vielschichtige Malerei
.

Auf der offiziellen Website der Künstlerin aufgeführt.

PROVENIENZ: Gagosian Gallery, Beverly Hills/Los Angeles.
Privatsammlung München (direkt beim Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG: Karin Kneffel. New Works, Gagosian Gallery Beverly Hills/Los Angeles, 28.4.-11.6.2016 (auf dem Keilrahmen mit dem Etikett).
Das Moment der Abstraktion, Franz Marc Museum, Kochel am See, 13.10.2019-16.2.2020.

LITERATUR: Karin Kneffel. Still, Kunsthalle Bremen, 22.6.-29.9.2019; Museum Frieder Burda, Baden-Baden, 12.10.-8.3.2020, S. 121.

2009 lädt Martin Hentschel, der Leiter der Kunstmuseen Krefeld, die Malerin Karin Kneffel ein, im Museum Haus Esters eine Ausstellung zu realisieren. Er wünschte sich einen Standpunkt, der auf das Gebäude und seine Architektur von Ludwig Mies van der Rohe Bezug nimmt. Und so beginnt sich Karin Kneffel intensiv mit der Architektur und dem Interieur des Hauses Esters auseinanderzusetzen und entwickelt den Gemäldezyklus "Haus am Stadtrand", der unmittelbar auf die Geschichte der Mies van der Rohe-Villa als Wohnhaus eingeht. Dabei entwickelt die Künstlerin eine Bilderzählung, die Gegenwart mit vergangener Geschichte verschleift: Extreme Ausschnitte, jähe Verbindungen zwischen Nahsicht und Fernsicht, eine anhaltende Befragung an die Wirklichkeit verbunden mit irritierend spiegelnden Bildlichkeiten werden zu tragenden Charakteristika ihrer Malerei. Karin Kneffel entfaltet hier eine Bilderwelt, die auf geheimnisvolle Weise Gegenwart und Geschichte, Realität und Fiktion miteinander verschmelzen lässt. (www.kunstmuseenkrefeld.de/de/Exhibitions/2009/Karin-Kneffel-House-On-The-Edge-Of
-Town).

Mit dem so gewonnenen Einblick beschäftigt sich die Künstlerin auch mit einem weiteren Gebäude Mies van der Rohes in unmittelbarer Nachbarschaft, Haus Lange. Ausgangspunkt von Karin Kneffels "Im Bild"-Reihe sind Schwarz-Weiß-Fotografien von 1930, die der Architekt Mies van der Rohe (1886–1969) in Auftrag gegeben hatte. Nicht nur das Besondere der Architektur, sondern auch die umfangreiche, überaus beeindruckende Kunstsammlung des damaligen Bauherrn Hermann Lange (1874–1942) wird anhand von heute überkommenen historischen Fotografien mit den Berliner Bild-Berichten dokumentiert. Die Serie umfasst mehrere Außenaufnahmen sowie einige Innenansichten, einschließlich der Kunst, die vor allem im Haus Lange eine dominante Rolle spielt. Erbaut werden die zwillingshaften Gebäude als private Wohnhäuser. 1927 erteilen die beruflich und privat eng verbundenen Seidenfabrikanten Hermann Lange (1874–1942) und Josef Esters (1884–1966) Ludwig Mies van der Rohe den Auftrag, zwei Wohnhäuser für sie und ihre Familien zu errichten. Auch Teile der Einrichtung lassen sie von Mies entwerfen. 1930 ziehen die Familien ein. Während die Familie von Josef Esters das Haus bis zum Tod der Bauherrin 1976 nutzt, entscheiden die Nachfahren von Hermann Lange bereits 1955 das Gebäude dem städtischen Museum für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst zu überlassen. Die Häuser sind bis heute Teil der Kunstmuseen Krefeld. (Christiane Lange, Mies van der Rohe und Lilly Reich, Möbel und Räume, Krefeld 2007)
Die historischen Fotografien geben Einblick in Räumlichkeiten, geben Aufschluss über die Einrichtung mit den Meisterwerken der einst existenten Sammlung, die der Hausherr in den 1920er Jahren zusammengetragen hatte und die heute in bedeutenden Museen und Privatsammlungen der Welt verstreut sind. In den großformatigen Arbeiten Karin Kneffels feiern sie ein Déjà vu. Im Zusammenhang mit dem Projekt begibt sich die Künstlerin auf die Suche nach den Gemälden der ehemaligen, heute in alle Winde verstreuten Sammlung Lange, um sie im Original zu studieren und in ihrem jeweiligen neuen Umfeld zu betrachten. Drei der ehedem in Krefeld beheimateten Gemälde sind heute gemeinsam als Leihgaben im Franz-Marc-Museum in Kochel platziert: links im Durchgang das Gemälde "Zwei Tänzerinnen“ aus dem Jahr 1911 von Ernst Ludwig Kirchner und prominent an der Mittelwand August Mackes Gemälde "Große Promenade. Leute im Park“ von 1914 sowie die im Durchblick rechts davon im Raum dahinter hängende "Improvisation 21“ von Wassily Kandinsky aus dem Jahr 1911. Kirchners "Zwei Tänzerinnen“ sind für die Sammlung verbrieft, und in den von Mies beauftragten Fotografien von 1930 dokumentiert. "Improvisation 21“ von Kandinsky hingegen sucht man auf den historischen Aufnahmen vergeblich, ist sie damals doch an Hermann Langes Tochter Mildred und ihren Mann Carl Wilhelm Crous ausgeliehen und hängt in deren um 1929 ebenfalls von Mies van der Rohe erbauten Wohnung in Berga an der Elster in Thüringen. Eine weitere Fotografie, welche einen von Mies gestalteten Raum auf der "Bauausstellung“ in Berlin im Jahr 1931 dokumentiert, zeigt Kandinskys Gemälde ebenfalls als "Dekoration“. Hermann Lange leiht es damals seinem Architekten in Verbundenheit für eine Ausstellungskoje. Für die Künstlerin erschließt sich hier ein weiteres Mal die Zugehörigkeit zur Sammlung Hermann Lange, die so im Werkverzeichnis zu Wassily Kandinsky von Hans Konrad Roethel aus dem Jahr 1982 gar nicht aufgelistet ist.

Gleich einer Zeitreise zeigt Kneffel die Gemälde in der hier angebotenen, monumentalen Arbeit jedoch nicht mehr wie zuvor in ihrem einstigen, historischen Umfeld in Haus Lange, sondern, wie das helle Interieur mit dem Sitzmöbel ganz links verrät, in den modernen Ausstellungsräumen am Kochelsee, und natürlich nicht ohne die jetzige museale Situation mit großer malerischer Finesse ihrer charakteristischen künstlerischen Idee entsprechend zu verzerren, zu transformieren und weiterzuentwickeln. Die so gemalte, zeitgenössische Architektur aber verschleiert Karin Kneffel gleichsam wieder hinter einem "Vorhang“, der Illusion einer von Wassertropfen und anderen organischen Formen beschlagenen Scheibe.
Mit ihren vielschichtigen, originellen Gemälden hat Kneffel zu einem spielerischen Umgang mit dem Realismus gefunden. Die hier angebotene Arbeit ist ein Meisterwerk ihrer charakteristischen Verschmelzung von Realem und Imaginiertem. Kunsthistorisch tradierte malerische Lösungen treffen auf ihre eigenen innovativen Ideen und führen uns letztlich nicht nur Kneffels großen Erfindungsreichtum, sondern auch die Wandlungsfähigkeit von Malerei vor Augen. [MvL/CH]



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Karin Kneffel
Ohne Titel, 2016.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 120.000
Ergebnis:
€ 152.400

(inklusive Aufgeld)