In den 1790er Jahren beginnt Jacob Phillip Hackert mit Zeichnugen und Gemälden in der Umgebung des Klosters der Camaldulensermönche sowie höher in den Bergen gelegenen Einsiedelei San Eremo im weiteren Umland von Florenz. Hackert schreibt an Goethe, dass ihn in der dortigen Landschaft vor allem die Bäume interessieren. Eingebettet in die Landschaft oder wie in den Veduten häufig zu beobachten als eine Art Repoussoir zur Bestimmung der „Fernung“ wie Hackert es nennt, treten diese jedoch selten als bildfüllende Protagonisten auf. In den bewaldeten Hängen Camaldolis ist der Olivenbaum eher seltener anzutreffen, zu finden ist vielmehr eine variantenreiche Vegetation von Tannen, Lärchen, Kastanien, Buchen und Eichen. Diese botanische Sonderstellung sowie die emblematische Bedeutung des Olivenbaums für die Flora Italiens mag Hackert nicht zuletzt zu diesem Baumporträt angeregt haben. In nuancenreicher Feinarbeit modelliert er die knorrige, moosbewachsene Rinde des imposanten, uralten Baumes, das feine und dichte Laub, im Vordergrund gesellen sich erdig-graue Töne der flechtenbewachsenen Felsen hinzu. Die kleine Figur des Jägers mit Hund im Hintergrund, die dem Blick fast zu entgehen scheint, verdeutlicht die Größe des Olivenbaums. Neben der idealisierenden Komponente seiner Werke sind immer wieder solche von akribischer Beobachtung der Realität geprägten Gemälde ein Beweis für Hackerts intensive Reflexion malerischer Zielsetzungen und dem Hinterfragen von Gattungsnormen. [KT]