Auktion: 300 / Klassiker des XX.Jahrhunderts am 02.06.2006 Lot 383

 
Ernst Ludwig Kirchner - Divan (Orientalische Szene)


383
Ernst Ludwig Kirchner
Divan (Orientalische Szene), 1913.
Aquarell
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 57.715

(inkl. Käuferaufgeld)

Divan (Orientalische Szene). Um 1913.
Aquarell und Bleistiftzeichnung.
Links unten bezeichnet "Divan". Verso mit dem Nachlassstempel des Kunstmuseums Basel (Lugt 1570 b) und der hs. Registriernummer "Ill/Be 9". Auf glattem Zeichenpapier 58,5 x 46 cm ( 23 x 18,1 in), blattgroß.
Großformatig gestaltetes, prachtvolles Aquarell von bildhafter Wirkung.

Die Arbeit ist im Archiv der Aquarelle, Pastelle und Zeichnungen von Ernst Ludwig Kirchner, Henze & Ketterer, Wichtrach/Bern, dokumentiert

PROVENIENZ: Fischer Fine Art, London 1973.
Fischer Fine Art, London 1977.
Galerie Thomas, München 1980.
Galerie Wolfgang Ketterer, München, vor 1985, Kat.Nr. 529.
Hauswedell & Nolte, Auktion 254, Juni 1984, Kat.Nr. 836 (mit Farbabb. Tafel 14).

Nach dem Abschluss eines Architekturstudiums in Dresden, während dessen Ernst Ludwig Kirchner Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff kennenlernt, entscheidet sich Kirchner gegen den Wunsch seines Vaters ganz für die Malerei. Der intensive Austausch der vier Freunde führt 1905 zur Gründung der Künstlergemeinschaft "Die Brücke". Die Künstler beginnen mit den "Viertelstundenakten", den Zeichnungen nach Aktmodellen im Atelier oder in der Natur. Zunächst orientiert sich die Gruppe an den Künstlern des Spätimpressionismus. Die Entdeckung der Fauves, der Südsee-Kunst und van Goghs führt die Maler zum Expressionismus. Kirchner studiert die Plastik im Dresdner Völkerkundemuseum - unter diesem Eindruck haut und schneidet er Holzskulpturen. 1911 übersiedelt der Künstler nach Berlin. Die Großstadt bietet ihm eine Fülle neuer Motive, die Kirchner in vereinfachten, scharf konturierten Formen, expressiven Zügen und grellen Farbkontrasten umsetzt. Die Großstadtbilder werden zu Inkunabeln des Expressionismus und machen Kirchner zu einem der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts.

Schon früh zeigt Kirchner Interesse am Theater, besonders am künstlerischen Tanz. In Dresden beeindruckt ihn Mary Wigman mit ihren Ausdruckstänzen, die ihren künstlerischen Niederschlag in seinem Werk finden. Pantomimen, die Tanz und szenische Darstellung in sich vereinen, haben durch den großen Erfolg von Vollmöllers "Mirakel" 1911 in der Inszenierung durch Max Reinhardt Konjunktur. Hans Reimanns Pantomime "Die Rache der Tänzerin", zu der Kirchner das vorliegende Aquarell schafft, scheint als Werk verschollen. Fest steht nur, dass die Handlung ihre Spannung aus dem Gegensatz von Orient und Okzident entwickelt. Ein äußerst beliebtes Sujet in dieser Zeit. Kirchner konzentriert sich in seinem Aquarell auf die Begegnung des Europäers mit der geheimnisvollen Pracht des Orients, angedeutet durch die überdimensionalen Lampions. Der nervöse Pinselduktus, der die Spannung der Darstellung noch unterstreicht, ist der seiner späteren Straßenszenen vom Potsdamer Platz mit den als Witwen verkleideten Huren, die von Männern verfolgt werden. Der bildmäßige Aufbau in unserem Aquarell lässt an eine Verwirklichung in einem Gemälde denken, was dann auch, allerdings mit einer anderen Szene geschieht (vgl. Gordon 227 "Pantomime Reimann. Die Rache der Tänzerin").

1917 lässt sich Kirchner in Frauenkirch bei Davos nieder. Den Großstadtbildern folgen nun Gebirgslandschaften und Darstellungen ländlichen Lebens. 1923 zieht Kirchner in das "Haus auf dem Wildboden" am Eingang zum Sertigtal, wo er bis zu seinem Freitod im Jahr 1938 lebt und arbeitet. [KD]




383
Ernst Ludwig Kirchner
Divan (Orientalische Szene), 1913.
Aquarell
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 57.715

(inkl. Käuferaufgeld)