Auktion: 374 / Moderne Kunst am 04.12.2010 in München Lot 56

 
Christian Rohlfs - Anthurie


56
Christian Rohlfs
Anthurie, 1937.
Tempera
Schätzung:
€ 28.000
Ergebnis:
€ 48.800

(inkl. Käuferaufgeld)
Tempera und schwarze Kreide
Vogt 37/50. Verso mit dem Nachlassstempel und der Signatur von Helene Rohlfs "Frau Christian Rohlfs" sowie handschriftlich bezeichnet "Nr. 5 Anturie 1937". Auf strukturiertem Bütten von PM Fabriano (mit Wasserzeichen). 67,3 x 48,5 cm (26,4 x 19 in), blattgroß

Wir danken Herrn Wilfried Utermann, Galerie Utermann, Dortmund, für die freundliche wissenschaftliche Beratung.

PROVENIENZ: Privatsammlung Wuppertal-Barmen.

Am 22. Dezember 1849 wird Christian Rohlfs in Niendorf in Holstein geboren. Während eines zweijährigen Krankenlagers von 1864-66 wird Rohlfs von dem Arzt Dr. Stolle betreut, der die malerische Begabung des Jungen entdeckt und fördert. In dieser Zeit entstehen die ersten Zeichnungen. Auf Anraten und Empfehlung Theodor Storms geht Rohlfs zunächst nach Berlin, dann 1870 an die Kunstakademie in Weimar, um Malerei zu studieren. Ein Beinleiden verschlimmert sich in den kommenden zwei Jahren derart, dass ihm 1873 ein Bein amputiert werden muss. Als Historien- und Genremaler findet Rohlfs die Anerkennung des Großherzogs von Sachsen-Weimar, der ihn jahrelang unterstützt. Seine unabhängige stilistische Entwicklung parallel zur Schule von Barbizon und zum französischen Impressionismus ist ab 1888 zu erkennen. Durch die Vermittlung Henry van de Veldes lernt Rohlfs den Gründer des Folkwang-Museums Karl Ernst Osthaus in Hagen/Westfalen kennen. Dieser überzeugt ihn, 1901 nach Hagen überzusiedeln, um eine von ihm geplante Malschule zu leiten - das Vorhaben scheitert jedoch. Während der Sommeraufenthalte in Soest lernt er 1905 Emil Nolde kennen. Der beginnende Expressionismus der "Brücke", dem im Folkwang-Museum frühe Ausstellungen gewidmet sind, entspricht Rohlfs' eigener Tendenz zu expressiver Gestaltung. Prägt nach der Akademiezeit der Impressionismus das Werk von Christian Rohlfs zwanzig Jahre lang, so findet er als Sechzigjähriger zu einem expressiven Spätstil. Bevorzugt verwendet er Tempera auf Leinwand und Papier, daneben entstehen Aquarelle und Druckgrafik. Zahlreiche Ehrungen belegen die Anerkennung, die seine späten Arbeiten finden. 1929 wird zum 80. Geburtstag des Künstlers das Christian-Rohlfs-Museum in Hagen gegründet. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wird Rohlfs 1937 aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen. 412 seiner Bilder entfernt man als "entartet" aus deutschen Museen, sein Ausschluss aus der Preußischen Akademie der Künste folgt.

Es zeugt von dem äußerst verfeinerten Sinn für Farben und Strukturen, wenn, wie im vorliegenden Blatt, Christian Rohlfs eine einzelne Anthurienblüte zu einem delikaten und doch zugleich bildbeherrschenden Kompositionselement werden lässt. Mittels der von ihm meisterlich beherrschten Wassertempera, die feinste Nuancierungen zulässt, erreicht Rohlfs in dieser stillen Studie eine gemäldehafte Wirkung, deren geheimer Zauber den Betrachter sofort gefangen nimmt. Es sind die feinen farblichen Nuancen, die der an sich kargen Komposition ihre Strahlkraft verleihen. Christian Rohlfs gelingt es, den Gegenständen eine neue Bedeutung zu geben, sie aus ihrer primären Alltagswirkung zu lösen und in eine geheimnisvollere Welt zu transponieren. Die leichte Auflösung der Konturen, sowohl bei der Blüte als auch bei der Bechervase, evoziert vor dem texturierten Hintergrund eine Stimmung von beginnender Vergänglichkeit, der die Schönheit des Gegenwärtigen noch innewohnt.

Am 8. Januar 1938 stirbt Christian Rohlfs in seinem Hagener Atelier. In die Kunstgeschichte geht er als einer der wichtigsten Vertreter des Deutschen Expressionismus ein. [KD].




56
Christian Rohlfs
Anthurie, 1937.
Tempera
Schätzung:
€ 28.000
Ergebnis:
€ 48.800

(inkl. Käuferaufgeld)