Auktion: 491 / Wertvolle Bücher am 25.11.2019 in Hamburg Lot 58

 

58
Ernst Ludwig Kirchner
Eigh. Brief mit Unterschrift an E. Buchholz, 1923.
Schätzung:
€ 4.000
Ergebnis:
€ 4.000

(inkl. Käuferaufgeld)
"Das Eigentliche und Wertvolle: eigene Phantasie"

Ernst Ludwig Kirchner
Eigenhändiger Brief mit Unterschrift. Davos, 4. Januar 1923. 5 1/2 S. 28,5 : 22,5 cm.

- Umfangreicher und bedeutender Brief über das wahre Wesen der Kunst
- An den späteren Juristen und Kunstförderer Ernst Buchholz


Eindringliche kunst- und lebenspädagogische Worte an den kunstinteressierten Abiturienten Ernst Buchholz (1905-1967), der Kirchner zuvor eine Graphik geschickt hatte und nun ein zweites Mal um dessen Urteil bat.
" Ihre Graphik .. interessierte mich nicht, denn sie enthielt noch nichts Eigenes. Eine geschickte Hand übersetzte Eindrücke des ethnographischen Museums in den Stil Schmidt-Rottluffscher Arbeiten. Das Eigentliche und Wertvolle: eigene Phantasie und das Suchen nach Formen dafür fehlte. Dazu und jetzt wieder auf der Karte ein Schwall unangenehmster Complimente aus der modern conventionellen kunsthistorischen Erziehung. Ich sah, dass Ihnen meine Arbeiten im Grunde gar nichts gesagt haben. Das ist nicht ermutigend für einen Menschen wie mich, dessen schönster Lohn es ist, wenn jungen Menschen meine Arbeiten gern haben .. Haben Sie gleichaltrige Freunde? .. Treiben Sie gern Sport, nicht zwangsläufig, sondern mit Lust und Liebe .. Haben Sie ein Mädel, das Sie gern hat und Sie sie? Sie werden sagen, was geht das den an. Aber sehen Sie, meine jungen Freunde haben das alles .. Wenn die malen und zeichnen dann entvölkert sich die Erde und der Himmel und die Figuren tanzen auf den Blättern und sind ungeschickt und verzeichnet und ohne Stil und Gott sei gedankt, ohne 'Kultur' .. Und ich würde bei Ihnen alle Reputation verlieren, dass ich das gut finde. Aber das wäre kein Schade, der Titel 'Hochverehrter Meister' schmeckt mir sowieso wie erforene Kartoffeln .. Wir sprechen oft von den jungen Malern in Deutschland, denn mancher studiert drüben. Und immer immer kommt die Frage: Warum und woher kommt das unehrliche gespreizte und schwülstige Getue? .. man muss reden können, wie einen der Schnabel gewachsen ist und das lernt man nur im Verkehr mit Gleichaltrigen. Frei und offen im Verkehr ohne anzustossen und ohne zu kriechen und ohne Hochmut und Verstellung leben und arbeiten, das macht das Leben reich und schön .. Versuchen Sie das und versuchen Sie auch zu zeichnen, wie Sie wirklich aus Eigenem können. Ihre Eitelkeit wird vielleicht ein wenig leiden müssen, aber Sie gewinnen viel viel mehr: Wärme und Leben .."

Striking and comprehensive letter about the true nature of art to the jurist and patron Ernst Buchholz (1905-1967), a young artist of 18 years of age at the time. Autographed and signed. Davos, January 4, 1923. Five and half pages. 28.5 : 22.5 cm.(R)




58
Ernst Ludwig Kirchner
Eigh. Brief mit Unterschrift an E. Buchholz, 1923.
Schätzung:
€ 4.000
Ergebnis:
€ 4.000

(inkl. Käuferaufgeld)