Lexikon
Expressiver Realismus

Der Begriff "Expressiver Realismus" bezeichnet das Werk einer Generation von deutschen Malern, die lange Zeit in Vergessenheit geraten war und erst in den 1980er Jahren wieder einen Platz in der Kunstgeschichte eroberte, weshalb sie auch als die "verschollene Generation" bekannt ist.
Die Künstler des "expressiven Realismus" wurden zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und 1905 geboren und hatten Ende der 1920er Jahre ihre Ausbildung beendet. Die nationalsozialistische Kunstpolitik bremste allerdings ihre Karrieren, als sie gerade angefangen hatten, einen gewissen Erfolg zu erzielen. So wurden die Maler der "verschollenen Generation", wie die unwesentlich älteren Expressionisten, häufig als "entartet" deklariert und verfemt. Da sie jedoch noch keinem größeren Publikum bekannt waren, wurde ihnen auch in der Nachkriegszeit keine öffentliche Beachtung geschenkt. Nach 1945 wurden einerseits die Expressionisten wiederentdeckt und andererseits die neuen, zur Abstraktion neigenden Kunstströmungen bevorzugt. In diesem Zusammenhang fällt die Malerei des "expressiven Realismus" aus dem Rahmen der herkömmlichen Stilgeschichte.
Der "expressive Realismus" knüpfte an die formale und koloristische Erneuerung der expressionistischen Kunst an und verarbeitete noch das Erbe der Impressionisten und Paul Cézannes. Die Farbe nicht nur als Ausdrucksträger, sondern auch als raum- und formschaffendes Medium wurde zum wichtigsten Gestaltungsmittel des "expressiven Realismus". Hieraus entwickelten die Maler der "verschollenen Generation" eine Antwort auf die Anforderungen ihrer Zeit, die genauso bedeutend wie die Kunstauffassung der "Neuen Sachlichkeit", des "Surrealismus" oder der "Abstraktion" ist. Damit soll jedoch kein Stil charakterisiert werden, sondern eine künstlerische Ausgangsposition. So umfasst der "expressive Realismus" sowohl plastische Darstellungen der Erscheinungswelt als auch manche zur Gegenstandslosigkeit neigenden Kompositionen.
Wichtige Maler des "Expressiven Realismus" sind unter anderen Jakob Bräckle, Charles Crodel, Reinhold Ewald, Hans Fähnle, Franz Frank, Wilhelm Geyer, Otto Griebel, Hans Grundig, Pol Cassel, Rudi Gruner, Marianne Herberg, Erwin Henning, Manfred Henninger, Leo Kahn, Wilhelm Kohlhoff, Otto Niemeyer-Holstein, Felix Nussbaum, Manfred Pahl, Otto Pankok, Carl Pflüger, Carl Rabus, Wilhelm Schnarrenberger, Friedrich Karl Ströher, Alfred Wais, Curt Weinhold, Walther Weis, Wolfgang von Websky, Louis Ziercke, Robert Liebknecht und Herbert Vogt.