Lexikon
Hochbarock in Zentraleuropa

Während in Westeuropa - Frankreich, den Niederlanden, Spanien - das 17. Jahrhundert als Goldenes Zeitalter gelten kann, herrschte in den Ländern Mitteleuropas das "Jahrhundert des großen Krieges", wie Georg Dehio es einmal formuliert hat. Die gängige Meinung, dass die politische Situation, der Dreißigjährige Krieg, die im späten Manierismus noch so hoffnungsvollen Künste Zentraleuropas gänzlich gelähmt und provinzialisiert hat, wird von der jüngeren Forschung jedoch sukzessive revidiert.
Lange anerkannt ist freilich der bedeutendste Meister des frühen deutschen Barock, Adam Elsheimer (1578-1610), der sein Werk in Italien schuf. Ebenfalls früh und großteils im Ausland wirkte der kraftvolle Johann Liss (um 1597-1631), der sich der Figur verschrieben hatte. Aber auch im Alten Reich hat schon die erste Jahrhunderthälfte, wenngleich unter widrigen Umständen, eine durchaus bemerkenswerte Kunst hervorgebracht, die ihre gänzliche Wiederentdeckung noch vor sich hat.
Ulrich Loth (vor 1599-1662) oder Johann Briederl d.J. zählen zu den süddeutschen Meistern, die caravaggeske Prinzipien in ihren Werken vertraten; auch Rubens` Oeuvre wirkte auf den katholischen Süden Deutschlands. Besonders, aber längst nicht ausschließlich im protestantischen Norden orientierte man sich gerne an Holland, wie es etwa Christopher Paudiß (1630-66) mit seinem durchaus eigenständigen Stil deutlich macht. Dieser schulte sich an Rembrandts Werk, ebenso wie Michael Willmann (1630-1706) aus dem Osten des Reiches, der zu den bedeutendsten Meistern des zentraleuropäischen Barock zu rechnen ist. Der vielbewunderte Johann Heinrich Schönfeld (1609-um84), der im Krieg nach Italien geflohen war, prägte besonders die zweite Jahrhunderthälfte; er hatte sich in Augsburg niedergelassen und fand im Süden viele Nachfolger. Auch Johann Spillenberger (1628-79) und Johann Christoph Storer (1620-71) zeigen in ihren Werken Einflüsse des Schönfeld-Stils. Ein zweiter Hauptmeister der zweiten Jahrhunderthälfte ist Joachim von Sandrart (1606-88), der Autor der "Teutschen Academie der edlen Bau-, Bild und Mahlereykünste" (Nürnberg 1675-79). Ulrich Loths Sohn Johann Carl, genannt Carlotto (1632-98), schuf in Venedig große Werke in einem vorbildhaft gewordenen, ornamental aufgefassten Tenebrismus. In Carlottos Werkstatt war auch der Österreicher Johann Michael Rottmayr (1654-1730) einige Zeit tätig, der besonders in der hochbarocken Deckenmalerei sein ganzes Können entfalten sollte. Und auch die neu erblühenden Gattungen fanden begabte Spezialisten: Die Tiermalerei wurde von Johann Heinrich Roos (1631-85) geprägt, im Stillleben wirkte Georg Flegel (1566-1638) als Hauptvertreter.