Auktion: 550 / Evening Sale am 07.06.2024 in München Lot 67


67
Sean Scully
Wall of Light Green Grey, 2008.
Öl auf Aluminium
Schätzung:
€ 400.000
Ergebnis:
€ 838.200

(inklusive Aufgeld)
Wall of Light Green Grey. 2008.
Öl auf Aluminium.
Verso signiert, datiert "10.08" und betitelt sowie mit typografisch bezeichnetem Künstleretikett. 152,5 x 152,5 x 5,5 cm (60 x 60 x 2,1 in).


• "Wall of Light" gehört zu den bedeutendsten und meist besprochensten Werkserien in Scullys Œuvre.
• Chromatische Geheimnisse: An den Übergängen der einzelnen Farbfelder blitzen versteckte Farbschichten hervor, die eine viel buntere Palette offenbaren, als die zurückhaltende Monochromie des ersten Eindrucks suggeriert.
• Weitere Gemälde dieser Serie befinden sich u. a. im Metropolitan Museum of Art und im Solomon R. Guggenheim Museum in New York sowie in der National Gallery of Art in Washington und im Museum of Fine Arts in Boston.
• 2005 ist diese Werkreihe Gegenstand von Scullys erster umfassender New Yorker Einzelausstellung im Metropolitan Museum of Art, die auch in der Phillips Collection in Washington, im Modern Art Museum of Fort Worth und im Cincinnati Art Museum gezeigt wird
.

PROVENIENZ: Walter Storms Galerie, München.
Privatsammlung Süddeutschland (2009 vom Vorgenannten erworben).

Wände aus Licht
"Wall of Light Green Grey" visualisiert die Beziehung zwischen Licht und Schatten, Farbe und Form und verkörpert somit die Essenz der Werkreihe "Wall of Light", die Sean Scullys künstlerisches Schaffen und seine Karriere der vergangenen 25 Jahren maßgeblich geprägt hat.
Als Schlüsselmoment für diese Werke bezeichnet Scully mehrere Reisen nach Mexiko in den 1980er Jahren, während der ihn besonders die Licht- und Schatteneffekte auf den sonnenbeschienenen, aus unzähligen Steinblöcken erbauten Etagen der Tempelpyramiden der Maya in Chichén Itzá auf der Halbinsel Yucatán faszinierten und zu einer Reihe von Aquarellen inspirieren. "Seeing the Mexican ruins, the stacking of the stones, and the way the light hit those façades, had something to do with it, maybe everything to do with it", erklärt der Künstler (zit. nach: Ausst.-Kat. Sean Scully. Wall of Light, Phillips Collection, Washington, 2005, S. 24). Fortan wendet sich Scully einer deutlich weniger streng geometrischen Gliederung als in seinen früheren Arbeiten zu.
Jahre später, ab 1998, entstehen in der Rückbesinnung auf seine tiefgreifenden Eindrücke in Mexiko die ersten "Wall of Light“-Arbeiten, die sowohl Gemälde, als auch Aquarelle, Pastelle und Druckgrafiken umfassen. Im Gegensatz zu früheren Gemälden, in denen Scully die Bildfläche häufig noch mit längeren Farbbahnen und -streifen durchzieht, basieren die "Wall of Light"-Gemälde ausschließlich aus vertikal und horizontal gelagerten, breiten und kurzen Farbblöcken, die Scully wie eine aus Ziegelsteinen gemauerte Wand zusammenfügt.
Die glänzende Materialität und Strahlkraft der Ölfarben, die besondere Oberflächentextur durch die deutlich sichtbaren Pinselspuren und insbesondere der Raum zwischen den einzelnen Farbblöcken, die weichen, ganz bewusst unpräzise gearbeiteten Übergänge treten in diesen Arbeiten nun noch stärker in den Vordergrund. "If the basic concern of his 1980s panels was the aesthetics of conflict – what happens with what, when you crash panels with stripes of varied colors, orientations and widths into one another –, the concern of these more recent pictures is ideal harmony. Scully’s Walls of Light are Arcadian paintings", schreibt dazu der amerikanische Kunstphilosoph und Kulturkritiker David Carrier (zit. nach: Putting Abstraction in Touch with Reality. The Achievement of Sean Scully, in: Ausst.-Kat. Passenger. A Retrospective, Budapest 2020/21, S. 217).

Zwischen den Zeilen Lesen
Diese schmalen Zwischenräume an den Übergängen der einzelnen Farbfelder entstehen durch eine vermeintliche 'Imperfektion’ beim Malprozess, doch erst hier lässt sich das Geheimnis der Gemälde und von Scullys Malerei entdecken: Unter dem hier subtil glänzenden Schwarz, sandfarbenem Beige und Steingrau blitzen versteckte Farbschichten hervor, die eine ganz andere Palette offenbaren, als die zurückhaltende Monochromie unseres Gemäldes zunächst suggeriert. Die reduzierte Farbigkeit ermöglicht die Fokussierung auf das Darunterliegende und zunächst Verborgene: Strahlendes Blau, frisches, kühles Grün, fast Türkis und zartes, zu verschiedenen Rottönen changierendes Rosa ist dort zu sehen und verändert plötzlich die gesamte Bildwirkung. "There are no simple colors in my work… there are no whites, no reds. Colors are always subverted by the colors underneath, so when you’re looking at something you’re never quite sure what you’re looking at" (S. Scully, zit. nach: Hossein Amirsadeghi/Maryam Homayoun Eisler (Hrsg.), Sanctuary: Britain’s Artists and their Studios, London, 2011, S. 112).


Diese Wirkung erzielt Scully durch das zeitintensive Übereinanderlegen zahlreicher Farbschichten. Eine Technik, die den starken Einfluss des amerikanischen abstrakten Expressionismus offenbart, insbesondere der vibrierenden Farbfelder Mark Rothkos.
Wie bei Rothko wird die vermeintlich verdeckte, tiefer liegende Farbigkeit aufgrund des manuellen, niemals gleichmäßigen Farbauftrags nicht gänzlich verdeckt. Stattdessen bekommt die Farbe an den weichen Grenzen und Übergängen der einzelnen Felder ihren großen Auftritt und füllt die gesamte Bildfläche mit sinnlicher Lebendigkeit. In Verbindung mit dem so malerischen Pinselduktus macht das Gemälde damit den intensiven Malprozess des Künstlers erfahrbar, seine in das Bild investierte kreative Energie. Das bereits Übermalte, die Vergangenheit wird sichtbar und ein längst vergangener Zustand kommt wieder zum Vorschein. "I think there is a lot of melancholia in my paintings. There is a sense of loss. [..] It seems that one of the worst things about the human condition is that it is not really possible to go back in your life. [..] You never get a second chance to do anything, to even breathe the same breath again. It's gone as soon as you've done it, and somehow this is reflected in my work. The paintings are an attempt to stop that process. They have a lot of process in them, but it's all frozen in time." (Sean Scully in einem Gespräch mit Hans-Michael Herzog, New York, 13.12.1998)

Ein starkes Bekenntnis zur Abstraktion

Der Titel unserer Arbeit wie auch der Werkserie "Wall of Light (Wand aus Licht)" evoziert u. a. Plastizität und Dichte, enthält jedoch einen Widerspruch. Und wie ihr Titel sind auch Scullys Gemälde widersprüchlich: Ihre dichte, aus gestapelten Farbblöcken zusammengesetzte Komposition trifft auf feine Zwischenräume und sanfte, malerische Linien sowie eine sinnlich glänzende, das Licht reflektierende Oberflächenstruktur. In "Wall of Light Green Grey" treffen zudem starke, nahezu monochrome Hell-Dunkel-Kontraste auf zugleich fein abgestimmte Farbmodulationen und bilden gemeinsam mit allen weiteren Gegensätzlichkeiten eine besonders harmonische Synthese innerhalb von Scullys wohl bedeutendster Werkreihe der vergangenen 25 Jahre.
Weitere Arbeiten aus der „Wall of Light“- Werkserie befinden sich u. a. im Metropolitan Museum of Art ("Wall of Light White", 1998), im Solomon R. Guggenheim Museum, New York ("Wall of Light Brown", 2000), in der National Gallery of Art, Washington ("Wall of Light Tara", 2000), im North Carolina Museum of Art, Raleigh ("Wall of Light Peru", 2000), im Cleveland Museum of Art ("Wall of Light Rose", 2003), im Modern Art Museum in Fort Worth, ("Wall of Light Desert Night", 1999) und natürlich im Irish Museum of Modern Art in Dublin ("Wall of Light, Yellow", 1999). [CH]



67
Sean Scully
Wall of Light Green Grey, 2008.
Öl auf Aluminium
Schätzung:
€ 400.000
Ergebnis:
€ 838.200

(inklusive Aufgeld)