Auktion: 545 / Evening Sale am 08.12.2023 in München Lot 51


51
Lyonel Feininger
Karavellen, 1933.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 300.000
Ergebnis:
€ 381.000

(inklusive Aufgeld)
Karavellen. 1933.
Öl auf Leinwand.
Oben links signiert. Verso auf dem Keilrahmen erneut signiert sowie datiert und betitelt "Lyonel Feininger 1933 'Caravels'. 36,4 x 44,5 cm (14,3 x 17,5 in).
[AR].

• In sphärischem Sonnenlicht inszeniert Feininger einen Aufbruch ins Ungewisse.
• Schicksalsjahr 1933: Machtergreifung der Nationalsozialisten und Schließung des Bauhauses.
• Mit einer Karavelle brach Kolumbus einst nach Amerika auf – verbindet Feininger dieses Motiv und die Farbigkeit mit seinem eigenen, bevorstehenden Aufbruch nach Amerika?
• Eindrucksvolle Ausstellungshistorie, bereits 1936 erstmals in den USA ausgestellt.
• Ein vergleichbares Gemälde befindet sich in der Sammlung des Centre Pompidou in Paris, das Feininger einst seinem Freund Wassily Kandinsky schenkte
.

Achim Moeller, Direktor des Lyonel Feininger Project LLC, New York - Berlin, hat die Echtheit dieses Werkes, das im Archiv des Lyonel Feininger Project unter der Nummer 1874-09-15-23 registriert ist, bestätigt. Ein Zertifikat liegt der Arbeit bei.
Das Werk ist in "Lyonel Feininger: The Catalogue Raisonné of Paintings" von Achim Moeller unter der Nummer 373 verzeichnet.
Weitere Informationen wurden von Achim Moeller, The Lyonel Feininger Project LLC, New York ­ Berlin, bereitgestellt.

PROVENIENZ: Nachlass des Künstlers.
Julia Feininger, New York.
Laurence Feininger, Trento.
(Roman Norbert Ketterer, Campione d'Italia)
Privatsammlung Nordrhein-Westfalen.
Seitdem in Familienbesitz.

AUSSTELLUNG: Lyonel Feininger, The Oakland Art Gallery, Oakland, 1.6.-22.8.1936, Nr. 42 (Caravels); San Francisco Museum of Art, San Francisco, 23.8.-15.9.1936; Henry Art Gallery, University of Washington, Seattle, ab 5.10.1936.
Lyonel Feininger: Exhibition of Oil Water Color Paintings and Prints in the Faulkner Memorial Art Gallery, Santa Barbara, 5.1.-17.1.1937, Nr. 20 (Caravels).
Lyonel Feininger: A Retrospective Exhibition at the University of Minnesota, University Gallery, University of Minnesota, Minneapolis, 1.-30.4.1938, Nr. 18 (Caravels).
Lyonel Feininger, Willard Gallery, New York, 11.-29.3.1941, Nr. 5 (Caravels); The Russell A. Alger House, Detroit Institute of Arts, Grosse Pointe, Michigan, Juli/Aug. 1941 (verso mit dem Etikett).
Sixth Annual Exhibition, Museum of Art, Ogunquit, Maine, 28.6.-8.9.1958, Nr. 2 (Caravels, Leihgabe von Mrs. Lyonel Feininger).
Lyonel Feininger: Paintings of Harbors, Ships, and the Sea, Busch-Reisinger Museum, Harvard University, Cambridge, Massachusetts, 6.10.-8.11.1958 (Caravels, Leihgabe von Mrs. Lyonel Feininger, verso mit dem Etikett).
Lyonel Feininger, Willard Gallery, New York, 4.11.-6.12.1958, Nr. 5 (Caravels).
Lyonel Feininger – Kleine Blätter: The Intimate World of Lyonel Feininger, Museum am Ostwall, Dortmund, 23.5.-18.6.1962, Nr. 5 (des Anhangs mit den Ergänzungen von Dr. Laurence Feininger, Karavellen (Caravels)).
L. Feininger. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Graphik, R. N. Ketterer, Campione d'Italia, 1965, Kat.-Nr. 6 (m. Farbabb.).
Lyonel Feininger 1871-1956: A Memorial Exhibition, Pasadena Art Museum, 26.4.-29.5.1966; Milwaukee Art Center, 10.7.-11.8.1966; Baltimore Museum of Art, 7.9.-23.10.1966, Kat.-Nr. 41 (verso mit dem Etikett).

LITERATUR: Hasn Hess, Lyonel Feininger. Mit einem Oeuvre-Katalog von Julia Feininger, Stuttgart 1959, Kat.-Nr. 356 (m. SW-Abb.).

Bodo Cichy, Great Modern Paintings, New York 1971, S. 92 (m. Abb., Caravels).
Danilo Curti-Feininger, Lyonel e Laurence Feininger. musica e pittura in armonia, in: Museo di Arte Moderna e Contemporanea di Trento e Rovereto (Hrsg.), Lyonel Feininger: Opere dalle collezioni private italiane, Ausst.-Kat. Genf/Mailand 2007, S. 23-32, hier S. 23 (Caravels).
Roman Norbert Ketterer, L. Feininger. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Graphik, Campione d'Italia 1965, Kat.-Nr. 6, S. 14f. (m. Farbabb.).
Roman Norbert Ketterer, Moderne Kunst II. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Lagerkatalog, Stuttgart 1965, Nr. 45 (Karavellen), S. 64f. (m. Farbabb.).
Roman Norbert Ketterer, Moderne Kunst IV, Lagerkatalog, Stuttgart 1967, Nr. 26 (Karavellen), S. 45 (m. Farbabb.).
Achim Moeller, “Caravels/(Karavellen), 1917 (Moeller 191).” Lyonel Feininger: The Catalogue Raisonné of Paintings, http://feiningerproject.org.
Laura Muir, Lyonel Feininger: Fotografien 1928-1939, Ausst.-Kat., Ostfildern 2011, S. 49 (Karavellen).
Hans Schulz-Vanselow, Lyonel Feininger und Pommern, Kiel 1999, S. 234 (Karavellen [Caravels]).




Die letzten Bauhaus-Jahre
Schon im Gründungsjahr berief Walter Gropius Lyonel Feininger als Meister ans Staatliche Bauhaus in Weimar. Hier übernimmt er bis 1925 die Leitung der grafischen Werkstätten und gestaltet unter anderem den Titel-Holzschnitt des Bauhaus-Manifests. Als sich die Meister aufgrund fehlender Finanzierung und politisch motivierter Schikanen entschließen, Thüringen zu verlassen, wechselt ein großer Teil der Studenten und Lehrkräfte an den neuen Standort in Dessau, unter ihnen auch Lyonel Feininger. In Dessau bezieht er mit seiner Frau Julia eines der von Walter Gropius entworfenen "Meisterhäuser", ist nun jedoch von seiner Lehrverpflichtung befreit. Ein großer Auftrag der Stadt Halle an der Saale sichert ihm über viele Jahre den Lebensunterhalt, und er findet wieder mehr Zeit, sich auf seine eigene Malerei zu konzentrieren. Architekturansichten und Landschaften entstehen, darunter Hauptwerke wie "Vogelwolke" von 1926 und "Gelmeroda XII" von 1929. Ganz anders als die berühmten transzendenten, kristallin aufgesplitterten Flächen der 1920er Jahre wirkt hingegen seine kleinformatige Arbeit "Karavellen" von 1933. Sie lässt sich einer kleinen Gruppe bemerkenswerter Arbeiten zuordnen, die auf Holzschnitten des Künstlers basieren. Fast statisch liegen das Segelschiff mit eingeholten Segeln und das kleine Beiboot in der Bildmitte, eingerahmt von harten, blockartigen Farbflächen in Magenta und Dunkelblau. Hans Hess führt diese Malweise zu Beginn der 1930er Jahre unter anderem auf die erdrückenden politischen und gesellschaftlichen Umstände der Entstehungszeit zurück. Dennoch seien in dieser Zeit einige bedeutende Werke entstanden, so Hess weiter, deren Motive und Ausführung aus früheren Schaffensphasen bekannt seien und ihre Kraft aus der visuellen Erinnerung des Künstlers zögen: "Ihren Geist und ihre Vollendung verdanken sie den Formen, die Feininger bereits gefunden hatte." (Hans Hess, Stuttgart 1959, S. 130).

In Dessau wird die Lage für die Bauhaus-Mitglieder von Jahr zu Jahr schwieriger. 1932 wird von den Nationalsozialisten die Schließung des staatlichen Bauhauses durchgesetzt und im März 1933 verlassen Lyonel und Julia Feininger die Stadt Dessau in Richtung Berlin. Ob das Gemälde "Karavellen" erst in Berlin oder noch in Dessau entsteht, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. In Berlin findet die Bauhaus-Zeit unter den zunehmenden Repressionen durch die Nationalsozialisten jedoch schließlich ihr Ende. Wie für so viele andere Künstler und Künstlerinnen seiner Generation wird auch Lyonel Feiningers Schaffen durch die politischen Umstände nahezu unmöglich, weshalb der gebürtige Amerikaner wenige Jahre später in die USA zurückkehren wird.

Visuelle Erinnerungen und gemalte Holzschnitte

Noch bevor Lyonel Feininger in Weimar die Leitung der grafischen Werkstätten übernimmt, setzt er sich nach Ende des Ersten Weltkriegs intensiv mit der Grafik auseinander. Insbesondere dem für die Entwicklung der modernen Kunst in Deutschland so wichtigen Holzschnitt widmet er einen Großteil seiner Aufmerksamkeit. Innerhalb weniger Jahre, zwischen 1918 und 1920, entsteht ein umfassendes grafisches Oeuvre, das ihm den Ruf eines der wichtigsten druckgrafischen Meister des 20. Jahrhunderts einbringen wird. In einem Brief an seinen Freund Alfred Kubin schreibt Feininger im Jahr 1919: "The only thing has been my starting with woodcuts, and in about six months I managed to produce more than 150 plates. The technique gives me the greatest delight and I've simply dropped everything else to concentrate on that." (zit. nach: Ulrich Luckhardt, Lyonel Feininger, München 1989, S. 114) Bereits in den darauffolgenden Jahren unternimmt er den Versuch, die charakteristische Linienführung und die Flächigkeit des Holzschnitts in die Malerei zu übertragen. Beispiele hierfür sind "The Privateers" von 1920 oder "Marine" aus dem Jahr 1924, das sich heute in der Sammlung des Centre Pompidou in Paris befindet. Das Gemälde hatte Feininger einst seinem Freund Wassily Kandinksy geschenkt, mit dem er 1924 zusammen mit Paul Klee und Alexej von Jawlensky die Ausstellungsgemeinschaft "The Blue Four" gegründet hatte, wodurch sich mit der Unterstützung von Galka Scheyer in Amerika neue Ausstellungsmöglichkeiten eröffneten. 1933 entstehen mit "Karavellen" und "Marine nach Holzschnitt" zwei weitere Arbeiten, die sich dieser bemerkenswerten Werkgruppe zuordnen lassen. Für "Karavellen" diente Feininger ein Holzschnitt von 1919 als Vorbild, der 1941 zusammen mit weiteren frühen Holzschnitten von Curt Valentin in New York herausgegeben wurde. Diese gemalten Holzschnitte zeugen dabei nicht nur von der großen Begabung Feiningers für die Technik des Holzschnitts, den er so meisterhaft beherrschte. Auch die Thematik der Schifffahrt, eines seiner zentralen Motive, wird hier aufgegriffen und mit starken Farben in die Malerei übertragen. Obwohl Motiv und Stil aus seinen Holzschnitten bekannt sind, gelingt es Feininger dabei, den Gemälden eine neue Ausdruckskraft zu verleihen und als eigenständige Werke zu positionieren. Fast scheint es, als würden die nur in Schwarz und Weiß gedruckten Holzschnitte durch die Malerei zum Leben erweckt und in eine neue Welt transferiert. Hans Hess beschreibt die beiden Arbeiten von 1933 mit den schönen Worten: "[..] in ihnen wird das Ding, ein Spielzeug-Boot auf einer Märchensee, als unbekanntes Objekt betrachtet. Die Wirklichkeit des Gegenstandes in seiner Einsamkeit wird zugleich verneint, das Schiff war nur ein Spielzeug, das ganze ein Traum, voll kindlicher Magie." (Hans Hess, Stuttgart 1959, S. 130).
Rückkehr nach Amerika und erste Ausstellungserfolge
Im Juni 1937 verlässt Lyonel Feininger mit seiner Frau Deutschland und kehrt nach Amerika zurück. Obwohl in Amerika geboren, muss sich Feininger nach der langen Zeit in Deutschland ein neues Leben in seiner alten Heimat aufbauen. Zwischen 1937 und 1938 entstehen keine neuen Werke, erst langsam findet der Maler neue Inspiration. Dank seines engen Kontakts zu Galka Scheyer, die bereits 1925 eine Ausstellung für "The Blue Four" in Amerika organisiert hatte, erhält Lyonel Feininger schließlich immer häufiger die Gelegenheit, seine Kunst der Öffentlichkeit zu präsentieren. Einen Teil seiner Werke konnte der Künstler auf die Überfahrt mitnehmen, andere werden an unterschiedlichen Orten in Deutschland zurückgelassen.

Das Gemälde "Karavellen" wird jedoch bereits 1936 und Anfang 1937 in Ausstellungen in den USA gezeigt und befindet sich vermutlich schon in Amerika, als der Künstler dorthin zurückkehrt. Im Sommer 1936 hatte Feininger in den Sommermonaten am Mills College in Oakland unterrichtet und für eine dortige Ausstellung auch die kleinformatigen "Karavellen" ausgewählt. In den Folgejahren ist das Gemälde ebenfalls wiederholt in großen Ausstellungen in den USA ausgestellt. Schon 1933 hatte Feininger darin in sphärischem Sonnenlicht einen Aufbruch ins Ungewisse inszeniert, der im Jahr 1937 mit der Rückkehr nach Amerika in seinem eigenen Leben Realität werden sollte. Mit einer Karavelle brach auch Kolumbus einst nach Amerika auf – verbindet Feininger dieses Motiv und die rot-blaue Farbigkeit mit seinem eigenen, bevorstehenden Aufbruch nach Amerika? Auch ohne eine Antwort auf diese Frage stehen die kleinen Karavellen als gemalte Holzschnitte somit nicht nur für die Verbindung unterschiedlicher Techniken, sondern letztlich auch als Brücke zwischen den Welten: zwischen der schwierigen Entstehungszeit in Deutschland unter den Repressionen der Nationalsozialisten und dem neuen Leben in Amerika. [AR]



51
Lyonel Feininger
Karavellen, 1933.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 300.000
Ergebnis:
€ 381.000

(inklusive Aufgeld)