Auktion: 22 / Online Sale am 15.04.2023 Lot 122000553


122000553
Ernst Ludwig Kirchner
Nackttänzerin, 1921.
Lithografie
Schätzung:
€ 5.000
Ergebnis:
€ 18.750

(inklusive Aufgeld)
Nackttänzerin. 1921.
Lithografie.
Gercken 1258 I (von II). Dube L 413 I (von II). Signiert, datiert "20" [sic] und bezeichnet "Handdruck " sowie "1.Druck ". Einziges bekanntes Exemplar des 1. Druckzustandes mit der noch schwarzen Treppenbrüstung rechts neben der linken Skulptur im Hintergrund. Auf leichtem, chamoisfarbenen Japan. 60 x 51 cm (23,6 x 20 in). Papier: 65,3 x 54,7 cm (25,7 x 21,5 in).
Die dargestellte Tänzerin ist Nina Hard. Die Lithografie zeigt eine Szene in Kirchner Haus "In den Lärchen" in Frauenkirch bei Davos. Im Hintergrund sind zwei Kirchner-Werke zu sehen, zum einen das Holzrelief "Tanz zwischen den Frauen" (Henze WVZ 1919/02a) und auf der Treppenbrüstung die Holzskulptur "Bube mit Beil. Junger Stafler mit Beil. Luzi Kindschi" (Henze WVZ 1919/05). [JS].
• Von Kirchner als "1. Druck" bezeichneter Handabzug dieser seltenen, großformatigen Lithografie und zudem das einzige bekannte Exemplar des ersten Druckzustandes.
• Darüber hinaus sind vier Exemplare des späteren, II. Druckzustandes bekannt, von denen sich zwei in Museumsbesitz befinden (Kirchner Museum, Davos; Städel Museum, Frankfurt a. Main).
• Herausragendes Zeugnis von Kirchners Begeisterung für den freien, modernen Ausdruckstanz.
• Die Tänzerin Nina Hard verbringt den Sommer 1921 mit Kirchner im "Haus in den Lärchen".
• Sehr selten. Es wurde noch kein weiteres Exemplar dieser Lithografie auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten (Quelle: artprice.com)
.

PROVENIENZ: Privatsammlung Süddeutschland (seit 2001: Lempertz, 4.12.2001, bis 2014: Ketterer Kunst, 6.6.2014).
Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (vom Vorgenannten erworben, verso mit dem Sammlerstempel, Lugt 6032).

AUSSTELLUNG: Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).

LITERATUR: Lempertz, Köln, Auktion 815, Moderne Kunst, 4.12.2001, Los 252 (m. Abb.) (dort fälschlicherweise als ein Abzug des II. Druckzustandes beschrieben).
Ketterer Kunst, München, Auktion 415, Klassische Moderne I, 6.6.2014, Los 333 (m. Abb.).
Vgl. Brigitte Schad (Hrsg.), Kirchners Kosmos. Der Tanz, Ausst.-Kat. KirchnerHAUS, Aschaffenburg 2018.

"Sie tanzte nur einen Sommer nackt durch das Atelier, den Wald am Sutzibachtobel, über die Terrassen und Bakone des Hauses 'In den Lärchen'. Die Tänzerin Nina Hard bringt 1921 eine erotische Note in das Leben des Malers und verhilft ihm zu 'tausend Ideen zu neuen Bilndern'."
Gerd Presler, Ernst Ludwig Kirchner. Seine Frauen, seine Modelle, seinen Bilder, München/New York 1998, S. 81.

Wie ein Bessener beschäftigt sich Kirchner immer wieder vorrangig in seinen Zeichnungen und Druckgrafiken mit der Motivik des Tanzes. 1909 etwa entsteht der expressionistische Holzschnitt "Tänzerin mit gehobenem Rock" oder 1911 die Farblithografie "Cake-Walk" (Städel Museum, Frankfurt a. Main). Anfänglich ist Kirchner fasziniert von der freien Bewegung der Figuren und der Form und Farbigkeit der Kostüme. Mit besonderer zeichnerischer Raffinesse widmet er sich zunächst vorrangig den Varieté-Tänzerinnen und Tanzsaalbesuchern des Berliner Nachtlebens. In den Folgejahren nimmt das erotische Moment mehr und mehr zu. Als Kirchner schließlich im Mai 1921 erstmals einen Auftritt Nina Hards in einem Züricher Nachtlokal sieht, ist er fasziniert von der Ungezwungenheit, der Unangepasstheit, der intensiven Erotik und dem Selbstbewusstsein der jungen, 1899 in Brasilien geborenen Tänzerin. Der von ihr verkörperte moderne Ausdruckstanz der 1920er Jahre führt das Thema der körperlichen Freiheit und sexuellen Ungezwungenheit für Kirchner in eine andere Dimension. Dagegen waren die Badenden an den Moritzburger Seen "nur" Akte in freier Natur, die Cancan-Tänzerinnen der Berliner Jahre "nur" wilde Tänzerinnen, deren Bewegungen jedoch noch einer vorgegebenen Choreografie folgten. Hards Ausdruckstanz ist dagegen reine Empfindung, Bewegung gewordene Emotion und damit Ausdruck absoluter Unkonventionalität und Freiheit. Kirchner lädt die bekannte Tänzerin daraufhin zu sich nach Davos ein. Sie verbringt mehrere Monate bis zum Ende des Sommers 1921 in Kirchners "Haus in den Lärchen". Im Zuge dieses Aufenthaltes entsteht neben Porträt- und Aktfotografien, Skizzen und dem berühmten Gemälde "Tänzerin Nina Hard" (Horst und Gabriele Seidle Kunststiftung, Furtwangen/Schwarzwald) auch unsere Lithografie, in der Kirchner den freien Bewegungsmoment von Hards nacktem Körper in besonderer Ausdrucksstärke festgehalten hat. Dieser historische Moment ist darüber hinaus in einem in der Sammlung des Kirchner Museums in Davos befindlichen Glasnegativ aus dem Nachlass des Künstlers dokumentiert, welches Nina Hard ebenfalls lediglich mit einem gestreiften Schurz bekleidet tanzend vor Kirchners Werken im ersten Obergeschoss des berühmten "Haus in den Lärchen" zeigt. Der vorliegende Abzug ist nicht nur laut Kirchners Bezeichnungen im Unterrand der erste Abzug, den der Künstler vor Ort per Hand ("Handdruck") von der mit energischem Strich auf den Lithografiestein gesetzten Zeichnung abgenommen hat, sondern darüber hinaus laut Gercken das einzige bekannte Exemplar des ersten Druckzustandes, bevor Kirchner die hier noch partiell schwarze Treppenbrüstung im Hintergrund für die Anfertigung der weiteren vier bekannten Abzüge des zweiten Druckzustandes aufgehellt hat, von denen sich heute einer in der Sammlung des Brücke-Museums, Berlin, und ein weiterer in der Sammlung des Städel Museum, Frankfurt a. Main befindet. [JS]

In guter Erhaltung. Minimal gebräunt. Vorrangig in den Randbereichen teils minimal berieben und mit wenigen winzigen Braunfleckchen. Mit vereinzelten schwachen Knickspuren in den Rändern sowie im oberen Rand der Darstellung mit einer sehr schwachen horizontalen Knickspur. Die Ränder und Kanten teils minimal angeschmutzt sowie mit vereinztelten, teils fachmännisch aufgefüllten Papierausdünnungen, bzw. fachmännisch geschlossenen Risschen.
Nähere Informationen zum Zustand entnehmen Sie bitte der Großdarstellung / Abbildung Rückseite.



122000553
Ernst Ludwig Kirchner
Nackttänzerin, 1921.
Lithografie
Schätzung:
€ 5.000
Ergebnis:
€ 18.750

(inklusive Aufgeld)