Auktion: 550 / Evening Sale am 07.06.2024 in München Lot 124000225


124000225
Gotthard Graubner
Farbraumkörper, 1992-1996.
Mischtechnik auf Leinwand über Synthetikwatte a...
Schätzpreis: € 150.000 - 250.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Farbraumkörper. 1992-1996.
Mischtechnik auf Leinwand über Synthetikwatte auf Leinwand.
Verso signiert und datiert. 110 x 110 x 16 cm (43,3 x 43,3 x 6,2 in). [JS].

• Innovative Ästhetik: Graubners berühmte "Farbraumkörper" sprengen die Grenzen des klassischen Tafelbildes.
• Maximal befreite, offene und tiefe Farbwirkung von faszinierender räumlicher Präsenz.
• Graubners dreidimensionale "Farbraummalerei" wird zu seinem künstlerischen Alleinstellungsmerkmal.
• Vier Jahre vor Entstehung der vorliegenden Arbeit hat Graubner die beiden berühmten "Farbraumkörper" für das Berliner Schloss Bellevue geschaffen.
• Zuletzt würdigte u. a. das MKM Museum Küppersmühle in Duisburg Graubners Œuvre in der Ausstellung "Farbe Absolut. Katharina Grosse x Gotthard Graubner" (2019/20).
• Vergleichbare Arbeiten finden sich im Städel Museum, Frankfurt a. Main, in der Sammlung zeitgenössische Kunst der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, sowie in der Neuen Nationalgalerie, Berlin
.

PROVENIENZ: Galerie Karsten Greve, Köln (auf dem Keilrahmen mit dem Etikett).
Privatsammlung (vom Vorgenannten erworben, bis 2017: Christie's, 12.12.17, Los 48).
Privatsammlung Süddeutschland (2017 vom Vorgenannten).

LITERATUR: Christie's, Amsterdam, Auction 14879, Post War and Contemporary Art, 13.12.2017, Los 48 (m. Abb.).

"Die Oberflächen zeigen offene, oftmals wolkige, bewegte, entgrenzte Strukturen, sind nicht verfestigt und gewährleisten einen stetigen Austausch zwischen innen und außen, gleich einer regelmäßigen Atmung. Die Malereien entfalten sich durch die Farbe zu einer spürbaren Sinnesempfindung."

Julia Mattern, Wandlungen/Transformations, in: Gotthard Graubner. Mit den Bildern atmen / Breathing with the Paintings, Köln 2018, S. 22.

Vier Jahre vor Entstehung der vorliegenden Arbeit hat Gotthard Graubner die beiden riesigen "Farbraumkörper" der "Begegnungen" für den Amtssitz des Bundespräsidenten im Berliner Schloss Bellevue geschaffen, die, in Violett und Gelb gehalten, bis heute die beiden Stirnseiten des Großen Saales schmücken und mit ihrem gewaltigen Farbklang den Raum füllen. Während Graubner seine frühen Kissenbilder zunächst noch mit feinen Nylongeweben bespannt, verwendet er für seine späteren, großformatigeren "Farbraumkörper" wie auch in unserer leuchtenden Arbeit zunehmend feste Leinwandgewebe, die er mit Polsterwatte hinterfüttert. Der eine wolkige Farbtiefe erzeugende Farbauftrag erfolgt meist mit verschiedensten, besenartigen Pinseln auf den am Boden liegenden Bildträger. Um die Vielschichtigkeit und Tiefe der einzelnen Farbwerte – wie in unserer herausragenden Arbeit ein nuanciert verdichtetes Grün – zu einem "Farbraumkörper" von oszillierender Wirkung und einzigartiger ästhetischer Präsenz zu steigern, erfordert es zahlreiche Trocknungsprozesse sowie eine besondere kompositionelle Sensibilität, die Graubners malerisches Schaffen in entscheidender Weise auszeichnet. Zunächst in Aquarellen, dann auch auf der Leinwand erprobt Graubner Formen des Farbauftrags, die den vielfach verdichteten Farbschichten eine Priorität gegenüber der begrenzenden Form der Bildränder sichern. Um die räumliche Wirkung der Farbflächen zu verstärken, verlegt sich Graubner sodann bereits Anfang der 1960er Jahre darauf, bildgroße Farbkissen mit Perlongewebe zu überspannen. Durch das vorherige Tränken und Bemalen der Stoffkissen mittels mehrerer Lagen verdünnter Acrylfarben schafft Graubner eine fluktuierende, atmende Verdichtung gleich einem auf den Betrachter zugreifenden Farbraum. Und so ersetzt Graubner schließlich 1970 die älteren Werkbezeichnungen "Farbleib" bzw. "Kissenbild" durch die Bezeichnung "Farbraumkörper". Diese beeindruckenden malerischen Schöpfungen werden zuerst vom bedeutenden Düsseldorfer Galeristen Alfred Schmela ausgestellt, der in den 1960er Jahren auch als einer der ersten die jungen "ZERO"-Künstler und 1964 die erste Einzelausstellung Gerhard Richters in seiner Galerie präsentiert. Graubner ist ein progressiver Sonderling und doch zugleich Kind seiner Zeit, wenn man sich bewusst macht, dass Frank Stella ebenfalls in den 1960er Jahren mit seinen "shaped canvases" danach strebt, die Grenzen des klassischen Tafelbildes zu sprengen und damit – wie Graubner – die größtmögliche Kongruenz zwischen Form und Inhalt zu erreichen. 1968 ist Graubner mit seinen frühen "Kissenbildern" auf der documenta in Kassel vertreten.1969 erhält Graubner eine Professur an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Graubner ist schließlich seit den 1980er Jahren in seinen großformatigen "Farbraumkörpern" eine maximale Entgrenzung der Farbwirkung gelungen, von der die vorliegende Arbeit ein faszinierendes Zeugnis gibt. Die grobe Leinwand unterstützt in ihrer Struktur die reine, gänzlich von den Grenzen der Form befreite Wirkung der Farbe. Sie tritt nicht plan auf, sondern skulptural, kann sich entfalten und eine verborgene, ganz leicht angedeutete plastische Wirkung erreichen. Aufgrund dieser innovativen Ästhetik seiner dreidimensionalen Malerei gelten Graubners "Farbraumkörper" als der zentrale Werkkomplex im Œuvre des Künstlers. [JS]



124000225
Gotthard Graubner
Farbraumkörper, 1992-1996.
Mischtechnik auf Leinwand über Synthetikwatte a...
Schätzpreis: € 150.000 - 250.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.