Auktion: 266 / Wertvolle Bücher am 06./07.05.2002 Lot 624




624
Flex, W.
11 Briefe und Postkarten
Schätzung:
€ 400
Ergebnis:
€ 518

(inkl. Käuferaufgeld)
Flex, Walter, Schriftsteller, Verfasser des Kultbuches "Wanderer zwischen beiden Welten",1887-1917. 7 eigh. Briefe m. U. und 4 eigh. Postkarten m. U. Meist Varzin, ferner Friedrichsruh, Eisenach und St. Moritz, 8. I. 1910 bis 2. II. 1913. Zus. 43 S. 8vo. und Quer-Kl.-8vo.
Inhaltsreiche und persönliche Briefe an seinen Freund Carl Nernhaus in Straßburg, überwiegend aus seiner Zeit in Varzin, wo er als Hauslehrer den Enkel Bismarcks unterrichtete. "...Du frägst nach meinen litterarischen Arbeiten. Ich weiß nicht genau, wie viel ich dir davon schon geschrieben habe. Meinen 'Lothar' schicke ich dir vielleicht einmal in einer Maschinenabschrift. Er ist nun schon seit Monaten fertig, und ich halte ihn immer noch für das Beste, was mir gelungen ist. Das ist mir ein gutes Zeichen. Ich will ihn für den Druck einer kleinen theoretischen Abhandlung über das tragische Prinzip hergeben. Zwischenhindurch springt der lyrische Born etwas, meist sind es meine Naturgedichte, die ich für zum Teil recht gelungen halte, weil sie die Anschauung zum Mythos umbilden, und wenn dieses subjektive Wollen in ihnen wirklich in objektive Wirkung umgesetzt wäre, so müssten sie wohl gut sein, denn diese Art rührt an das anfängliche Geheimnis aller Kraft. Eins will ich dir hierhersetzen: Der Tag kommt! / Im Osten über der schroffsten Wand / Schwingt der Morgen den lodernden Brand, / Das Feuersignal: / Merkt auf im Tal! / Der König kommt über die Berge ins Land! - Ein Windstoß. Ein Bote auf schwebendem Roß / Braust vom Berge. Ein Zweiter. Hurtig, genoß! / Vorüber auch der. / Und nun stürmt er daher / Der Tag mit seinem lärmenden Troß! - Dein Urteil würde mich interessieren. Schließlich kristallisiert sich in diesen kleinen Gebilden die dichterische Kraft am meisten aus, weil Stoff und Form in ihnen beinahe eine Einheit bilden. - Von größeren Arbeiten beschäftigen mich gegenwärtig eine Dramatisierung des 'Schwarmgeist', die allerdings mehr eine völlige Neuschöpfung wäre, da der epische Charakter des Schwarmgeist-Münzer in die dramatische Form nicht zu pressen ist, und eine neue historische Novelle 'Meister Arnold', wiederum ein historisch-religiöses Sujet, diesmal aus dem 13. Jahrhundert. - Von der Familie Bismarck könnte ich dir viel erzählen. Aber über Menschen kann man eigentlich nur reden oder man muß Bücher schreiben. In einem Brief wird man ihnen nicht gerecht. Aber soviel wird dich wohl interessieren, daß in der Gräfin meiner Meinung nach - sie ist ja mütterlicherseits eine Bismarck - der Tropfen Menkenschen Blutes sehr stark charakterbildend hervorgetreten ist. Sie ist eine sehr energische, sehr gescheite, herrische Persönlichkeit, die ich an ihr selbst sehr bewundere, der ich aber mit der Zeit fast etwas gram geworden bin, weil ich immer mehr sehe, wie wenig sie im Stande ist, ihren Kindern ein gemütliches Heim zu schaffen. Dabei hängt sie zweifellos unendlich an den Kindern, besonders an Klaus, aber diese Liebe wärmt das Herz des Kindes nicht auf. Ob es wohl mit Bismarcks Mutter, über die man soviel schreibt, am Ende ähnlich war? Mit Klaus selbst bin ich so glücklich gefahren, wie irgend denkbar. Der Junge, in dem ich zuerst doch ausschließlich Bismarcks Enkel sah, ist mir um seiner selbst willen unendlich lieb geworden: eine wahrhafte, tapfere Jungensnatur und dabei ein durch und durch preziöses Bürschchen, liebenswürdig und empfänglich und in jedem Zug er selbst. Mischst du noch einen raschen Hang zum Jähzorn und etwas Eigenwilligkeit - die friedlichen Gewalten, mit denen ich Krieg führe - hinzu, so hast du ein ziemlich treues Bild seines Charakters. (...) Wie sich jemand mit Lyrik und Philosophie beschäftigen mag, versteht er so wenig, wie wir uns in den Kopf irgend eines wunderlichen Heiligen aus dem Hindu-Lande versetzen können. Für Drama und Epos aber war er doch überraschend schnell erwärmt, anfänglich warf er alle Dichter und alles Dichten in einen Topf der wunderlichen Käuze. Jetzt kommt er doch öfter zu mir, mit der Bitte, ihm vorzulesen..." (12. II. 1911). - 1 Bl. mit Eckabriß. - Beilieg. eigh. Briefentwurf von Nernhaus an Flex.




624
Flex, W.
11 Briefe und Postkarten
Schätzung:
€ 400
Ergebnis:
€ 518

(inkl. Käuferaufgeld)