Auktion: 415 / Klassische Moderne am 06.06.2014 in München Lot 327

 

327
Ernst Ludwig Kirchner
Zwei Männer (Selbstbildnis (?) mit Dr. Bauer), Um 1923.
Kreidezeichnung
Schätzung:
€ 14.000
Ergebnis:
€ 28.750

(inkl. Käuferaufgeld)
Zwei Männer (Selbstbildnis (?) mit Dr. Bauer). Um 1923.
Farbige Kreidezeichnung.
Verso mit dem Nachlassstempel des Kunstmuseums Basel (Lugt 1570b) und der handschriftlichen Registriernummer "Fs Da/Bi 33". Auf chamoisfarbenem Zeichenpapier. 50,5 x 34 cm (19,8 x 13,3 in), Blattgröße. [KP].

Dieses Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv Wichtrach/Bern dokumentiert.

PROVENIENZ: Nachlass des Künstlers.
Privatsammlung Süddeutschland.

Nach dem Abschluss eines Architekturstudiums in Dresden, während dem Ernst Ludwig Kirchner Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff kennenlernt und mit diesen bereits künstlerisch zusammenarbeitet, entscheidet sich Ernst Ludwig Kirchner gegen den Wunsch seines Vaters ganz für die Malerei. Der intensive Austausch der vier Freunde führt 1905 zur Gründung der Künstlergemeinschaft "Die Brücke" - mit dem Ziel "alle revolutionären und gärenden Kräfte an sich zu ziehen" (Schmidt-Rottluff). Die Künstler beginnen mit den "Viertelstundenakten", den Zeichnungen nach Aktmodellen im Atelier oder in der Natur. Die Gruppe orientiert sich zunächst an Künstlern des Spätimpressionismus. Die Entdeckung der Fauves, der Südsee-Kunst und van Goghs führt die Maler zum Expressionismus. Infolge der Begegnung mit der Kunst der italienischen Futuristen verändert sich der Malstil der Gruppe um 1910, er wird "härter". Ernst Ludwig Kirchner studiert die Plastik im Dresdner Völkerkundemuseum. Unter diesem Eindruck haut und schneidet Kirchner Holzplastiken. 1911 übersiedelt Ernst Ludwig Kirchner nach Berlin. Die Großstadt bietet ihm eine Fülle neuer Motive, die Kirchner in vereinfachten, scharf konturierten Formen, expressiven Zügen und grellen Farbkontrasten umsetzt. Diese Großstadtbilder werden zu Inkunabeln des Expressionismus und machen Ernst Ludwig Kirchner zu einem der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. 1917 lässt sich Ernst Ludwig Kirchner in Frauenkirch bei Davos nieder. In der Konsequenz ergänzt Kirchner die Großstadtbilder durch Gebirgslandschaften und Darstellungen ländlichen Lebens.

Die großformatige Kreidezeichnung ist weder dem ländlichen noch dem städtischen Kontext auf den ersten Blick eindeutig zuzuweisen, könnte es sich doch einerseits um vornehme Herren im Alltag der Großstadt oder sonntäglich fein gekleidete Männer im ländlichen Gebiet, möglicherweise auch um ein Selbstbildnis Kirchners mit Dr. Bauer, handeln. Unabhängig davon beeindruckt einmal mehr Kirchners flüssiger, schwungvoll gesetzter Strich, der in meisterlicher Beherrschung von Kontur und Binnenstrukturierung die alltägliche Szene erfasst. Kirchner nutzt dabei die komplette Höhe des Blattes aus, was den Protagonisten eine dominante Präsenz verschafft. Zugleich definiert Kirchner mit nur wenigen Strichen den Bildhintergrund und gibt der Szene Raum und Volumen. Einmal mehr zeigt sich: Zeichnen ist für Kirchner ein elementares Bedürfnis, dem er in seiner Weise exzessiv huldigt.

Neben dem zeichnerischen Œuvre, das in seiner Stellung singulär ist, entsteht ein bedeutendes grafisches Werk in Form von Holzschnitten, Lithografien und Federzeichnungen. 1923 zieht Ernst Ludwig Kirchner in das "Haus auf dem Wildboden" am Eingang zum Sertigtal, wo er bis zu seinem Freitod im Jahr 1938 lebt und arbeitet.




327
Ernst Ludwig Kirchner
Zwei Männer (Selbstbildnis (?) mit Dr. Bauer), Um 1923.
Kreidezeichnung
Schätzung:
€ 14.000
Ergebnis:
€ 28.750

(inkl. Käuferaufgeld)