Auktion: 400 / Moderne Kunst am 08.12.2012 in München Lot 82

 

82
Ernst Barlach
Der Buchleser (Lesender Mann im Wind), 1936.
Bronze
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 61.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Der Buchleser (Lesender Mann im Wind). 1936.
Bronze mit dunkelbrauner Patina.
Schult 473. Laur 600/2 (von 3). Rückseitig unten rechts bezeichnet: E. Barlach. Unten rechts mit dem Gießerstempel: "H. Noack Berlin". Eines von 31 Exemplaren, die seit 1939 gegossen wurden. 45,3 x 21 x 33,5 cm (17,8 x 8,2 x 13,1 in).
Sorgfältiger Guss mit differenzierter Flächenbehandlung.

PROVENIENZ: Privatsammlung Deutschland.

AUSSTELLUNG: Ernst Barlach. Deutsche Akademie der Künste, Berlin, Dezember 1951 - Februar 1952, Kat.Nr. 76 (mit Abb. o.S., anderes Exemplar).
Jeweils andere Güsse befinden sich im Bestand folgender Museen:
Neue Nationalgalerie, Berlin.
Sprengel Museum, Hannover.
Stiftung Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf.
Staatliches Museum, Schwerin.

Die Ausbildung des norddeutschen Bildhauers und Grafikers Ernst Barlach beginnt in Hamburg. Hier besucht er ab 1888 die Gewerbeschule. 1891 führt ihn sein Weg an die Dresdner Akademie, wo er seine Studien im Fach Bildhauerei fortsetzt und Meisterschüler von Robert Diez wird. Gefestigt wird Barlachs gründliche akademische Ausbildung durch zwei Studienaufenthalte in Paris 1895 und 1897. Eine 1906 unternommene Russlandreise beeinflusst sein künstlerisches Schaffen nachhaltig. Die Eindrücke des urwüchsigen Bauerntums und der russischen Volkskunst schlagen sich fortan in der kraftvollen und volksnahen Gestaltungsweise seiner Skulpturen nieder. Daneben entstehen in diesen Jahren grafische Illustrationszyklen zu eigenen Dramen. 1910 lässt Barlach sich in Güstrow (Mecklenburg) nieder. 1917 findet Barlachs erste Ausstellung bei Paul Cassirer in Berlin statt, 1919 wird er als Ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin aufgenommen. In den folgenden Jahren entstehen zahlreiche Holzschnitte, u.a. zu Goethes "Walpurgisnacht". 1928 erscheint Barlachs Autobiografie "Ein selbsterzähltes Leben". Eine umfangreiche Ausstellung seiner plastischen und grafischen Arbeiten ist 1930 in der Preußischen Akademie der Künste in Berlin zu sehen. 1933 wird dem Künstler der Orden Pour le mérite verliehen. Noch 1935 vollendet Barlach den "Fries der Lauschenden" im Auftrag von Hermann F. Reemtsma und entwirft ein Grabmal für Theodor Däubler.

In seinen Plastiken hat sich Ernst Barlach nahezu ausschließlich auf die menschliche Figur konzentriert, um ihr in seinem Gestaltungswillen zutiefst humane Züge zu verleihen. Vom Formengut des ausgehenden Jugendstil kommend, findet Barlach zu einem sehr eigenen Stil, der viel über seine Verwurzelung im Menschlichen offenbart. Keinem klassischen Ideal folgend, formte Barlach in seinen Plastiken ein Menschenbild der Gegenwart des Alltäglichen mit seinen Erhabenheiten und Schrecken. Das Massiv-Plastische, dessen sich Barlach bedient, unterstützt seinen Willen nach Erdverbundenheit, nach Wirklichkeitsnähe im Gegensatz zu der idealisierten Menschengestaltung der Generationen vor ihm. Barlach hat den Menschen nicht neu geschaffen, er hat ihn nur so gestaltet und geformt, wie er ihn sah und empfand. Auch der Buchleser im Wind ist trotz aller Symbolhaftigkeit eine Gestalt des Hier und Heute, die in der Würde des Seins ihre Erfüllung findet.

In den folgenden Jahren wird Barlach von den Nationalsozialisten verfemt. 1937 werden seine Werke aus Museen, Kirchen und von öffentlichen Plätzen systematisch entfernt. Heute gilt Ernst Barlach als einer der bedeutendsten Bildhauer der Klassischen Moderne. Hervorragende Beispiele seiner expressionistischen Holz- und Bronzefiguren sind im Güstrower Dom, in der Marburger Elisabethkirche und in der Nationalgalerie Berlin zu sehen. Sein Wohn- und Atelierhaus in Güstrow ist heute als Museum zugänglich. [KD].




82
Ernst Barlach
Der Buchleser (Lesender Mann im Wind), 1936.
Bronze
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 61.000

(inkl. Käuferaufgeld)