Auktion: 400 / Moderne Kunst am 08.12.2012 in München Lot 65

 

65
Heinrich Zille
Auf dem Rummel, 1918.
Mischtechnik
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 61.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Auf dem Rummel. 1918.
Mischtechnik. Gouache, Aquarell, Kreide- und Tuschfederzeichnung.
Rechts unten signiert und datiert. Auf Papier. 42,3 x 60,5 cm (16,6 x 23,8 in), blattgroß.
Dieses Blatt stellt in seiner schönen, farbigen und detailreichen Ausführung ein seltenes Exemplar im Gesamtwerk des Künstlers dar. Eine der seltenen großformatigen Papierarbeiten des Künstlers auf dem internationalen Auktionsmarkt.

Wir danken Herrn Detlev Rosenbach, Hannover, für die freundliche Auskunft.

PROVENIENZ: Privatsammlung Berlin.

Heinrich Zille wird 1858 als Sohn des Uhrmachers und Grobschmiedes Johann Zill in Radeburg bei Dresden geboren. Theodor Hosemann, klassischer Meister Altberliner Malerei und Illustrationskunst, prägt Zilles künstlerischen Werdegang nachhaltig. Seit 1877 arbeitet Zille in der "Photographischen Gesellschaft", einer grafischen Werkstatt, die vor allem Gebrauchsgrafik und Trivialkunst produziert. Aus dem selben Jahr datiert seine erste Lithografie. Erste sozialkritische Zeichnungen entstehen. Etwa zu Beginn der 1890er Jahre beginnt der Handwerker Zille seine eigene, ernsthaft betriebene künstlerische Arbeit. Neben dem kontinuierlich wachsenden zeichnerischen Werk entsteht eine immer wieder unterbrochene Reihe von Radierungen zu unterschiedlichsten Themen. Ab 1894 fotografiert er in den Straßen Berlins, auf Volksfesten und in den Ateliers befreundeter Künstler. Er wird selbst Teil der avantgardistischen Kunstszene Berlins, lernt u.a. Max Liebermann, August Gaul und Käthe Kollwitz kennen. 1901 werden seine Arbeiten erstmals in der Ausstellung "Zeichnende Künste" der Berliner Sezession gezeigt, wo er seitdem ständig vertreten ist. Ein Jahr später bestreitet er seine erste Einzelausstellung und wird, protegiert von Liebermann, 1903 Mitglied der "Berliner Sezession". Zille ist in erster Linie als Zeichner für die Publikation tätig, arbeitet für den "Simplicissimus", die "Lustigen Blätter", "Jugend" und "Ulk". Es erscheinen zahlreiche Mappen mit seinen Zeichnungen, so etwa 1905 die Mappe "Zwölf Künstlerdrucke" mit Heliogravüren nach Handzeichnungen und Radierungen, die ihn als einen der besten deutschen Zeichner schnell bekannt macht. Als er 1907 aus der "Photographischen Gesellschaft" entlassen wird, arbeitet er fortan als freischaffender Künstler. Seine Grafiken, stets von hohem technischen Können geprägt, haben zunächst eher privaten Charakter. Erst ab 1907 fertigt er Abzüge älterer Platten für den Kunsthandel und arbeitet an grafischen Zyklen wie "Zwanglose Geschichten und Bilder" oder "Landpartie".

Nur in den frühen Jahren aquarelliert Zille seine Arbeiten, später nur noch ab und an, er scheut die Farbe, genügt es ihm doch, locker aus dem Handgelenk mit Blei, Kohle oder Kreide seine Skizzen und Zeichnungen auszuführen. Mit menschlichem Kennerblick erfasst er die Szenen in seinem "Miljöh" und setzt zudem noch eine treffende Bemerkung darunter, eine Kombination von Linie und Wort, die wohl von keinem Künstler seiner Zeit zu solch genialer Könnerschaft gebracht wird. Nicht nur die galgenhumorige Darstellung des Proletarierviertels, sondern auch dessen "Amüsemang" findet sein Interesse. Zirkusvorführungen, Badeanstalten oder, wie in unserem Blatt, der Rummelplatz zeigen, dass Zille trotz aller Not dem Leben auch immer eine gute Seite abgewinnen will.

1924 wird er als ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Künste berufen und zum Professor ernannt. Zu seinem 70. Geburtstag wird er mit der Ausstellung "Zilles Werdegang" im Märkischen Museum Berlin geehrt, das zudem 100 seiner Arbeiten erwirbt. Zille stirbt 1929 und wird auf dem Stahnsdorfer Friedhof bei Potsdam beigesetzt.
Seine Werke werden in öffentlichen und privaten Sammlungen in aller Welt aufbewahrt und seit 2002 existiert mit dem Heinrich-Zille-Museum in Berlin auch endlich ein ständiger Ausstellungsort für "diesen Mann, der die reinste Inkarnation Berlins verkörpert" (Kurt Tucholsky). [DB].




65
Heinrich Zille
Auf dem Rummel, 1918.
Mischtechnik
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 61.000

(inkl. Käuferaufgeld)