Auktion: 407 / Post War/ Zeitgenössische Kunst am 08.06.2013 in München Lot 296

 

296
Richard Hamilton
Sunset (b), 1974.
Pastell
Schätzung:
€ 25.000
Ergebnis:
€ 36.600

(inkl. Käuferaufgeld)
Sunset (b). 1974.
Pastell.
Rechts unterhalb der Darstellung signiert und datiert, links betitelt. Auf bräunlichem Bütten. 31 x 39,8 cm (12,2 x 15,6 in), Blattgröße.

PROVENIENZ: Privatsammlung Niedersachsen.

LITERATUR: Gesine Tosin, Richard Hamilton: "Path of Romance". Die skatologischen Werke der 70er Jahre. Soft pink landscape und Soft blue landscape, Flowerpiece I-III, Sunrise und Sunset, Dissertation 2007, S. 92-94 (mit Farbabb. S. 93).

Richard Hamilton kommt am 24. Februar 1922 in London zur Welt. Bereits als Teenager besucht er Kunst-Abendkurse, bevor er von 1938 bis 1940 an der Royal Academy School Malerei studiert und seinen Lebensunterhalt durch Jobs in der Werbebranche verdient. 1941 bis 1945 arbeitet Hamilton als Industriedesigner. 1946 nimmt er sein Studium für Malerei an der Royal Academy School wieder auf, wird jedoch im Juli ausgeschlossen, da er sich den Anweisungen seiner Lehrer widersetzt. Es folgt ein Studium an der Slade School of Art in London von 1948 bis 1951, wo er sich vorwiegend mit dem Medium der Radierung beschäftigt. Seine Auseinandersetzung mit James Joyces' Roman "Ulysses", den er erstmals 1948 illustriert, prägt Hamiltons Bildverständnis. 1952 gründet Richard Hamilton unter anderem zusammen mit Eduardo Paolozzi, Lawrence Alloway und einigen Architekten die Independent Group am Institute of Contemporary Arts in London, die für die Entstehung der englischen Pop Art maßgeblich wird. Zu dieser Zeit lehrt er an der Central School of Arts and Crafts, London, sowie von 1957 bis 1961 am Royal College of Art. 1956 entsteht, ursprünglich als Plakat für die legendär gewordene Ausstellung "This is tomorrow" gedacht, sein berühmtestes Werk "Just what is it that makes today's homes so different, so appealing?". Die Collage, die sich kritisch mit den Massenmedien und der Konsumgesellschaft auseinandersetzt, gilt als Beginn der englischen Pop Art. Nach einer Reise nach New York im Jahr 1963 beginnt er, fotografische und malerische Elemente in seinen Bildern zu kombinieren.

Mitte der 1970er Jahre entsteht ein Werkkomplex, in dem Hamilton Landschafts- und Blumensujets mit skatologischen Motiven kombiniert. Eine dieser Arbeiten, in denen Exkremente prominent inszeniert sind, ist das in unserer Auktion angebotene, in seinem kräftigen Kolorit überaus faszinierende Pastell. Die außerordentliche Bedeutung dieser Arbeiten liegt nicht nur in ihrer zeichnerischen Finesse, sondern darüber hinaus in ihrer kunsttheoretischen Relevanz, gelingt es Hamilton doch zunächst, den Betrachter dadurch zu irritieren, dass er in der klassischen Gattung der Landschaftdarstellung im Bildvordergrund Fäkalien darstellt. Dieses Moment der Provokation wiederum schlägt den Bogen zurück zur Pop Art, in der das Banale zum bildwürdigen Sujet erhoben wird. Schließlich sind diese Arbeiten Hamiltons in den Umkreis der sogenannten "Abject Art" einzubetten, einer Kunstform, in der tabuisierte Themen, Materialien und Substanzen dargestellt werden, die im Rückgriff auf Julia Kristevas Abhandlung "Pouvoirs de l'horreur. Essai sur l'abjection" (1980) als "Abjekte" bezeichnet werden. (Vgl. zu dieser Thematik Gesine Tosin, Richard Hamilton: "Path of Romance", 2007, S. 6-9 und S. 108-111).

In den 1980er Jahren beschäftigt sich Hamilton intensiv mit den Möglichkeiten der digitalen Medien und deren Auswirkungen auf die Bildwahrnehmung und die Bildende Kunst. 1992 zeigt die Tate Gallery in London eine Retrospektive, 2003 das Museum Ludwig in Köln eine zusammen mit dem Künstler gestaltete Werkschau mit dem Titel "Introspektive". 1993 vertritt Richard Hamilton Großbritannien auf der Biennale in Venedig. Richard Hamilton stirbt 2011 in London. [KP].




296
Richard Hamilton
Sunset (b), 1974.
Pastell
Schätzung:
€ 25.000
Ergebnis:
€ 36.600

(inkl. Käuferaufgeld)