Auktion: 409 / Klassische Moderne und Seitenwege der dt.Avantgard am 06.12.2013 in München Lot 323

 

323
Ernst Ludwig Kirchner
Stilleben mit Enzian und Türkenbund, 1920.
Aquarell
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 48.800

(inkl. Käuferaufgeld)
Stilleben mit Enzian und Türkenbund. Um 1920.
Aquarell und schwarze Kreide.
Rechts unten signiert. Auf strukturiertem Velin. 46,8 x 59,6 cm (18,4 x 23,4 in), blattgroß.

Das Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv, Wichtrach/Bern dokumentiert.

PROVENIENZ: Stuttgarter Kunstkabinett R.N. Ketterer, 20.5.1958, Auktion 31, Lot 491.

Nach dem Abschluss eines Architekturstudiums in Dresden, während Ernst Ludwig Kirchner Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff kennenlernt und mit diesen bereits künstlerisch zusammenarbeitet, entscheidet sich Ernst Ludwig Kirchner gegen den Wunsch seines Vaters ganz für die Malerei. Der intensive Austausch der vier Freunde führt 1905 zur Gründung der Künstlergemeinschaft "Brücke" mit dem Ziel "alle revolutionären und gärenden Kräfte an sich zu ziehen" (Schmidt-Rottluff). Die Künstler beginnen mit den "Viertelstundenakten", den Zeichnungen nach Aktmodellen im Atelier oder in der Natur. Die Gruppe orientiert sich zunächst an Künstlern des Spätimpressionismus. Die Entdeckung der Fauves, der Südsee-Kunst und van Goghs führt die Maler zum Expressionismus. Infolge der Begegnung mit der Kunst der italienischen Futuristen verändert sich der Malstil der Gruppe um 1910, er wird "härter". Ernst Ludwig Kirchner studiert die Plastik im Dresdner Völkerkundemuseum. Unter diesem Eindruck haut und schneidet Kirchner Holzplastiken. 1911 übersiedelt Ernst Ludwig Kirchner nach Berlin. Die Großstadt bietet ihm eine Fülle neuer Motive, die Kirchner in vereinfachten, scharf konturierten Formen, expressiven Zügen und grellen Farbkontrasten umsetzt. Diese Großstadtbilder werden zu Inkunabeln des Expressionismus und machen Ernst Ludwig Kirchner zu einem der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die folgenden Jahre bedeuten einen Wendepunkt in Kirchners Leben. Die Kriegsereignisse und der Militärdienst stürzen Kirchner in existenzielle Angst, führen letztlich zu Krankheit und langen Sanatoriumsaufenthalten. Um so bemerkenswerter ist seine künstlerische Produktion in dieser Zeit. Es entstehen Werke wie der Holzschnitt "Frauen am Potsdamer Platz", die "Bilder zu Chamissos Peter Schlemihl", die Selbstporträts und Holzschnittbildnisse aus den Sanatorien, die zu den Höhepunkten seines Œuvres zählen. 1917 lässt sich Ernst Ludwig Kirchner in Frauenkirch bei Davos nieder. Den Großstadtbildern folgen nun Gebirgslandschaften und Darstellungen ländlichen Lebens.

Das Aquarell erinnert in seiner Komposition an das "Stilleben mit ovalem Tisch" (Gordon 548), das um 1918/19 entstanden ist. Die Aufsicht auf den ovalen Tisch mit Schalen und die ornamentale Wandbespannung finden ihre Entsprechung. Ernst Ludwig Kirchners Freude an der alpinen Flora zeigt sich auch in etlichen Gemälden der Zeit, auf denen die Blumen klar charakterisiert sind. Um 1920 beruhigt sich seine expressive Malweise, die Bilder erhalten eine stärkere Konzentration auf die Zweidimensionalität, die sich auch hier zeigt. Der Blumenstrauß mit dem alpinen Bergenzian ist ohne Tiefe vor den flächig skizzierten Hintergrund gestellt und fügt sich so in die schwungvolle Komposition mit ihren ornamentalen Andeutungen ein.

1923 zieht Ernst Ludwig Kirchner in das "Haus auf dem Wildboden" am Eingang zum Sertigtal, wo Kirchner bis zu seinem Freitod im Jahr 1938 lebt und arbeitet. [EH].




323
Ernst Ludwig Kirchner
Stilleben mit Enzian und Türkenbund, 1920.
Aquarell
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 48.800

(inkl. Käuferaufgeld)