Auktion: 415 / Klassische Moderne am 06.06.2014 in München Lot 312

 

312
Georg Kolbe
Kauernde 27 (Kauernde Marburg), 1927.
Bronze
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 41.480

(inkl. Käuferaufgeld)
Kauernde 27 (Kauernde Marburg). 1927.
Bronze mit hellbrauner Patina.
Nicht bei Berger. Rechts unten auf der Plinthe mit dem ligierten Monogramm sowie verso mit dem Gießerstempel "H. Noack / Berlin Friedenau". Einer von insgesamt 9 Lebzeitgüssen. Da das Gipsmodell zerstört wurde, gibt es keine posthumen Güsse. 43,7 x 20 x 25 cm (17,2 x 7,8 x 9,8 in).
Wohl einer der frühen Lebzeitgüsse von 1928 , gegossen von der Kunstgießerei Hermann Noack, Berlin-Friedenau. [KD].

Mit einem Gutachten von Frau Dr. Ursel Berger, Berlin, vom 18. April 2014.

LITERATUR: Zur "Großen Kauernden" in Marburg vgl. Rudolf G. Binding, Vom Leben der Plastik. Inhalt und Schönheit des Werkes von Georg Kolbe, Berlin 1933, S. 58 (mit Abb.) sowie Ursel Berger, Georg Kolbe - Leben und Werk, Berlin 1990, S. 84-95 (mit Abb.).

Georg Kolbe, einer der erfolgreichsten Bildhauer seiner Zeit, studiert anfänglich Malerei in Dresden und München. Unter dem Eindruck der Plastiken von Rodin, die er während eines halbjährigen Parisaufenthaltes 1897 ausgiebig studiert, und von Louis Tuaillon kommt Kolbe zur Bildhauerei. Mit selbigem Tuaillon, dem Hauptvertreter der neoklassizistischen Plastik, beschäftigt sich Kolbe, als er 1898 nach Rom übersiedelt. Unter seiner Anleitung entstehen erste Porträtplastiken. Nach sechs Jahren, während derer er zahlreiche Reisen durch Italien, Frankreich, Belgien und Holland unternimmt, entschließt sich Kolbe, wieder nach Deutschland zurückzukehren, und zieht nach Berlin. Auch von dort aus macht er sich in den folgenden Jahren immer wieder auf, um in anderen Ländern neue Impulse und Eindrücke zu gewinnen. Im Jahr 1913 wechselt der Bildhauer von der Berliner Sezession, in die er 1905 aufgenommen worden war, zur Freien Sezession. Das Kriegsgeschehen bringt ihn ab 1914 als Freiwilligen nach Ostpreußen und Polen, 1918 wird er als Infanteriesoldat im Schwarzwald eingesetzt. Noch im selben Jahr, kurz nach seiner Rückkehr aus dem Krieg, erhält er den Professorentitel vom Preußischen Kultusministerium. Während Kolbe in seinem plastischen Schaffen mit einfachen, harmonischen, von Rodin und Maillol beeinflussten Aktfiguren beginnt und im Ausdruck dabei um einen Gleichklang von Körper und Seele bemüht ist, verstärkt sich seine Neigung zu einer heroisierenden Monumentalität in den dreißiger Jahren.

Während das bildnerische Schaffen von Georg Kolbe zu Beginn der zwanziger Jahre noch von formalen Aspekten beeinflusst wird, ist ab der Mitte dieses Jahrzehnts eine deutliche Hinwendung zu einer verinnerlichten Gestaltung des Ausdrucks zu beobachten. Die Oberflächenbehandlung wird differenzierter und hinterlässt so den Eindruck einer manuellen Behandlung in ihrem Urzustand. In der lockeren Verschränkung der Gliedmaßen, von natürlicher Gelassenheit, wird der Eindruck des spontan Gesehenen vermittelt. Eine innere Ausgewogenheit der Bewegungsabläufe bleibt erhalten. Die raumgreifende Gestik, wie sie in einigen frühen Arbeiten überdeutlich nachzuvollziehen ist, wird nun zurückgenommen - und doch entfalten die Skulpturen dieser und der folgenden Zeit dank ihrer inneren Monumentalität eine eigene Präsenz im Raum. Die vorliegende Bronze ist ein besonders schönes Beispiel für diese Zeit der Hinwendung zu neuen Gestaltungsmöglichkeiten. Einerseits ist sie in ihrer verschlankten Körperlichkeit noch dem Ideal der beginnenden zwanziger Jahre verpflichtet, um andererseits in der Oberflächenbehandlung und dem Hang zur Monumentalisierung bereits die formalen Aspekte der kommenden Schaffensjahre anzudeuten.

1936 nimmt die Reichskulturkammer den Deutschen Künstlerbund mit Kolbe als Vorsitzenden in ihren Verband auf. Gegen Ende des Krieges werden Haus und Atelier des Bildhauers beschädigt, so dass er bis Anfang 1945 nach Hiershagen in Schlesien übersiedelt. Zurück in Berlin muss sich Kolbe mehreren Augenoperationen unterziehen, die allerdings erfolglos verlaufen. Zudem bricht ein altes Krebsleiden wieder aus. Kolbe stirbt 1947 am 20. November in Berlin. Er gehört zu den ersten Bildhauern, deren Arbeiten nicht mehr auf Aufträge zurückgehen. Neben einem beachtlichen Porträtschaffen konzentriert Kolbe sich weitgehend auf die Aktplastik, womit er prägend für seine und die folgende Bildhauergeneration wird.




312
Georg Kolbe
Kauernde 27 (Kauernde Marburg), 1927.
Bronze
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 41.480

(inkl. Käuferaufgeld)