Auktion: 419 / Klassische Moderne am 05.12.2014 in München Lot 366

 

366
Albert Birkle
Ruhende mit Hut (Else Starosta), Um 1926.
Öl
Schätzung:
€ 35.000
Ergebnis:
€ 45.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Ruhende mit Hut (Else Starosta). Um 1926.
Öl auf festem Malkarton.
Kraker 596 (dort unter dem Titel "Halbakt mit rotem Kleid"). Rechts unten signiert. Verso von fremder Hand bezeichnet "No 6". 62 x 70,5 cm (24,4 x 27,7 in). [JS].

Wir danken Roswita und Victor Pontzen, Archiv und Werkbetreuung Albert Birkle, Salzburg, für die freundliche Unterstützung.

PROVENIENZ: Sammlung Joseph Hierling (1977 direkt vom Künstler erworben; bis 2010).
Privatsammlung Hamburg (seit 2010).

AUSSTELLUNG: Menschenbilder - Sammlung Joseph Hierling, Kunsthalle Schweinfurt, 26.3.-25.7.2010, S. 76 (mit Farbabb.).

Albert Birkle beginnt nach dem Ende des Ersten Weltkriegs eine Lehre als Dekorationsmaler im väterlichen Betrieb. Ab 1918 studiert er an der Hochschule der Bildenden Künste in Berliner-Charlottenburg bei Ferdinand Spiegel und Paul Plontke. Als jüngstes Mitglied findet Birkle 1923 Aufnahme in der "Berliner Secession" und ein Jahr später in der von Max Liebermann als Präsident geleiteten "Preußischen Akademie der Künste". Während dieser Studienjahre formt er einen religiös-sozialkritischen Realismus mit neusachlichen Zügen aus, der vor allem in seinen eigenwilligen Charakterköpfen karikaturistische Momente annimmt. 1924 heiratet Birkle die Kunstgewerblerin Elisabeth Starosta. Unmittelbar nach dem Hochschulabschluss wird er Meisterschüler von Prof. Arthur von Kampf an der Preußischen Akademie der Künste.

Für das im Stil der Neuen Sachlichkeit Mitte der 1920er Jahre entstandene erotische Gemälde, welches den Reiz von Verhüllung und Enthüllung einander entgegensetzt, hat dem Berliner Secessionisten seine erste Frau, die Kunstgewerblerin Else Starosta Modell gesessen. Inmitten der sozialkritischen Charakterporträts mit teils karikaturistischen Zügen kommt den seltenen, meist sinnlichen Darstellungen seiner Ehefrau eine Sonderstellung zu. In keinem der wenigen bekannten Beispiele jedoch hat Birkle die erotische Anziehung, die von seiner jungen Frau ausging, so offen wie im vorliegenden Beispiel dokumentiert: In seitlich lagernder Pose auf einer Chaiselongue niedergesunken, hat Birkle sein Modell ins Bild gesetzt. Die eindrucksvolle Komposition wird beherrscht von dem spannungsvollen Gegensatz zwischen der in warmer Farbigkeit gestalteten Stofflichkeit und dem in kühlem Weiß akzentuierten und damit die Nacktheit zusätzlich betonenden Inkarnat. Der schwarze Hut und die mit schwarzer Spitze verschleierten, geschlossenen Augen bilden einen schönen Kontrast zum Rot der Lippen und der leichten, purpurfarbenen Bluse, die die entblößte Brust sinnlich umspielt.

1927 findet in Berlin die erste Einzelausstellung in der Galerie Hinrichsen statt. 1932 siedelt er nach Salzburg über. In den 1930er Jahren verlieren sich in Birkles Werk die sozialkritisch zugespitzten Tendenzen; Landschaften und Industriemotive werden stimmungshafter und monumentaler. Dieselben Bilder, mit denen der Künstler 1936 Deutschland auf der Biennale in Venedig vertritt, werden 1937 vor Ausstellungseröffnung im Haus der Deutschen Kunst in München seine Bilder entfernt und weitere Werke aus öffentlichen Sammlungen als "entartet" beschlagnahmt. Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, meldet sich Birkle freiwillig zum Reichsarbeitsdienst, wodurch ihm vorübergehend der Militärdienst erspart bleibt. Als Kriegsmaler führt der überzeugte Pazifist einen Freskoauftrag in der Kaserne in Glasenbach aus und wird als Kriegsberichterstatter nach Frankreich geschickt. 1958 wird Birkle der Professorentitel verliehen. Die 1950er und 1960er Jahre sind erfüllt von einem intensiven Schaffen auf dem Gebiet der Glasmalerei. Es entstehen zahlreiche bedeutende Werke und Fensterzyklen religiös-dekorativer Prägung. Auch in seinen biblischen Darstellungen findet sich das Mittel des kritischen Zeitkommentars wieder. Am 29. Januar 1986 stirbt Albert Birkle in Salzburg.




366
Albert Birkle
Ruhende mit Hut (Else Starosta), Um 1926.
Öl
Schätzung:
€ 35.000
Ergebnis:
€ 45.000

(inkl. Käuferaufgeld)