Auktion: 419 / Klassische Moderne am 05.12.2014 in München Lot 229

 

229
Robert Michel
Halt!, Wohl 1920.
Tuschzeichnung
Schätzung:
€ 8.000
Ergebnis:
€ 28.750

(inkl. Käuferaufgeld)
Halt!. Wohl 1920.
Tuschzeichnung.
In der Darstellung mehrfach bezeichnet u.a. "B132/20". Auf dem Unterlagepapier unterhalb der Darstellung betitelt und bezeichnet "B132" sowie verso handschriftlich bezeichnet "16.". Auf hauchdünnem Zeichenpapier. 38,3 x 27,7 cm (15 x 10,9 in), blattgroß. [SM].

Der Avantgardekünstler Robert Michel wird im Jahr 1897 in Vockenhausen geboren. Sein Vater führt die große Farbenfabrik "Michel & Morell", doch als jüngster Sohn kann es sich Robert Michel erlauben, anderen Interessen nachzugehen. Die Begeisterung des jungen Robert Michel, studierter Maschinenbauer und Pilot, gehört zunächst ganz der Fliegerei. Er wird Versuchspilot, erleidet jedoch 1917 einen schweren Absturz. Im Anschluss verlegt sich Robert Michel auf die Kunst. 1917 schreibt er sich an der Hochschule für bildende Künste in Weimar ein, wo Robert Michel auch seine spätere Frau Ella Bergmann kennenlernt. Der junge Künstler ist von Anbeginn an ein Avantgardist, der gegen die Generation der Lehrmeister aufbegehrt.

Ganz auf der Höhe der Avantgarde, besonders des zunehmend auch außerhalb Italiens beliebten Futurismus, fertigt Robert Michel die große Tuschzeichnung "Halt!". Michel, wie die Futuristen von der Formenwelt moderner Technik und der Idee von Geschwindigkeit fasziniert, befasst sich um 1920 oft mit ineinandergreifenden Zahnrädern oder Uhrwerken: fantastische Allegorien des Kosmos. In unserem Blatt wird deutlich, dass er dabei aber keineswegs stets der vielbeschworene "Maschinenromantiker" ist. "Halt!" ruft nicht nur der Titel, sondern die gesamte Komposition. Wie Uhrräder greifen architektonische, menschengemachte Strukturen ineinander. Fahrradfahrer, Eisenbahnen und Rennautos rasen durch dieses Gebilde, sich ziellos im Kreis drehend. Wer sich nicht eingliedert, wird zum Gehetzten: Am linken Bildrand stürzen Menschen in den Abgrund, in kosmische Wellen, die den zeitgenössischen Betrachter an die Darstellungsmodalitäten des Fegefeuers erinnert haben werden. Die in diesen Jahren vieldiskutierte nervliche Überreizung des Individuums durch Großstadtleben und Industrialisierung findet in Michels Blatt eindrucksvoll Gestalt.

Bis 1933 steht Michel im Schulterschluss neben anderen Größen der Avantgarde: Er beteiligt sich am "Neuen Frankfurt", ist Gründungsmitglied des "Rings neuer Werbegestalter" und bewegt sich in den Kreisen um László Moholy-Nagy, Willi Baumeister und Kurt Schwitters. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten aber beendet diese Entwicklung. Robert Michel zieht sich zurück und betreibt eine Fischzucht, um den Lebensunterhalt seiner Familie zu sichern. Erst über 60-jährig wird Robert Michel in den 1960er Jahren wieder künstlerisch aktiv. Der Künstler zählt zu denjenigen Avantgardisten, deren Wiederentdeckung in den Nachkriegsjahren einige Zeit in Anspruch nimmt. 1963 aber wird seine Leistung in der Leverkusener Schau "Pioniere der Collage" gewürdigt und daraufhin für die Kunstgeschichtsschreibung neu entdeckt. Posthum zeigt das Hannoveraner Sprengel Museum 1988 eine umfassende Ausstellung des Œuvres. Robert Michel verstirbt 1983 in Titisee-Neustadt.




229
Robert Michel
Halt!, Wohl 1920.
Tuschzeichnung
Schätzung:
€ 8.000
Ergebnis:
€ 28.750

(inkl. Käuferaufgeld)