Auktion: 479 / Klassiker des 20. Jahrhunderts I am 08.12.2018 in München Lot 879

 

879
Asger Jorn
Cent défauts, 1967.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 180.000
Ergebnis:
€ 287.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Cent défauts. 1967.
Öl auf Leinwand.
Atkins 1725. Rechts unten signiert. Verso nochmals signiert sowie datiert und betitelt. 99 x 130 cm (38,9 x 51,1 in).

Die Arbeit ist im Jorn Archiv, Silkeborg (Museum Jorn), registriert.

PROVENIENZ: Privatsammlung Dänemark.

AUSSTELLUNG: "Asger Jorn", Galerie Jeanne Bucher, Paris 1967, Kat Nr. 9
"Campo vitale", Palazzo Grassi, Venedig, Juli-Oktober 1967, Kat. Nr. 55.

LITERATUR: Guy Atkins, "Asger Jorn: The final years 1965-1973", London 1980, Nr. 1725.
Jacques Vallier, "Asger Jorn", Clarté, Paris XV, Januar-Februar 1968, ill. S. 42-43.



Als „Creator of tragic toys for adults“ hatte André Breton, Mastermind der Surrealisten, in den späten 20er Jahren mit Blick auf die Demoiselles d’Avignon – immerhin das Bild, das die Sehgewohnheiten mehrerer Generationen von Malern verändern sollte – Picasso apostrophiert und damit eine eigenwillige Beschreibung des schwer zu fassenden Künstlers geliefert. „Making Modernism“ – auf diesem Weg war auch Asger Jorn seit Mitte der 40er Jahre zukunftsträchtig unterwegs.
1965, gegen Ende des Jahres – mehr als 1.500 Ölbilder liegen hinter ihm – zieht Jorn die letzte Konsequenz aus seiner langjährigen Erfahrung als Maler. Er signiert in München und unter „freiem Himmel“ ein riesiges Bild, farbenprächtig, ein großer Wurf. Auf die Rückseite schreibt er „Au début il y a l’image“ – „Am Anfang war das Bild“. Es ist kein wörtliches Zitat, aber eine Anspielung auf die berühmte Wortfolge „Am Anfang war das Wort“ aus dem Johannes Evangelium und zugleich eine clevere Verschiebung der Bedeutungsebenen, die keine schnellen Antworten verspricht. Nebenbei tritt er mit dem thesenhaft formulierten Titel den Kritikern, die Mitte der 60er-Jahre, die Malerei in Öl auf Leinwand zwischen Happening, Pop, Op und Minimal Art längst an ihrem Ende sehen, souverän entgegen. Jorn ist mit diesem Bild „der europäische Maler“ seiner Zeit: 6 Quadratmeter unbändige Malerei, ein „großes“ Bild, ein „point of no return“, ein Versprechen, dem in den nächsten Jahren noch viele folgen sollten. Es wird Jorns Beitrag für den „Salon de Mai“ 1966 in Paris und damit Auftakt für eine weitere Steigerung der Sichtbarkeit seiner Kunst in der einstigen europäischen Hauptstadt der Moderne.
Ende 1966 beschliest Jorn seine langjahrige Galerie Rive Gauche im Guten zu verlassen, folgt dem Rat seines Freundes Jean Dubuffet und wird von nun an bei der seit den 30er Jahren sehr einflussreichen Galerie Jeanne Bucher ausstellen. Mit dem jungen, energischen Galeriedirektor, Jean-Francois Jaguer vereinbart er umgehend eine Ausstellung. Gleich zu Beginn des neuen Jahres gelingt Jorn eine seiner kraftvollsten Gruppen von Bildern. Neben Une nouvelle vague (60 x 73 cm), Une mime de rien (ou prèsque) (114 x 146 cm) und Tête turque (120 x 97 cm ) entsteht das opulente Cent défauts (99 x 130 cm), ein Schrei aus Farben. Es wird eines jener Bilder sein, die Jorn zum Auftakt seiner ersten Ausstellung im April 1967 in der neuen Galerie präsentiert.
Auf den ersten Blick liest sich der von Asger Jorn gewählte Titel des Bildes als „100 Fehler“, und selbstverständlich wird jeder selbstkritische Künstler in seinen Bildern auch nach der „Vollendung“ immer hundert Fehler finden. Die 100 Fehler bedingen die nächsten 100 Bilder, die eigenen und die der anderen, die auch unterwegs sind, die Malerei in bisher unbestimmtes Terrain zu führen. Aber bedenkt man Jorns Vorliebe für Wortspiele impliziert Cent défauts in gesprochener Form natürlich auch „sans défauts“, was ohne Fehler oder fehlerfrei bedeutet, und sogleich wird aus der postulierten Misere ein leuchtendes Fanal. Die latente Aggressivität, die das Bild durch das große in verschiedenen Rottönen gestaltete Feld bestimmt, wird ausbalanciert vom freien Raum, der sich im Blau der rechten unteren Kante bricht und vor allem in den hellen Tönen am oberen Bildrand leuchtet.
1965, gegen Ende des Jahres – mehr als 1.500 Ölbilder liegen hinter ihm – zieht Jorn die letzte Konsequenz aus seiner langjährigen Erfahrung als Maler. Er signiert in München und unter „freiem Himmel“ ein riesiges Bild, farbenprächtig, ein großer Wurf. Auf die Rückseite schreibt er „Au début il y a l’image“ – „Am Anfang war das Bild“. Es ist kein wörtliches Zitat, aber eine Anspielung auf die berühmte Wortfolge „Am Anfang war das Wort“ aus dem Johannes Evangelium und zugleich eine clevere Verschiebung der Bedeutungsebenen, die keine schnellen Antworten verspricht. Nebenbei tritt er mit dem thesenhaft formulierten Titel den Kritikern, die Mitte der 60er-Jahre, die Malerei in Öl auf Leinwand zwischen Happening, Pop, Op und Minimal Art längst an ihrem Ende sehen, souverän entgegen. Jorn ist mit diesem Bild „der europäische Maler“ seiner Zeit: 6 Quadratmeter unbändige Malerei, ein „großes“ Bild, ein „point of no return“, ein Versprechen, dem in den nächsten Jahren noch viele folgen sollten. Es wird Jorns Beitrag für den „Salon de Mai“ 1966 in Paris und damit Auftakt für eine weitere Steigerung der Sichtbarkeit seiner Kunst in der einstigen europäischen Hauptstadt der Moderne.
Als Jorn Mitte der 60er Jahre die große Welle der von ihm entwickelten Malerei reitet, eine weitere werden die nur retrospektiv als Gruppe erkennbaren, „vom Weiß bestimmten“ letzten Bilder sein, gilt es erneut, die Grenzen des mit Malerei Sagbaren zu verschieben. Es sind eher „ortlose“ Räume als Landschaften und die mit viel Selbstironie zugewiesenen Titel führen die Betrachter ebenso weg vom Bild wie direkt zu ihm hin. Längst hat Jorn die Malerei mit sich selbst in die Arena geschickt und viele Konventionen der „Weltsprache Abstraktion“, die bereits als „pictorial representation“ ihren Siegeszug in der westlichen Welt feiern konnte, auf ihre in der Tiefe des Bildes liegenden Signifikanten zurückgeführt. Cent défauts ist ein herausragendes Beispiel für Jorns unerschütterlichen Glauben an das Bild und seine Wirkmächtigkeit.



879
Asger Jorn
Cent défauts, 1967.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 180.000
Ergebnis:
€ 287.500

(inkl. Käuferaufgeld)