Auktion: 466 / Klassische Moderne II am 07.06.2018 in München Lot 106

 

106
George Grosz
The Wanderer, 1936.
Aquarell
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 32.500

(inkl. Käuferaufgeld)
The Wanderer. 1936.
Aquarell und Gouache über Tuschfederzeichnung.
Dückers SII, 63 (für die Reproduktion). Unten rechts signiert und datiert, unten mittig bezeichnet "No. 9". Auf Maschinenbütten. 60 x 45 cm (23,6 x 17,7 in). Papier: 63 x 49 cm ( 2,8 x 19,2 in).
Die Kolorierung in Gouache und Aquarell erst Anfang der vierziger Jahre, vgl. Dückers SII, 63.
Voll ausgeführtes Aquarell von bildhafter Wirkung.
Mit einer Fotoexpertise von Ralph Jentsch, Rom, vom 27. Juni 2016.

PROVENIENZ: Atelier des Künstlers, Douglaston, Long Island.
Sammlung Bernard und Rebecca Reis, New York.
Sammlung Barbara Poe-Levee, Los Angeles.
Privatsammlung Denver/Colorado.

LITERATUR: Erschienen als Reproduktion, nur die Zeichnung mit leichter Lavierung, doch ohne die spätere Kolorierung, in dem Sammelwerk "Interregnum" unter dem Titel "No let-up" (Dückers SII, 63).
Walter Mehring. No Road Back, Poems, New York 1944, vgl. Kat. Berlin 1995, S. 552 mit Abb.
Klaus Peter Schuster (Hrsg.), George Grosz. Berlin - New York, Ausst.-Kat Nationalgalerie Berlin 1995, S. 378 mit Abb.

Nachdem George Grosz in dem Land seiner Träume angekommen war, fehlte ihm die intellektuelle Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Zuständen, die in Berlin weitgehend sein künstlerisches Schaffen bestimmte. Wie manche seiner Zeitgenossen in der Emigration suchte Grosz neue Wege einer Interpretation seiner Ideenwelt im Rückgriff auf das auf der Akademie Erlernte, nicht jedoch, um es mittels neuer Sichtweisen zu erweitern. So ist der im Sumpf watende Wanderer wohl als Metapher auf eine Politik zu sehen, die im Hinblick auf die Euphorie des in Deutschland herrschenden Nationalsozialismus kaum an dessen weitere Entwicklung bis hin zu dem schrecklichen Ende dachte. Viele mussten im Sumpf waten und waren glücklich, eine Laterne zu tragen, die mit ihrem schwachen Licht eine humanere Zukunft verhieß. George Grosz ahnte durch die negativen Erfahrungen mit dem preußischen Obrigkeitsstaat, dass das von manchen verharmloste und intellektuell belächelte Dritte Reich sich in der Folge noch entsetzlicher entwickeln würde, als alle Voraussagen ahnen konnten. Insofern kann das Aquarell in vieler Hinsicht als bedeutendes Zeugnis der Zeit angesehen werden. George Grosz ahnte, dass der Weg zurück in eine geordnete Demokratie unter Achtung der Menschenwürde noch lang und schrecklich werden sollte.
Die Zeichung ist reproduziert im Sammelwerk "Interregnum". Sie diente auch als Illustrationsvorlage zu dem Buchumschlag von Walter Mehrings Gedichtsammlung "No Road back" von 1944. Das Thema wurde von Grosz in veränderter Form in seinem Gemälde "Der Wanderer" prophetisch gestaltet, in dem er sich selbst von Raben umflattert sieht. [KD]



106
George Grosz
The Wanderer, 1936.
Aquarell
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 32.500

(inkl. Käuferaufgeld)