Auktion: 500 / Evening Sale am 17.07.2020 in München Lot 216

 

216
Alexej von Jawlensky
Abstrakter Kopf, Um 1921.
Öl auf Leinwand, punktuell auf schwarze Malpapp...
Schätzung:
€ 180.000
Ergebnis:
€ 300.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Abstrakter Kopf. Um 1921.
Öl auf Leinwand, punktuell auf schwarze Malpappe montiert.
Jawlensky/Pieroni-Jawlensky 1160. Links unten monogrammiert. 34,5 x 24,7 cm (13,5 x 9,7 in). Malpappe: 37,2 x 27,3 cm (14,6 x 10,7 in).

• Einer der farbstärksten "Abstrakten Köpfe".
• Gewagte, hochmoderne Farbkombination.
• Einer der ersten "Abstrakten Köpfe" aus der wichtigen progressiven Schaffensphase um 1920.
• Wichtiges Zeugnis von Radikalität in der klassischen Porträtmalerei
.

Mit einer schriftlichen Bestätigung von Angelica Jawlensky Bianconi, Alexej von Jawlensky-Archiv S. A., Locarno, vom 3. Dezember 2014 (in Kopie).

PROVENIENZ: Sammlung Moses "Mo" Rothmann (1919-2011), London.
Sammlung Claus Runkel, London (vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Monte Carlo (vom Vorgenannten erworben).
Galerie Thomas, München (2008).
Privatsammlung Süddeutschland.

1917 zieht Alexej von Jawlensky mit seiner Familie, Helene Nesnakomoff und Sohn Andreas sowie mit Marianne von Werefkin von Saint-Prex nach Zürich. Bereits seit 1914 lebt Jawlensky nach seiner Ausweisung aus Deutschland im Exil in der Schweiz. In dieser Zeit entstehen erste "Heilandsgesichter" und einige "Mystische Köpfe", die einen gewissen Porträtcharakter der gezeigten Köpfe bereits fast vollständig hinter sich lassen. 1918 zieht Jawlensky mit Werefkin und seiner Familie aus gesundheitlichen Gründen wieder in südlichere Gefilde nach Ascona an den Lago Maggiore. Hier beginnt er seine Werkreihe der "Abstrakten Köpfe" (1918-1935), der auch die hier angebotene Arbeit zuzuordnen ist. "Wir siedelten Anfang April 1918 nach Ascona über. Die folgenden drei Jahre in Ascona waren die interessantesten meines Lebens. [..]", schreibt der Künstler später rückblickend in seinen Memoiren über die künstlerische Bedeutsamkeit dieser Schaffenszeit. Mit den nun begonnenen "Abstrakten Köpfen" geht Jawlensky in der Vereinfachung und Abstrahierung der menschlichen Gesichtszüge noch weiter als in den bereits porträtfernen "Heilandsgesichtern" und den "Mystischen Köpfen". Nun gelingt ihm die Darstellung menschlicher Gesichter in einer Art und Weise, die sich von einer naturalistischen Wiedergabe so weit wie möglich zu entfernen versucht. Die anatomischen Merkmale werden zu geometrischen Formen umgewandelt und in gar architektonisch anmutender Weise symmetrisch angeordnet. Auch in der hier gezeigten Arbeit orientiert sich alles an einer mittig platzierten Vertikalen, mit der Jawlensky eine Nase andeutet. Den Mund setzt der Künstler aus waagerechten Linien und einer Halbmond-Form zusammen, Augen und Augenbrauen werden durch waagerechte und leicht diagonal platzierte Linien ersetzt. Das als Oval gestaltete, durch den Bildträger leicht beschnittene Gesicht füllt Jawlensky mit zusammengesetzten, nahezu geometrischen Formen und Farbflächen beschnittener oder leicht abgerundeter Dreiecke und Quadrate aus.
In seinem Drang nach künstlerischem Experimentieren mit Form- und Farbvariationen findet Jawlensky nun zu einem ganz eigenen Prinzip der Formgestaltung und des seriellen Arbeitens und nimmt damit im Grunde bereits die späteren künstlerischen Bestrebungen eines Josef Albers oder Andy Warhol vorweg. Der hier angebotene "Abstrakte Kopf" entsteht um 1921. Zur selben Zeit werden zahlreiche Arbeiten Jawlenskys in einer groß angelegten, retrospektiven Wanderausstellung in Deutschland gezeigt, unter anderem in Berlin, Mitte August 1920 bei Hans Goltz in München und später in Wiesbaden, wo die Ausstellung auf besonders große Begeisterung stößt. Aus ebendiesem Grund reist der Künstler für einen kurzen Besuch in die damals äußerst populäre Kurstadt und beschließt kurzerhand, nicht mehr nach Ascona zurückzugehen, sondern in Deutschland zu bleiben.
Für Jawlenskys Werkserien und insbesondere für die "Abstrakten Köpfe" interessieren sich schon zu Jawlenskys Lebzeiten zahlreiche Künstler und Sammler der zeitgenössischen Kunst. Dazu gehören bspw. Hans Arp oder Karl Schmidt-Rottluff, der 1936 den "Frühlingsatem" kauft. Willi Baumeister erwirbt den abstrakten Kopf "Letztes Licht", Wassily Kandinsky kauft "Morgengrauen" und Paul Klee erhält im Tausch gegen eigene Bilder ebenfalls zwei abstrakte Köpfe, "Morgenlicht" und "Herbstlicher Klang". Unsere Arbeit gelangt in den 1980er Jahren durch eine Schenkung an den in Kanada geborenen Mo Rothman. Rothman steigt in den 1960er Jahren im Management von Columbia Pictures zu einer der obersten Führungskräfte auf und macht sich in den 1970er Jahren mit der Verbreitung und Vermarktung der bedeutendsten Filme Charlie Chaplins einen Namen, dem er mit dieser Tätigkeit zu einem internationalen Comeback verhilft. Auf Rothmans Rat hin reist Chaplin 1972 nach zwanzig Jahren erstmals wieder in die USA, um dort seine Filme zu bewerben - was in der Filmbranche als einer der pfiffigsten PR-Coups der damaligen Zeit gewertet wird. Rothman gilt deshalb als derjenige, auf den Charlie Chaplins damaliges Comeback zurückzuführen ist. Unser Kunstwerk gelangt später über eine weitere Londoner Sammlung nach Monte Carlo und schließlich in eine deutsche Privatsammlung. [CH]



216
Alexej von Jawlensky
Abstrakter Kopf, Um 1921.
Öl auf Leinwand, punktuell auf schwarze Malpapp...
Schätzung:
€ 180.000
Ergebnis:
€ 300.000

(inkl. Käuferaufgeld)