Auktion: 502 / Klassische Moderne II am 18.07.2020 in München Lot 343

 

343
Wassily Kandinsky
Bogenschütze, 1908/09.
Holzschnitt
Schätzung:
€ 6.000
Ergebnis:
€ 10.625

(inkl. Käuferaufgeld)
Bogenschütze. 1908/09.
Holzschnitt.
Roethel 79. Mittig links im Druckstock monogrammiert. Probedruck in Schwarz außerhalb der Auflage in Farbe. Auf dünnem Pergamin (mit Wasserzeichen). 16,3 x 15,5 cm (6,4 x 6,1 in). 21,7 x 18,3 cm (8,5 x 7,2 in).
Der Holzschnitt zeigt das gleiche Motiv wie das Gemälde "Bild mit Bogenschützen" (Museum of Modern Art, New York). Das Gemälde ist auf das Jahr 1909 datiert, es ist jedoch nicht auszumachen, ob der hier angebotene Holzschnitt tatsächlich früher entsteht, weshalb das Werkverzeichnis die hier genannte Datierung 1908/09 verwendet. [CH].
• Unikat. Der erste und einzig bekannte Druckzustand in Schwarz-Weiß.
• Das Motiv steht für Kandinskys künstlerischen Weg zur Abstraktion.
• Der Reiter als Bote für den Aufbruch in die Moderne
.

PROVENIENZ: Privatsammlung Rheinland.

LITERATUR: Wassily Kandinsky, Mes gravures sur bois, in: XXe siècle. Chroniques du Jour, No. I, Paris 1938, S. 31.

Das Motiv mit Bogenschütze gehört zu jenen Überlegungen, die Kandinsky zwischen 1908 und 1911 vollzieht und sich im zunehmenden Abstraktionsgrad vieler Werke niederschlägt. Kandinskys Durchbruch zur Abstraktion erfolgt nicht plötzlich und stellt keineswegs eine geradlinige Entwicklung dar. Vielmehr wandelt sich die Kunst Kandinskys schrittweise im Zuge seiner Erkundung neuer Wege, die er gleichzeitig in Malerei, in seinen Schriften und in gemeinschaftlichen Musik- und Bühnenprojekten entwickelt und die Motive weitgehend in 'Improvisation' und 'Komposition' aufteilt. In seiner programmatischen Schrift "Über das Geistige in der Kunst" beschreibt der Künstler die Serie der 'Improvisationen' als "hauptsächlich unbewußte, größtenteils plötzlich entstandene Ausdrücke der Vorgänge inneren Charakters, also Eindrücke von der inneren Natur. Diese Art nenne ich Improvisationen; auf ähnliche Art (aber ganz besonders langsam) sich in mir bildende Ausdrücke, welche lange und beinahe pedantisch nach den ersten Entwürfen von mir geprüft und ausgearbeitet werden. Diese Art Bilder nenne ich Komposition" (Wassily Kandinsky, Über das Geistige in der Kunst, München 1911, S. 142). Das Motiv des Bogenschütze steht am Beginn der Serie von Kompositionen, die der Künstler als seine wichtigsten, bedeutungsvollsten Werke betrachtet. Es sind zumeist Kompositionen mit Untertitel, in denen vor fantasiereichen Landschaften seiner russischen Heimat - durchaus mit Murnaubezug - Figuren und Reiter zu Pferde im Vordergrund und Berge mit Kuppelbauten und Türmen im Hintergrund zu sehen sind. Obgleich Details von anderen Bildern her bekannt sind, deutet ihr dichtes Nebeneinander in der Komposition "Bogenschütze" auf eine neuartige thematische Komplexität hin. Kandinsky wiederholt vielfach bestimmte Motive in verschiedenen Techniken und unterzieht sie einer abschließenden Analyse. Das Motiv des Bogenschützen ist in verschiedenen Form bekannt, zunächst als prachtvolles Gemälde im Museum of Modern Art, New York und als Farbholzschnitt in vier Farben, beide Arbeiten sind 1909 entstanden. In der Sammlung der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München befindet sich ein Entwurf für den Farbholzschnitt "Bogenschütze" (Tuschpinsel und Aquarell über Bleistift auf grauweißem Karton), der mit diesem Holzschnitt weitgehende Übereinstimmungen aufweist. (Der Bogenschütze ist von Kandinsky auf das Jahr 1908 datiert, in: Mes gravures sur bois, Paris 1938, S. 3) Schon Will Grohmann erwähnt diesen Holzschnitt ohne Farbstöcke als Handdruck in Schwarz auf Durchschlagpapier mit dem Titel 'Sagittaire' (Schütze). Alle weiteren Abzüge auf verschiedenen Papieren sind in der Folge Schwarz, Rot, Blau, Gelb gedruckt.
Das Reiter-Motiv taucht im Werk Kandinskys seit 1900 immer wieder auf und wird in der Konsequenz einer Metapher in gewisser Weise zu seinem persönlichen Emblem, ob als ein dahinstürmender Ritter, als der geheimnisvolle Bote im blauen Mantel, als Trompete blasender Bote, als dahinstürmende Kreuzritter, als heiliger Georg, dem Drachentöter, als Signet nicht zuletzt für das 'Unternehmen' "Der Blaue Reiter" und wie hier als vorwärtsstürmender, nach hinten gewandter "Bogenschütze". Das Motiv des Reiters scheint stets heroisch aufgeladen, Pferd und Reiter werden bei Kandisky zu einem Sinnbild für seinen Kampf um die Moderne. Nicht von ungefähr wird der "Bogenschütze" in vier Farben als Handpressendruck in der auf 10 Exemplare beschränkten Museumsausgabe und in der aus 10 Exemplaren bestehenden Luxusausgabe des Almanachs "Der Blaue Reiter" 1912 bei Pieper verlegt in München veröffentlicht. [MvL]



343
Wassily Kandinsky
Bogenschütze, 1908/09.
Holzschnitt
Schätzung:
€ 6.000
Ergebnis:
€ 10.625

(inkl. Käuferaufgeld)